Die 7 besten Serien für einen nassen, kalten Herbst
Kannst du dich nicht entscheiden, was du schauen sollst? Wir helfen dir bei der Auswahl!
Die langen, dunklen Herbstabende laden förmlich dazu ein, mal wieder einen TV-Abend auf der Couch zu verbringen. Oder gleich ein ganzes Wochenende. Kurz gesagt: Zeit für Serien!
Auf den Streaming-Portalen und in den Mediatheken stehen mittlerweile Tausende Titel zur Auswahl. Und so gemütlich ein Serien-Abend auch sein kann, so schwierig ist es, sich für eine der vielen Geschichten zu entscheiden. Der Psychologe Barry Schwartz erklärt in seinem Buch »The Paradox of Choice«, wieso uns die Entscheidung oft so schwerfällt: Eine zu große Auswahl hat verschiedene
- Überhöhte Erwartungen: Wenn auf Streaming-Plattformen Tausende Filme zur Auswahl stehen und nicht mehr nur 5–10 wie im Fernsehen früher, erwarten wir mehr von einem Film als nur »ein bisschen Unterhaltung«. Die große Zahl suggeriert: Bei so viel Auswahl muss der perfekte Titel dabei sein!
- Die Opportunitätskosten: Die Größe des Angebots beeinflusst auch, wie wir die einzelnen Optionen bewerten. Jede Option, die wir abwägen, bringt bestimmte Vor- und Nachteile mit sich. Entscheide ich mich aufgrund bestimmter Nachteile gegen eine Option, muss ich auch auf deren Vorzüge verzichten. Diese verpassten Vorteile nennt man Opportunitätskosten – der Wunsch, sie zu vermeiden, macht uns die Entscheidung noch schwerer.
Eine Lösung für dieses (Luxus-)Problem: Grenze die Zahl an Titeln, die zur Auswahl stehen, einfach ein! Dabei helfen wir dir heute: Wir haben 7 Serien zusammengestellt, die an dunklen Abenden unterhalten, spannende Momente bescheren und neue Perspektiven eröffnen. Und weil unsere Liste natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, teile deine Empfehlungen einfach in den Kommentaren unter dem Artikel mit uns.
Roma, Rap und Female Empowerment: »Infamia«
von Katharina WiegmannWenn Roma in den Medien auftauchen, ist die Darstellung oft klischeebehaftet. Gezeigt werden Armut, Arbeitslosigkeit, Kriminalität, verschmutzte Ghettos. Junge Mütter, viele Kinder, noch mehr Probleme. Diese einseitige Darstellung der größten Minderheit Europas – rund 6 Millionen Roma leben Schätzungen zufolge in der Europäischen Union – trägt weiter zur Stigmatisierung bei.
In diesem Interview spricht die Direktorin des Europäischen Roma-Instituts für Kunst und Kultur über Antiziganismus, Stereotype und den Versuch einer neuen Geschichtsschreibung:
Oberflächlich betrachtet schlägt der Plot der polnischen Mini-Serie »Infamia« in eine ähnliche Kerbe. Protagonistin ist die 17-jährige Gita. Weil ihr Vater Spielschulden angehäuft hatte, war er mit der Familie nach Wales geflohen. Dort lebt Gita wie eine ganz normale Teenagerin. Sie feiert Partys mit ihren Freund:innen (die keine Roma sind), hat feministische Ansichten, ist Vegetarierin – und will Karriere in der Musikindustrie machen.
Doch dann kehrt die Familie in ihre Heimat in der polnischen Provinz zurück. Gita ist nicht begeistert, dabei weiß sie das Schlimmste noch gar nicht: Sie soll mit dem Sohn eines tschechischen Gangsterbosses verheiratet werden und so die Schulden ihres Vaters begleichen. Bei der Verwandtschaft regiert das Patriarchat, im Umfeld begegnen ihr Diskriminierung und Vorurteile.
Gita lässt sich nicht in die Opferrolle drängen. Selbstbewusst, stur und verletzlich zugleich verfolgt sie ihre Ziele: Schule, Bildung, Rap-Karriere, »einfach leben«. Klingt nach schwerer Kost? Ist es, aber es ist auch ein emotional mitreißendes Coming-of-Age-Drama mit liebevoll gezeichneten Bildern, einem stampfenden Soundtrack und einer grandiosen Hauptdarstellerin. Dass diese selbst keine Romnja ist, ist ein Wermutstropfen. An der Produktion selbst waren jedoch viele Vertreter:innen der Minderheit beteiligt; begleitet wurde sie von einer
Die große Stärke der Serie ist die Komplexität ihrer Charaktere: So sind weder Gitas Vater noch ihr Ehemann in spe die eindimensionalen Bösewichte, die man zunächst in ihnen vermuten könnte. Und auch innerhalb der mehrheitlich rassistisch eingestellten weißen polnischen Bevölkerung finden sich Verbündete.
Die Serie drehe sich zwar erneut um Stereotype, bemühe sich aber, Roma-Charaktere in all ihrer Komplexität und Menschlichkeit darzustellen, kommentiert die Schauspielerin Mihaela Drăgan, die selbst Romnja ist, auf Instagram. »Es war das erste Mal, dass ich einen Film über uns gesehen habe, der Empathie möglich macht, der starke und resiliente Charaktere zeigt, nicht nur Opfer oder Bilder, die sich aus ›Poverty Porn‹ zusammensetzen.«
»Infamia« ist auf Netflix zu sehen, auch in deutscher Sprache.
»The Bear«: Ein humorvolles Küchendrama in Chicago
von Lisa GüthVom Küchenchef in einem New Yorker 3-Sterne-Restaurant zum Sandwich-Shop-Besitzer: Als sein Bruder stirbt, entscheidet sich Carmen »Carmy« Berzatto, dessen Sandwich-Laden zu retten und dafür seinen früheren Job als Gourmet-Koch aufzugeben. Im Sandwich-Laden sieht sich der Mitte 20-Jährige Carmy dann umgeben von abgenutzten Pfannen, der Trauer um seinen verstorbenen Bruder und einem Team, das an eine Arbeit im Chaos gewöhnt ist.
Während er versucht, das Überleben des Ladens zu sichern, kämpft Carmy mit psychischen Belastungen durch seinen früheren Job in der Luxusgastronomie. Dass sich sein Bruder erschossen hat, seine Mutter alkoholabhängig ist und er selbst mit Bindungsängsten zu kämpfen hat, macht die Situation nicht einfacher.
In der ersten Staffel, die 2022 erschien, versucht Carmy das Restaurant in Post-Corona-Zeiten aufrechtzuerhalten. Schon in Staffel 1 hat mich das gelungene Storytelling direkt gepackt, das durch die Kameraführung und die durchdachte Inszenierung auch banaler Situationen zustande kommt. Schnelle Schnitte, Nahaufnahmen und wechselnde Winkel nehmen die Zuschauenden mit in den hektischen Küchenkosmos und in das turbulente Leben Chicagos. Umso mehr hat es mich gefreut, als in diesem Jahr die zweite Staffel herauskam.
In Staffel 2 entscheidet sich Carmy, gespielt von Jeremy Allen White, einmal mehr für einen Neuanfang: Der Sandwich-Laden, der übrigens »The Original Beef of Chicagoland« heißt, wird zum »The Bear«. Gemeinsam mit seinem Team verwandelt er den Imbiss in ein Fine-Dining-Restaurant. Die Frage, ob es Carmy gelingt, die gesamte Küchencrew umzuschulen und ein Spitzenrestaurant zu etablieren, begleitet die Zuschauenden durch die gesamte zweite Staffel.
In beiden Staffeln von »The Bear« geht es dabei um viel mehr als ums Kochen. Die Küche scheint wie ein Austragungsort individueller und sozialer Probleme. Meine eigene Arbeit in der Gastro hat mir den Zugang zu der Serie leicht gemacht. Für mich ist die Gastronomie wie ein Begegnungsort, an dem Menschen verschiedener Lebenswelten zusammenkommen. Tempo, Ausdauer und eine gewisse Portion Humor gehören zum Arbeitsalltag, und genau das macht auch »The Bear« aus. Für alle, die in der Gastro arbeiten, ist die Serie ein absolutes Muss – aber auch für jene, die meist nur als Besucher:in ein Restaurant betreten, ist sie absolut sehenswert.
»The Bear: King of the Kitchen« gibt es bei Disney+.
Beklemmend aktuell: »Babylon Berlin«
von Chris VielhausDurchfeierte Nächte, knappe Outfits, Alkohol, Drogen und Sex: Das Berliner Nachtleben pulsiert nicht nur heute, sondern berauschte die Menschen bereits vor gut 100 Jahren. Nachdem der Erste Weltkrieg als »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« dem deutschen Kaiserreich ein Ende setzte, finden wir uns in »Babylon Berlin« in einer zuweilen surrealen Zwischenwelt wieder: In den »Roaring Twenties«, die neben politischen Unruhen, Hyperinflation und Massenverarmung auch großen Fortschritt in Sachen Kultur, Emanzipation und Technik mit sich brachten.
Babylon Berlin zeichnet in der inzwischen vierten Staffel beide Extreme in den grellsten Farben nach – wobei sie aus dramaturgischen Gründen gerade in der aktuellen Staffel zuweilen etwas über das Ziel hinausschießt und überzeichnet. Dennoch: Die Inszenierung fängt die Atmosphäre der Zeit ein, von den schillernden Cabarets bis zu den düsteren Hinterhöfen, in denen hungernde Waisenkinder ihr Dasein fristen müssen.
Dabei verwebt die Serie geschickt Krimi-Elemente, politische Intrigen und die Zeitgeschichte rund um den Aufstieg der Nationalsozialisten. So kann »Babylon Berlin« immer wieder auch als faszinierendes Zeitdokument glänzen. Die Serie schafft es, den sonst nur aus Geschichtsbüchern bekannten politischen Richtungskämpfen dieser Zeit auf unheimliche Weise Leben einzuhauchen. Etwa dann, wenn sich Schlägertrupps der SA offene Straßenschlachten mit Arbeiter:innen liefern oder jüdische Geschäfte verwüsten. Szenen, die
Die vierte Staffel von »Babylon Berlin« ist in der ARD-Mediathek abrufbar. Dort finden sich auch die vorherigen 3 Staffeln zum kostenlosen Binge-Watching.
»Farm Rebellion«: (Nicht nur) für Fans von Vieh und Humus
von Benjamin Fuchs»Wenn wir es nicht schaffen, die Art und Weise, wie wir weltweit Landwirtschaft betreiben, radikal zu ändern, dann fahren wir gegen ’ne fucking Wand.« So weit, so düster die Analyse von Landwirt Benedikt Bösel, der den
Der ehemalige Investmentbanker versucht das Land, das ihm seine Eltern übergeben haben, in die Zukunft zu führen. Regenerative und profitable Landwirtschaft ist das Ziel. Eine Riesenherausforderung, denn der Hof liegt in einer der trockensten Gegenden Deutschlands. Der Boden ist sandig und hält kaum Feuchtigkeit. Wie in einem Reallabor erlebt Bösel hier schon das, was anderen Landwirten noch bevorsteht.
Bösel sucht mit seinem jungen Team nach Lösungen, baut seinen Fichtenforst um und implementiert
Die 6-teilige Reihe ist kurzweilig und richtet den Blick trotz aller aufkommenden Probleme immer wieder in die Zukunft. In den bildstarken Geschichten stehen dabei immer die Menschen am Hof im Zentrum. Die Reihe, deren Ästhetik und Storytelling an US-Doku-Produktionen erinnert, ist deshalb nicht nur etwas für Fans von Vieh und Humus!
»Farm Rebellion« kannst du auf Disney+ anschauen.
»Reservation Dogs«: Nur noch Gast im eigenen Land
von Felix AustenMit der dritten und letzten Staffel der Serie »Reservation Dogs« findet in diesem Jahr die Geschichte einer Gruppe indigener Jugendlicher ihr Ende, die ein ganz normales, amerikanisches Leben im US-Bundesstaat Oklahoma des 21. Jahrhunderts führen. Die 4-köpfige »Gang«, um die es sich dreht, lebt im Reservat des indigenen Stammes »Muscogee Nation«. Sie wohnen in etwas heruntergekommenen Häusern, fahren rostige Trucks und durchleben an der Oberfläche eine durchschnittliche, amerikanische Jugend. Hier und da drehen sie ein paar krumme Dinger, um sich ihren Traum von Kalifornien zu erfüllen, zugleich kümmern sie sich liebevoll um ihre Familienmitglieder und Freund:innen.
Doch nach und nach sickert die Geschichte dieser Menschen, die in ihrem angestammten Land nur noch zu Gast sind, durch die subtile Erzählung ins Bewusstsein der Zuschauenden. Hier der Zaun eines reichen Texaners, der sein neu gekauftes Jagdrevier vor den »Wilderern« schützt – die hier schon mit ihren Großeltern zur Jagd gingen. Dort der Spott einer »echten« Polizeistreife, die sich über den heruntergekommenen Streifenwagen des gutherzigen Reservatspolizisten lustig macht. Dazu die Laute und Gesten der Sprache, die kleine Löcher der Irritation in den zähen Äther der amerikanischen Kultur piksen.
Sterlin Harjo und Taika Waititi, die selbst indigene Wurzeln haben und die Macher der Serie sind, gelingt es, nahezu vollständig auf Stereotype gegenüber »Native Americans« zu verzichten. Diese sind dem »White Man« vorbehalten, der in Fleisch und Blut nur eine Nebenrolle spielt und doch omnipräsent wie ein rauer Gegenwind an den Protagonist:innen zerrt.
Viele clevere Bausteine machen aus »Reservation Dogs« ein empathisches, komisch-tragisches Porträt indigener Menschen in Oklahoma. Wahrscheinlich habe ich beim Sehen nur einen Bruchteil dieser Bausteine erkannt – doch schon die haben gereicht, um mich komplett einzufangen.
Auf den Geschmack gekommen? Dann ab ins Kino zu »Killers of the flower moon«!
Wer – wie ich – noch etwas tiefer in die Materie eintauchen will, sollte außerdem ins Kino gehen: »Killers of the flower moon«, der neue Film von Martin Scorsese mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle, spielt fast genau 100 Jahre vor »Reservation Dogs«, im Jahr 1919, ebenfalls in Oklahoma. Hier wird auf dem Land des Osage-Stammes Öl gefunden, was seine Angehörigen kurzzeitig zu den reichsten Menschen der Welt macht. Doch Öl und Geld wecken die Gier der Siedler:innen; gerade die Frauen der Osage geraten ins Visier.
Die Waffen in dieser übersichtlichen, modellhaften Kolonialisierungsgeschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht, sind nicht Colt und Bogen. Gekämpft wird hier mit Heirat, Notaren und Diabetes. Mit diesen Mitteln reißt der »White Man« Öl und Reichtum an sich und beseitigt die indigenen Damen dann schleichend mit gehaltvollen Torten und etwas zu wirksamer Medizin.
»Killers of the flower moon« ist ein geduldig erzähltes Epos über einen in den USA fast vergessenen Massenmord an Indigenen, das gerade zur rechten Zeit ins Kino kommt. Konservative Politiker:innen in Oklahoma haben in den letzten Jahren Gesetze erlassen, die es deutlich erschweren, diese Geschichte in den dortigen Schulen zu lehren. Selten war Kino politisch so relevant und zugleich so fesselnd.
Die 3 Staffeln »Reservation Dogs« gibt es bei Disney+, »Killers of the flower moon« läuft seit dem 19. Oktober in den deutschen Kinos.
»Wer wir sind«: Mehr als Klima-Aktivismus
Für diesen Text habe ich etwas getan, was ich sonst selten mache: eine (fiktionale) Serie angeschaut, die in der Mediathek der öffentlich-rechtlichen Medien zu finden ist, noch dazu eine Eigenproduktion.
Dafür habe ich in der ARD-Mediathek eine Weile auf eigene Faust gesucht, ganz ohne Algorithmus. Schließlich fiel meine Wahl auf die ARD-Produktion »Wer wir sind«.
»Wer wir sind« spielt in Halle, wo eine Gruppe von Klima-Aktivist:innen gegen ein Entsorgungsunternehmen demonstriert, das illegal giftigen Müll deponiert. Doch kaum jemand hat ein offenes Ohr für die Sorgen der Jugendlichen, schon gar nicht diejenigen, die etwas zu sagen haben. Als die Aktivist:innen mit randalierenden Hooligans aneinandergeraten, eskaliert der Konflikt und ein Mitglied der Gruppe landet im Krankenhaus.
Von da an radikalisieren sich die Jugendlichen. Die
So setzt sich die Gruppe, die im Mittelpunkt der Erzählung steht, aus der Polizistinnen-Tochter Luise, dem
Klingt nach einer Menge Klischee? Mir kam beim Anschauen durchaus der Gedanke, dass hier doch recht viele Zufälle aufeinandertreffen. Aber in welcher guten Geschichte ist das nicht so? Alles in allem fand ich die Serie gerade wegen der vielfältigen Perspektiven auf aktuelle gesellschaftliche Konflikte sehenswert. Und: »Wer wir sind« macht einmal mehr klar, warum ein »Weiter so« keine Option ist – nicht nur aufs Klima bezogen, sondern auch, wenn es um Rassismus, Armut und Ausgrenzung geht.
»Wer wir sind« ist in der ARD-Mediathek zu finden.
»Fleabag«: Von Meerschweinchen, Trauer und verkorksten Beziehungen
von Julia TappeinerWenn es draußen dunkler wird, versuche ich es mir zu Hause so gemütlich wie möglich einzurichten. Dazu gehört für mich eine Serie, die gute Laune macht, ohne kitschig oder oberflächlich zu sein. »Fleabag«, geschrieben und produziert von Phoebe Waller-Bridge, die darin auch die Hauptrolle übernimmt, gehört für mich in diese Kategorie.
Die Mini-Serie (12 Folgen in 2 Staffeln) dreht sich um das Leben einer jungen Frau, die alle nur »Fleabag« nennen. Sie besitzt ein Café im Zentrum von London, spricht mit ihrem Meerschweinchen und hat eine Vorliebe für Pornos. Fleabag ist witzig, scharfzüngig und provoziert ihre Mitmenschen gerne mit ihrer Verantwortungslosigkeit und Direktheit. Dahinter verbirgt sich jedoch eine tiefe Trauer und Wut gegen sich selbst.
Die gesamte Geschichte ist von schwarzem, Waller-Bridge-charakteristischem Humor durchzogen, der mich regelmäßig vor Lachen auf dem Boden kugeln ließ. Die Themen dahinter sind aber alles andere als trivial. Die Mini-Serie behandelt Schuld, Trauer, komplexe Familienverhältnisse und Selbsterkenntnis.
Besonders die Beziehungen der Charaktere miteinander, die alle verkorkst sind, aber doch irgendwie schön und passend, machen »Fleabag« aus. Selbst mit dem Publikum schafft Phoebe Waller-Bridge ein intimes Verhältnis, indem sie regelmäßig konspirativ in die Kamera blickt. Man kommt nicht umhin, sich wie eine Komplizin ihrer unberechenbaren Art zu fühlen.
Wer tiefgründige Themen, verpackt in skurrile Beziehungen und rohen Humor, erleben will, für den oder die ist »Fleabag« die richtige Serie.
»Fleabag« wurde 2016–2019 auf BBC ausgestrahlt und ist aktuell bei Amazon-Prime zu finden.
Unterdrückung, Schwertkampf und Menschlichkeit: »Blue Eye Samurai«
von Dirk WalbrühlEine junge Gestalt kauert sich in eine dunkle Ecke des Hauses eines blinden Schwertschmieds. Die eisblauen Augen schauen fasziniert auf den Stahl und das Feuer. Der alte Mann hat sie längst entdeckt. Eigentlich müsste er sie hinauswerfen, denn sie ist ein »Dämon«, ein Kind aus der Verbindung eines Europäers und einer Japanerin. Das ist in der Edo-Periode des 17. Jahrhunderts weniger »wert« als ein Tier. Vorurteile, brutale Gewalt und Machtkämpfe herrschen hier. Doch der Schmied schickt Mizu – der Name unserer Protagonistin – nicht fort. Er nimmt sie als Lehrling und erlaubt ihr, das Kämpfen zu lernen. Denn Mizu sinnt auf Vergeltung.
Das ist das Setting des neuesten Netflix-Hits »Blue Eye Samurai«. Die Geschichte um Mizus Rache wird dabei anschaulich blutig und freizügig erzählt und in der Presse vor allem für ihre Schwertkampfszenen gelobt. Doch hinter dem Spektakel steckt noch etwas anderes. Denn »Blue Eye Samurai« ist vor allem eine massentaugliche Geschichte um Diskriminierung, Rassismus und Unterdrückung und die Suche nach Menschlichkeit, erzählt durch ein Ensemble von Außenseiter:innen.
So ist Protagonistin Mizu traumatisiert, weil sie als Kind wegen ihrer Herkunft schikaniert wurde, und muss erst das Vertrauen in andere Personen wieder lernen. Denn Mizu ist zwar eine brillante Schwertkämpferin, doch sie hegt auch Verachtung und Wut für die Gesellschaft, die sie unterdrückt hat.
Ihr Begleiter, der Koch Ringo, wird ebenfalls herabgewürdigt, weil er keine Hände hat. Doch dies dämpft nicht seinen Optimismus und hält ihn auf dem Weg, trotzdem etwas aus sich zu machen, in keinster Weise auf.
Prinzessin Akemi zeigt einen dritten Vektor der Unterdrückung in der japanischen Edo-Gesellschaft – den gegen Frauen. Denn ihr Vater betrachtet sie vor allem als Heiratsmaterial und will sie gegen ihren Willen einem alten und grausamen Höfling übergeben – doch sie riskiert alles und flieht. Kaum eine Folge geht vorbei, in der nicht Nebenfiguren unter der ungerechten Gesellschaft leiden. Dabei wird auch den Vorurteilen und Ungerechtigkeiten unserer modernen Zeit der Spiegel vorgehalten.
Die Erzählung stammt dabei vom US-Ehepaar Michael Green und Amber Noizumi. Ihnen war es wichtig, eine andere Geschichte
»Blue Eye Samurai« ist auf Netflix zu sehen, auch auf deutsch.
Mit Illustrationen von Claudia Wieczorek für Perspective Daily