Von Boomer bis Gen Z: Warum »Generationen« ins Museum gehören
Die einen scheren sich angeblich nicht ums Klima, die anderen sollen arbeitsscheu sein. Quatsch, sagt Soziologe Martin Schröder. Was die Forschung tatsächlich über Generationen weiß.
Will die Generation Z nicht mehr arbeiten? Ist die Generation Z fragil? Schwört die Generation Z beim Dating auf die Sterne? Ist sie die »Generation Beziehungsunfähig«, wie sogar ein Kinofilm behauptet?
Tagtäglich bekomme ich solche Anfragen. Heute über die Generation Z, vorher über die Generation Y. Meist ist der Anlass, dass wieder ein Tiktok-Video von einem Management-Guru, einer Entertainerin, Aktivistin oder Twitteruserin ein entsprechendes Gerücht in die Welt gesetzt hat. Fast immer, ohne sich auf Daten zu stützen.
Entsprechend lesen sich die meisten Generationenbeschreibungen. So wünschten sich die »Ypsiloner subtile Farben und natürliches Licht. Farbnuancen in entspannten Aquamarinblau- und Grüntönen sind beliebter als grelle, bunte Farben«,
Weiter habe die Generation Y eine »lauernde Angst vor dem Absturz«, schreiben sie, doch gleichzeitig sei sie »immun gegen Ungewissheiten«. Sie habe zwar eine »realistische und pragmatische Weltsicht«, doch gleichzeitig verliere sie »vorübergehend die Maßstäbe für die reale Welt«.
Ebenso schafft es die Generation Z für etwas zu stehen. Und gleichzeitig für dessen Gegenteil: »Sicherheit, Orientierung und Zugehörigkeit […] flexibel neben Leistungsorientierung und Ehrgeiz sowie dem Wunsch nach Abwechslung,
Man kann Einstellungen von Menschen kaum mit deren Geburtsjahr erklären
Klassischerweise bedeutet die Aussage, es gäbe Generationen, dass man die Einstellungen von Menschen durch ihr Geburtsjahr erklären kann, unabhängig davon, wie alt sie gerade sind. Sonst wäre es kein Generationen-, sondern ein Alterseffekt. Übrigens auch unabhängig davon, wann man sie fragt, denn das wäre ebenfalls kein Generationen-, sondern ein Periodeneffekt. Diese beiden Effekte sind zentral.
Denn stellt man Alters- und Periodeneffekte in Rechnung, bleiben kaum Generationeneffekte übrig. Man kann also Einstellungen von Menschen mit ihrem Alter erklären und man kann Einstellungen von Menschen damit erklären, wann sie befragt wurden. Aber man kann Einstellungen von Menschen kaum mit deren Geburtsjahr erklären. Und insofern gibt es keine Generationen.
Ich kann dies sagen. Denn ich bin selbst zu dem Thema gekommen, weil mir eine Literaturagentur einen lukrativen Buchvertrag in Aussicht stellte, wenn ich nur zeigen könne, dass die Generation Y anders sei. Doch ich fand nichts. Erst wunderte ich mich. Doch später erfuhr ich: Allen anderen, die sich ernsthaft mit den Daten beschäftigen, geht es ebenso.
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily