Kann sich die Menschheit einigen? 3 Dinge, die du über das weltweite Plastikabkommen wissen solltest
In einem Jahr soll ein verbindlicher Vertrag stehen, der Produktion, Konsum und Recycling von Kunststoffen weltweit regelt. Nun ist Halbzeit bei den Verhandlungen. Wir haben nachgefragt, wie es vorangeht.
Es ist ein Drama in 5 Akten. Begonnen hat es im Mai letzten Jahres unter großem internationalem Beifall. Vor einigen Tagen hat sich der Vorhang des dritten Aktes in Kenias Hauptstadt Nairobi geschlossen.
Der Höhepunkt lässt auf sich warten. Er kommt wahrscheinlich gegen Schluss, das wäre in diesem Fall Ende 2024. Bis dahin wollen die Vereinten Nationen (UN) den finalen Text für ein international verbindliches Abkommen erarbeitet haben, das die weltweite Plastikverschmutzung im Meer und an Land eindämmen und den Plastikkonsum deckeln soll. 175 Länder sind an den Diskussionen beteiligt. Sie alle sollen dem Ergebnis zustimmen können.
Warum die Welt ein Plastikabkommen braucht und was es umfassen soll, habe ich im Mai 2022 hier zusammengefasst:
Du bist nicht auf dem neuesten Stand, was das wichtige Abkommen betrifft? Kein Problem, heute erfährst du kurz und knapp die 3 wichtigsten Entwicklungen. Dafür habe ich mit Ana Rocha gesprochen. Die Brasilianerin verfolgt die UN-Verhandlungen von Beginn an für das
Ihr zufolge gibt es eine schlechte und 2 gute Nachrichten:
1. Die schlechte Nachricht zuerst: Fossilnationen bremsen das Plastikabkommen aus
Eigentlich sollte es beim dritten Akt – der dritten Verhandlungsrunde – diesen Monat in Nairobi um die konkreten Inhalte des Plastikabkommens gehen. Stattdessen haben die Ländervertreter:innen nochmals den Rahmentext auseinandergenommen – genannt Null-Entwurf (Zero-Draft). Dieser Text wurde beim zweiten Akt in Paris erarbeitet. Er fasst die Anliegen und Ideen aller Länder mit möglichen Lösungsoptionen zusammen, die beim nächsten Treffen als Verhandlungsgrundlage dienen sollten.
»Der
Diese feilten zum einen an bereits bestehenden Formulierungen im Vertrag.
Das zentrale Argument dahinter: Sie wollen souverän über ihre Ressourcen bestimmen und nicht vorgeschrieben bekommen, wie sie diese zu nutzen haben. Für Ana ist das eine klare Taktik der Fossilnationen, die Verhandlungen in die Länge zu ziehen und Inhalte zu verwässern.
Zu den blockierenden Ländern gehören
Ana ist bei Weitem nicht die einzige Beobachterin,
Wir haben nur noch ein Jahr und 2 Verhandlungstreffen, um diesen Vertrag auszuarbeiten. Wir können es uns nicht leisten, den Interessen einiger weniger nachzugeben, die jeden Tag, an dem sich nichts verändert, weiterhin damit Geld verdienen. In Afrika wird nur wenig Plastik produziert, doch der Müll landet hier. Wir leiden unter einem Problem, das wir nicht kreiert haben. Es wird Zeit, dass die Diskussionen von Gesundheitsfragen und Umweltfolgen geleitet werden und nicht von wirtschaftlichem Profit.
2. Trotzdem nicht hoffnungslos: Länder des Globalen Südens lassen sich auf keine halb garen Kompromisse ein
Die Mehrheit der verhandelnden Länder will strenge Vorschriften sowohl für die Plastikproduktion als auch für den Konsum und das Recycling – also den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen. Wie können wenige ölproduzierende Länder dann so einen großen Einfluss auf die Verhandlungen haben?
Die Vereinten Nationen arbeiten unter anderem mit einem Konsensprozess: alle 175 Länder müssen die Ergebnisse tragen können, bevor es weitergeht. Schon der Einspruch eines einzigen Landes kann Bestimmungen zunichtemachen.
Mit Blick auf den fossilen Lobbyeinfluss haben verschiedene Beobachtergruppen 3 Verbesserungsvorschläge für die nächsten Treffen:
- Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen kritisieren die UN für die Organisation der Verhandlungsrunden.
»Obwohl die Verhandlungen als solche nicht erfolgreich waren, sehe ich die dritte Verhandlungsrunde als Erfolg«, sagt Ana Rocha. Der ausschlaggebende Moment dafür war für sie:
Die Länder, die sich für ein ambitioniertes Plastikabkommen einsetzen, in dessen Mittelpunkt Menschenrechte und Umweltgerechtigkeit stehen – Afrika und die Pazifikinseln –, haben gegenüber den ölproduzierenden Ländern nicht klein beigegeben. Wir werden nicht stillstehen, wir werden keine Kompromisse auf unsere Kosten mehr eingehen. Wir haben lieber kein Abkommen als ein schlechtes.
3. Das Drama schlägt Wellen: EU will Plastikmüll-Exporte verbieten
Selbst wenn das Abkommen scheitern oder es nach dem letzten Akt nur wenig Applaus geben würde, ist Ana Rocha froh, dass es aufgeführt wurde. Denn die Verhandlungen schlagen Wellen. Zwischen jedem Treffen arbeiten Länder eng zusammen, um sich auf das nächste vorzubereiten. Die Verhandlungen bringen das Thema Plastikverschmutzung hoch oben auf die Agenden von 175 Regierungen und stoßen dort weitere eigene Vorhaben an.
So gab die Europäische Union während der dritten Verhandlungsrunde in Nairobi bekannt,
Später, 5 Jahren nachdem die Regelung in Kraft getreten ist, können Länder außerhalb der OECD das Recht auf Kunststoffabfall-Importe beantragen. Dann kann das Verbot aufgehoben werden – sofern die Länder nachweisen können, dass sie das Plastik weiterverarbeiten. Außerdem sollen die
»Wir haben uns sehr über die Nachrichten aus der EU gefreut«, sagt Ana Rocha. Die Welt brauche Vorreiter, die den Weg bahnten. Solche Vorreiter sind laut der Nachhaltigkeitsstrategin auch in Afrika zu finden: »Afrika ist der Kontinent mit den wohl meisten und strengsten Plastikverboten und -regularien weltweit.«
Vorne an steht Ruanda. Das Land hat sich vorgenommen, das sauberste Land Afrikas zu werden. Es hat alle nicht
Ähnlich sieht es in
Laut Rocha können alle dabei helfen, die Steine am Rollen zu halten. Indem sie sich über das Plastikthema und mögliche Lösungen informieren, mit der Familie, Freund:innen und Bekannten darüber sprechen, das Wissen und den Willen für Veränderung in die Welt hinaustragen.
Titelbild: Collage: Claudia Wieczorek | Fotos: Unsplash - copyright