»Die Leute sollten mehr an Projekte vor der Haustür spenden«
Sven Braune analysiert die Klimaschutzmaßnahmen von NGOs, Unternehmen und anderer Organisationen. Im Interview verrät er, wie jede:r für sich das beste Spendenziel findet.
Die Deutschen spenden Milliarden Euro, Jahr für Jahr und besonders in den Tagen vor Weihnachten. Sie spenden für die Ukraine, für das Kindeswohl oder den Schutz von Klima und Umwelt – für viele gute Zwecke also. Aber wirken die Spenden auch? Sven Braune berät bei PHINEO Großspender:innen und analysiert speziell die Klimaschutzmaßnahmen von NGOs und Unternehmen. Ich habe mit ihm darüber gesprochen, wie man seine Spende nicht nur gut meint, sondern auch gut macht.
Jonas Mayer:
Herr Braune, es ist kurz vor Weihnachten und viele Menschen möchten für einen guten Zweck spenden. Aber: Wo fängt man zwischen dem Krieg in der Ukraine, Menschen auf der Flucht, der Klimakrise oder dem Artensterben nur damit an?
Sven Braune:
Ich kann diese Überforderung gut verstehen. Tatsächlich brennt es ja an allen Ecken und Enden der Welt. Die Frage, was eine gute Spende ist, führt aber zuerst nach innen: Fragen Sie sich, was Ihnen persönlich wichtig ist. Vielleicht ist da der krebskranke Familienangehörige, also spenden Sie für die Krebshilfe. Aber verlieren Sie darüber nicht den Blick auf die großen Themen wie Krieg, Hunger und Armut, Artensterben und Klimakrise.
Es gibt so viele unterschiedliche Organisationen und Angebote: kleinere private Initiativen und die großen Organisationen, die jeder kennt. Wo ist meine Spende am besten aufgehoben?
Sven Braune:
Es gibt seriöse Plattformen wie oder, speziell für die Ukraine, . Dort finden sich vor allem kleinere Initiativen, sie stellen sich und ihre Projekte vor, erklären, wofür sie wie viel Geld benötigen. Wir bei PHINEO haben 2022 die Initiative gegründet, unter deren Dach wir aktuell 8 privaten Hilfsprojekten für die Ukraine eine gemeinnützige Infrastruktur und ein Netzwerk bieten. Wenn all das fehlt, sind kleine Organisationen mit hohen Spendenbeträgen schnell überfordert.
Dann ist das Geld besser bei den großen Hilfsorganisationen untergebracht?
Sven Braune:
Damit machen Sie jedenfalls nichts falsch. Die haben eine professionelle Struktur, viel Erfahrung aus Krisengebieten weltweit, die Netzwerke sowie den politischen Einfluss, die den Zugang erst möglich machen. Spenden ohne Zweckbindung können sie auch in den weniger beachteten Krisensituationen einsetzen, von Ernährungsprojekten in Somalia über Fluthilfe in Pakistan bis zum Aufbau eines Gesundheitssystems auf Haiti.
Deutschland- wie weltweit haben wir in diesem Jahr Dürren, Brände und Überflutungen erlebt. Sie werden mit jedem Zehntelgrad Erderwärmung heftiger. Es braucht viel Geld für Klimaanpassung und Entschädigungszahlungen an Staaten und Menschen, die am stärksten betroffen sind. Wie kann ich dabei mit meiner Spende sinnvoll helfen?
Sven Braune:
Auch da können Sie vor allem an die Hilfsorganisationen der UN und die großen Katastrophenhilfswerke spenden. Die helfen dabei, die Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen oder Infrastruktur wie Krankenhäuser und Schulen wieder aufzubauen. Allerdings geht es bei Klimaanpassung und noch mehr bei Entschädigungen für Klimaschäden um viele Hundert Milliarden Euro. Aus meiner Sicht sollten Staaten dieses Geld bereitstellen, weniger Privatpersonen.
Zukunftsorientiert, verständlich, werbefrei. Dafür stehen wir. Mit Wohlfühl-Nachrichten hat das nichts zu tun. Wir sind davon überzeugt, dass Journalismus etwas bewegen kann, wenn er sowohl Probleme erklärt als auch positive Entwicklungen und Möglichkeiten vorstellt. Wir lösen Probleme besser, wenn wir umfassend informiert und positiv gestimmt sind – und das funktioniert auch in den Medien. Studien haben gezeigt, dass Texte, die verschiedene Lösungen diskutieren, zu mehr Interesse führen, positive Emotionen erzeugen und eine erhöhte Handlungsbereitschaft generieren können. Das ist die Idee unseres Konstruktiven Journalismus.
Woran erkenne ich eine Organisation, die Spenden wirksam einsetzt?
Sven Braune:
Für eine positive Wirkung kommt es darauf an, wie ein Projekt umgesetzt wird. Jede Art von Kampagne sollte eher Lösungen präsentieren, statt nur Katastrophen zu kommunizieren. Gerade beim Klimaschutz müssen Bildungsmaßnahmen neben Fakten auch praktische Angebote aufzeigen, also Möglichkeiten für Menschen, daran mitzuarbeiten. Beteiligungsangebote sollten die Bevölkerung möglichst repräsentativ abbilden. Und schließlich sollten die Organisationen hinter den Projekten einige Kriterien für Vertrauenswürdigkeit erfüllen.
Welche sind das?
Sven Braune:
Sie sollten eine Website haben, auf der sie aktuelle Informationen zu ihren Projekten, zu ihrer Finanzierung, Jahresberichte und eine Telefonnummer für Nachfragen veröffentlichen. Ein Hinweis auf Vertrauenswürdigkeit ist . Auch das zeigt an, dass eine Organisation transparent arbeitet und in ihren Projekten die Menschenrechte schützt. Unser bestätigt, dass ein Projekt nachweislich wirkt.
Besser eine größere Spende an eine Organisation oder mehrere kleine an verschiedene?
Sven Braune:
Ich verstehe das Bedürfnis, das verfügbare Spendengeld für möglichst viele gute Zwecke einzusetzen, würde aber eher nur eine Organisation bedenken. Viele kleine Spenden bedeuten viel Aufwand in der Verwaltung und weniger langfristige Planbarkeit.
Stichwort Verwaltungsaufwand: Wie viel Prozent einer Spende bleiben dafür hängen?
Sven Braune:
Der typische Anteil für Werbungs- und Verwaltungskosten liegt laut DZI bei 10–20%. Mehr als 30% sind eigentlich nicht vertretbar. Ich verstehe, dass Menschen ihre ganze Spende weitergeleitet sehen wollen, aber die Struktur dahinter aufzubauen, ist schwierig und kostet auch Geld. Niemand kann ohne Schreibtisch, Computer, Strom oder Buchhaltung arbeiten.
Was hilft mehr: eine einmalige Spende oder ein Dauerauftrag?
Sven Braune:
Tendenziell gibt ein Dauerauftrag mehr finanzielle Sicherheit und ermöglicht längerfristige Planung.
Nehmen wir ein konkretes Beispiel: die Klimakrise als weltumspannendes Thema. Sagen wir, ich möchte für den Klimaschutz spenden und mir liegen gesunde Wälder am Herzen, die viel CO2 speichern. Wie kann mein Geld dabei helfen?
Sven Braune:
Waldschutzprojekte sind tatsächlich eine besonders wirksame Möglichkeit für Spenden. Vor allem die tropischen Regenwälder in Amazonien, dem Kongobecken und Südostasien nehmen viel CO2 auf. Sie zu erhalten, ist eine der Top-10-Maßnahmen im Klimaschutz. Dazu gehört auch die Aufforstung.
Der Klassiker: Bäume pflanzen!
Sven Braune:
Allerdings ist hier die Wirkung schwer zu messen. Ein Wald muss mindestens 50 Jahre alt werden, um seine volle Wirkung als CO2-Speicher zu entfalten. Daraus wird also nichts, wenn er vorher einem Waldbrand zum Opfer fällt oder abgeholzt wird. Außerdem wurde dieses Jahr bekannt, dass im internationalen Handel mit CO2-Zertifikaten zum Waldschutz teils falsche Versprechungen gemacht werden. So wurden Zertifikate mehrfach verkauft oder zum Schutz von Wäldern angeboten, die gar nicht von Rodungen bedroht waren. 2 gut kontrollierte Projekte, die wir dank unseres PHINEO-Wirkt-Siegels aber empfehlen können, sind »100 Million Trees for Borneo« und »Wilderness International«.
Also spende ich besser für den Erhalt des Bayerischen Waldes?
Sven Braune:
Beide Spenden können wirksam sein, ob sie nun in den Erhalt des Amazonas, eines deutschen Waldes oder auch einer Moorlandschaft hierzulande fließen. Sie alle helfen, Treibhausgase zu binden – und das ist wichtig. Einen größeren Effekt hat eine Spende allerdings, wenn sie den weiteren Ausstoß von Treibhausgasen verhindert. Für mich sind Spenden sinnvoll, die für grundlegende Veränderungen in Politik und Wirtschaft wirken und damit an die Wurzel des Klimawandels gehen.
Welche Spenden sind das konkret?
Sven Braune:
Darunter fällt alles unter dem Stichwort Advocacy, also der öffentlichen Einflussnahme auf Klimapolitik. Sie können etwa an eine Organisation spenden, die sich lokal, national oder auch global für klimafreundliche Gesetze engagiert. Für mich ist dabei ein Qualitätskriterium, wenn eine Organisation sowohl öffentlich Druck auf Politik und Wirtschaft ausübt als auch aktiv an Maßnahmen mitarbeitet, die klimaschädliches Verhalten erschweren und klimafreundliches belohnen. Das braucht viel Geld, denn die Gegner von Klimaschutz sind nicht arm.
Es geht Ihnen also um klimafreundliche Lobbyarbeit.
Sven Braune:
Diese Arbeit muss aber nicht unbedingt auf Politik zielen. Mit Klagen gegen klimaschädliche Unternehmen oder durch das Wegkaufen von CO2-Zertifikaten nehmen Organisationen und Privatpersonen direkt Einfluss auf die Wirtschaft. Der Wegkauf von CO2-Zertifikaten geht etwa mit . Auch das können Sie durch Ihre Spende unterstützen. Außerdem – und das soll nicht über die Verantwortung von Politik und Wirtschaft hinwegtäuschen – ist es wichtig, unsere Konsumgewohnheiten zu verändern und Klimaschutz in der Gesellschaft zu verankern. Alles in Richtung Klimabildung, Beteiligung und Akzeptanz für Kohleausstieg, Tempolimit oder den Bau von Windrädern verdient Ihre Spende ebenso. Sie sehen schon, es gibt wirklich sehr viele Möglichkeiten.
Angenommen, ich habe mich für eine Spende von 100 Euro an eine NGO entschieden, die sich für klimafreundliche Gesetze einsetzt. Inwiefern sollte ich meine Spende an einen bestimmten Zweck binden – oder auch nicht?
Sven Braune:
Zweck- und themengebundene Spenden fühlen sich gut an, schränken eine Organisation aber ein. Die kann dann selbst bei langjähriger Erfahrung nicht flexibel auf Krisen oder veränderte Rahmenbedingungen reagieren. Spenden Sie deshalb grundsätzlich nicht zweck- oder themengebunden. Eine Ausnahme würde ich nur bei lokalen Projekten machen.
Wie meinen Sie das?
Sven Braune:
Ich finde, die Leute sollten mehr an Projekte vor der Haustür spenden. In Bezug auf die Ukraine kann das die Hilfe für Geflüchtete sein. Beim Klima kann es ein Projekt sein, das die Verkehrswende in der eigenen Stadt vorantreibt oder die Bäume im Viertel bewässert. Diese Projekte brauchen oft konkrete Hilfe, zum Beispiel für den Druck von Plakaten. Das ist ideal für kleinere Spendenbeträge und macht einen Unterschied vor Ort – es hilft damit übrigens auch gegen die Hilflosigkeit, die viele angesichts der vielen Krisen spüren.
Dieses Interview ist zuvor bereits in der Wochenzeitung DIE ZEIT erschienen.
Mit Illustrationen von
Frauke Berger
für Perspective Daily
Jonas liebt Städte mit all ihren sozialen und ökologischen Herausforderungen. Auf der eigenen Metaebene beschäftigt er sich wissenschaftlich mit Klimajournalismus und Klimakommunikation.