Wann Esoterik gefährlich wird
Von Horoskopen über Engel-Bettwäsche bis zu Geistheilung – der Esoterikmarkt boomt in Krisenzeiten. Warum vermeintlich harmlose Spielereien der Beginn einer Radikalisierung sein können.
Wir alle versuchen die Welt für uns verständlich zu machen. Ein tief in uns verankertes Bedürfnis danach, Zusammenhänge zu durchdringen und vielleicht sogar einen tieferen Sinn in Ereignissen zu erkennen, begleitet die Menschheit von jeher. Die einen greifen dafür auf wissenschaftliche Belege oder die Einschätzung von Fachleuten zurück. Andere wiederum folgen einem spirituellen Ansatz, um sich in der Welt zu verorten. Gerade in Zeiten voller Umbrüche und Veränderungen suchen jedoch viele Menschen Halt und Orientierung in esoterischen Welterklärungsmodellen: Horoskope zeigen vermeintlich, was die eigene Zukunft für einen selbst bereithält, der spirituelle Heiler wird zur Leitfigur, die aus Krisenzeiten herausführen soll, und esoterische Influencer versprechen einfache Lösungen für komplexe Lebensfragen.
Freunde aus dem Ausland reagieren darauf irritiert: »Ich dachte immer, ihr Deutschen wärt so rational! Esoterik ist bei euch ein Thema? Wirklich?« Aber derartige Angebote sind tatsächlich keineswegs nur für eine kleine Minderheit attraktiv: Die Autoritarismus-Studie des Psychologen Oliver Decker und seiner Kollegen kam für das Jahr 2020 zu dem Schluss, dass Aberglaube tief in der deutschen Gesellschaft verankert ist. Die bevölkerungsrepräsentativen Daten wurden zu Beginn der Covid-19-Pandemie zwischen Mai und Juni 2020 erhoben.
Die Studie zeigt zwar, dass nur ein kleiner Teil der Gesellschaft vollends überzeugt ist, dass Sternzeichen, Wunderheiler oder Wahrsager einen Einfluss auf das Leben haben. Schließt man allerdings auch diejenigen mit ein, die meinen, dass Derartiges zumindest wahrscheinlich ist, liegt man schon bei Zustimmungswerten von rund einem Viertel bis einem Drittel der Befragten.
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily