Diese 9 Texte wolltet ihr 2023 nicht lesen
Wir schreiben jeden Text mit Leidenschaft. Manche sind dieses Jahr aber besonders schlecht gelaufen. Heute geben wir ihnen eine zweite Chance!
Jedes Jahr bleiben Texte bei Perspective Daily einfach »liegen«. Das verrät uns allein die Zahl der Aufrufe, die wir auslesen können – also wie häufig ein Text insgesamt geöffnet wurde. So wissen wir auch, welche Texte 2023 absolute Gewinner waren:
- Dieser Text hilft dir, deine Persönlichkeit
Aber um diese Texte geht es heute nicht. Am Ende des Artikels verlinke ich dir unsere Top 3 der bestgeklickten Artikel der Vollständigkeit halber, damit du der eventuell geweckten Neugierde nachgehen kannst.
Es geht heute um das andere Ende des Spektrums, also Artikel, deren Leserate weit unter dem Durchschnitt liegt. Denn diese Texte sind genauso akribisch recherchiert und mit Leidenschaft geschrieben worden wie die Gewinner und enthalten oft konstruktive und mutmachende Perspektiven. Heute will ich einen kleinen Einblick geben, warum sie aus unserer Sicht vielleicht nicht gut liefen, und 9 von ihnen eine neue Chance geben. Ganz nebenbei kann ich dir damit vielleicht eine neue Perspektive mitgeben, wie du demnächst auf Texte schaust – bei Perspective Daily oder anderswo.
Los geht es!
Diese Texte wurden schlecht verpackt
Was du wahrscheinlich noch nicht weißt: Ich bin Teil des »Titel-Teaser-Teams« bei Perspective Daily. Das ist unser Name für eine kleine Gruppe innerhalb der Redaktion, die für einen der letzten Schritte unserer Textproduktion verantwortlich ist. Gemeinsam mit den Autor:innen und ihren Vorschlägen beraten wir darüber, welche Titel Artikel letztlich bekommen.
Wenn du demnächst Feedback zu einem Titel hast, weißt du jetzt, wen du anschreiben kannst: dirk@perspective-daily.de.
Dabei sollte klar sein: Wenn ein Text nicht gelesen wird, kann auch keine Aussage über seinen Inhalt gemacht werden – den sieht man ja erst nach dem Klick. Texte mit niedrigen Klickzahlen sind also nicht unbedingt inhaltlich schwach oder das Thema schlecht gewählt, sondern haben aus unserer Sicht erst mal einfach eine unpassende
Halte kurz inne und überlege selbst für dich, warum du auf Artikel klickst:
- Ist es die Lesezeit, die zu der Zeit passt, die du zur Verfügung hast?
- Ist es die Textsorte wie »Interview« oder »Reportage«, die du einfach gern liest?
- Findest du das Titelbild unserer Illustrator:innen ansprechend?
Wir Autoren und Autorinnen bei Perspective Daily sind aber nur euch, den Lesenden, verpflichtet. Mein Ziel als Verantwortlicher für Titel und Teaser ist deshalb jeden Tag: Neugier wecken, ohne zu nerven oder falsche Fährten für den Inhalt zu legen. Bei den folgenden Texten ist mir das nicht gelungen.
Versuchen wir es noch einmal:
Sie fand Schönes in der Stille
Hana Stejskalová war Spanischlehrerin, bis sie eine alarmierende Diagnose erhielt: Neurofibromatose Typ 2. Hinter dem Namen verbirgt sich eine seltene Krankheit, bei der der Körper aus Nervenhüllen gutartige Tumore im Gehirn und Rückenmark bildet. 2 Tumore mussten Hana operativ entfernt werden – mit Folgen. Sie verlor ihr Gehör.
Wie geht man damit um? Wie gewöhnt man sich an ein Leben ohne Geräusche, dem Lachen von Freund:innen, der Stimme geliebter Menschen?
Hana berichtet in diesem sehr persönlichen Text, wie sie damit zurechtkommt. Sie zeigt, welche Steine die zum Großteil hörende Gesellschaft Gehörlosen in den Weg legt und wie sie selbst nach und nach lernt, diese Hindernisse zu überwinden. Ja, sie gewinnt sogar ihrer neuen Situation unerwartet viel Schönes ab. Ein Mut machender Einblick in eine besondere Perspektive, die Hörende im Alltag viel zu selten wahrnehmen.
Der ursprüngliche Titel lautete:
Stelle dir vor, ein Reiskorn könnte ein Kinderleben retten
Was können wir dagegen tun, wenn das Leben von Kindern in ärmeren
Wenn du auch ein seltsames Gefühl hast, sobald du an Gentechnik beim Essen denkst, bist du nicht allein. Weltweit gibt es seit Jahren Kampagnen gegen Golden Rice – etwa von Greenpeace. Und es gibt Kampagnen gegen diese Kampagnen –
Während international noch gestritten wird, läuft auf den Philippinen die erste Feldforschung. Golden Rice wird angebaut und geerntet. Was das mit dem Land macht, haben unsere Autor:innen Mavic Conde und Maria Stich recherchiert. Nach dem Text kannst du dir besser ein Urteil über diese Anwendung der Gentechnik bilden.
Der ursprüngliche Titel lautete:
»Hallo, Herr Robo-Anwalt!« – Was künstliche Intelligenz vor Gericht macht
Der Hype um künstliche Intelligenz reißt nicht ab. Schon heute sammeln Jurist:innen Argumente, warum wir eigentlich einen Robo-Richter bräuchten. Sie wollen ausloten, wo KI-Systeme in unserem Rechtssystem eingesetzt werden könnten. »Legal Tech« nennt sich die Idee. Aber ist sie am Ende nur ein Hirngespinst, das an unserem Grundgesetz scheitern muss? In diesem Artikel beantworten Joelle Altmann und Marie Kerres die wichtigsten Fragen rund um künstliche Intelligenz und den Gerichtssaal.
Was du weder an Titel noch Teaser ablesen kannst: Dieser Artikel ist für mich etwas sehr Persönliches. Er wurde nicht von erfahrenen Journalistinnen geschrieben, sondern von 2 höchst engagierten Journalistik-Studentinnen im Rahmen eines gemeinsamen Universitätsprojektes mit Perspective Daily. Ich habe sie und ihren Text dabei von der Idee bis zur letzten Version betreut und kann sagen, dass er unserer Arbeit in nichts nachsteht (sonst hätten wir ihn ja auch nicht veröffentlicht) und alles hat, was einen konstruktiven Text rund macht: kritisches Denken, der Blick über den Tellerrand und einen hoffnungsvollen Ausblick. Überprüfe es selbst!
Der ursprüngliche Titel lautete:
Diese guten Nachrichten dürfen nicht untergehen
Zu den beliebtesten Artikeln bei Perspective Daily gehören stets die »Guten Nachrichten«. Jeden Sonntag zeigen wir euch die 5 Entwicklungen aus aller Welt, die uns Hoffnung machen. Neuerdings erscheinen diese aber nicht mehr als ein einzelner Text, sondern als 5 Kurzartikel. Das sorgt dafür, dass wir – und ihr – einzelne gute Nachrichten besser mit Bekannten und in sozialen Medien teilen können. »Sharebility« nennt sich das in Marketingsprache.
Obwohl Perspective Daily zwar anders tickt als andere Medienhäuser, sind auch wir teilweise dem Druck der Konkurrenz unterworfen.
Wie direkte Konkurrenz einzelne Nachrichten verdrängt, sieht man sogar an unserem neuen Ansatz der 5 nebeneinander gestellten guten Kurznachrichten. Manche von ihnen, die erst mal nicht aufregend klingen, werden kaum geklickt. Dabei haben sie in Wahrheit großes Potenzial, die Welt ein Stück besser zu machen. Diese 3 haben die meisten von euch einfach überlesen.
Kein Problem, versuchen wir es noch einmal:
Gemobbt? In Frankreich musst du nur einen rettenden Knopf für Hilfe drücken
Mobbing klingt nach Kinderkram, ist aber eine sehr ernste Sache. Manche Jugendliche, die von anderen beleidigt, bloßgestellt und bedroht werden, nehmen sich sogar das Leben. In Zeiten von sozialen Medien und Onlinenachrichtendiensten wird ein Mensch das Mobbing nicht mehr los, es verfolgt ihn bis nach Hause, überall hin. Die französische Regierung hat das jetzt erkannt und Mobbing den Kampf angesagt. Herausgekommen ist ein »Rettungsknopf«. Auch in Deutschland gibt es bereits Hilfe. Hier berichtet Maryline Boudot in Kürze über das Wissenswerteste.
Der ursprüngliche Titel lautete:
Pottwale dürfen sich in der Karibik endlich erholen
Wale sind nicht nur intelligente und schöne Tiere. Sie sind von großem ökologischen Wert für die Menschheit und spielen sogar eine Rolle in der Klimakrise. Über ihr Leben speichern sie Tonnen von CO2 in ihren Körpern und sind Teil der Nahrungskette um Phytoplankton, das etwa die Hälfte des Sauerstoffs auf der Erde produziert. Da könnten ein paar Länder endlich mal aufwachen und anfangen, diese wunderbaren Meeressäuger besser zu schützen. Jetzt geht der Inselstaat Dominica voran und schenkt den Walen einen Brut- und Futterplatz als Schutzzone. Wie groß die ausfällt und was sich die Insel davon erhofft, erklärt dir Désiree Schneider hier in aller Kürze.
Der ursprüngliche Titel lautete:
Die Lehre aus dem Ahrtal: ein neues Portal gegen Katastrophen
Viele von uns haben noch lebhafte Erinnerungen an das Jahrhunderthochwasser 2021 im Ahrtal und Westen Deutschlands. Flüsse, die über die Ufer traten und Häuser fluteten, Existenzen in Krisen stürzten und 134 Todesopfer forderten. Damals entschuldigte sich der NRW-Innenminister Reul:
Heute wissen wir, dass das nicht stimmt. Denn die Bevölkerung war damals nur mangelhaft über die Gefahren der Naturgewalten informiert – offizielle Informationen kamen einfach zu spät. Kein Wunder, dass es bei neuen Starkregenfällen vielen Menschen hierzulande mulmig wird. Nun gibt es doch (oder eher: »endlich!«) eine positive Lehre aus der Katastrophe: Ein neues Informationsportal des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Was es leisten soll und wann es an den Start geht, erklärt dir Maria Stich in Kürze.
Der ursprüngliche Titel lautete:
Diese Texte sind trotzdem einfach wichtig
»Ich wünsche mir noch mehr Blicke über den Tellerrand«, ist ein Satz, den wir hier bei Perspective Daily häufiger hören. Denn bei der Auswahl unserer Texte lassen wir uns vor allem von Feedback leiten, das Leser:innen uns etwa in den wöchentlichen Blattkritiken, per E-Mail oder in unseren Umfragen geben.
Was mit »Blick über den Tellerrand« gemeint ist, wird dabei schnell klar: Reportagen und Texte aus der ganzen Welt jenseits der Grenzen der EU. Doch mit Blick auf die Zugriffszahlen vieler Jahre wissen wir auch, dass gerade solche Texte oft weniger geklickt werden – egal wie wir sie verpacken. Was heißt das?
- Liegen Über-den-Tellerrand-Themen vielleicht nur einer kleineren Gruppe von Lesenden, die aber gern danach fragen?
- Ist der Blick über den EU-Tellerrand in der Idee zwar gut, in der Praxis für viele Deutsche aber doch zu weit weg?
- Landen solche Auslandsthemen nur in gut gemeinten »Später lesen«-Listen für ein besseres Gewissen?
Wir haben darauf keine Antwort. Anstatt aber darauf zu verzichten, sind wir bei Perspective Daily einfach unverbesserlich und bringen diese Texte trotzdem – niedrigere Klickzahlen hin oder her. Der Blick über den Tellerrand ist ein zentraler Bestandteil von Konstruktivem Journalismus und ein wichtiges Puzzlestück, um die Welt »da draußen« zu verstehen. Was wir dabei gewinnen können, ist klar: eine neue Perspektive – auch auf unser eigenes Land vor dem Hintergrund größerer Zusammenhänge.
Diese Artikel lege ich dir deshalb ganz besonders ans Herz:
Du willst dich über den Iran informieren? Dann lies diesen Text einer Friedensnobelpreisträgerin
Manchmal ist es eben Timing. Eben noch hatte Narges Safie Mohammadi Perspective Daily einen exklusiven Auszug aus ihrem neuesten Buch erlaubt, da erhielt die iranische Menschenrechtsaktivistin schon den Friedensnobelpreis. Bei uns kannst du nachlesen, warum sie den Preis erhielt. Denn in ihrem Buch »Frauen! Leben! Freiheit!« gibt sie mutigen Frauen eine Stimme, die sich auch von iranischen Gefängnissen nicht brechen lassen. Ja, das ist ein düsteres Thema, das berührt – aber das muss es auch. Denn die im Iran Unterdrückten verdienen unser Mitgefühl und dass wir uns für sie interessieren.
Der ursprüngliche Titel lautete:
Wie sich die Seele eines Landes heilen lässt
Vor 28 Jahren fand in Ruanda ein schrecklicher Völkermord statt. Noch sind die psychischen und gesellschaftlichen Narben von damals nicht verheilt und zeigen sich in neuen psychischen Störungen späterer Generationen. Warum das so ist, machen 2 Zahlen klar: Auf 4 Millionen Traumatisierte kommen in Ruanda nur 13 Psychiater:innen.
Eine von ihnen ist die Forscherin und Therapeutin Thérèse Uwitonze. Sie reist durch das zerrissene Land und leistet Pionierarbeit. Sie weiß genau, wie sehr der Satz »Wer Gewalt erfahren hat, neigt auch selbst zu Gewalt« stimmt. Ihm hält sie einen anderen wahren Satz entgegen: »Trauma ist heilbar!«. Um das zu beweisen, entwickelt sie im Land des Psychiatermangels sehr ungewöhnliche Methoden. In diesem Text erfährst du, wie Thérèse Uwitonze arbeitet, was sie dabei lernte und was sie dabei schon alles erreichte.
Der ursprüngliche Titel lautete:
Der Klimawandel bedroht die Landwirtschaft. Eine indische Agrarforscherin hat eine Lösung
Indien hat China als das Land mit der größten Bevölkerung der Welt überholt. Beinahe jede fünfte Person der Welt lebt hier. Und genau hier droht die Erderhitzung Armut und Hunger, woran viele Inder und Inderinnen bereits leiden, noch drastisch zu verschlimmern. Teilweise geht bis zu 1/3 der Ernte einfach auf den ausgetrockneten Feldern ein. Was tun?
Die Agrarforscherin Kanupriya Chaturvedi hat eine ungewöhnliche Antwort, die Indiens Landwirtschaft revolutionieren könnte. Sie fragt: Warum lassen wir die Erde beim Anbau nicht einfach weg? Lies in dieser Reportage alles über ihren Ansatz der Hydroponik und wie er auch über Indien hinaus Schule machen könnte.
Der ursprüngliche Titel lautete:
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily