Krebs bei jungen Menschen? Wie eine missverstandene Studie verunsichert
Die Zahl der Krebsfälle bei unter 50-jährigen Menschen ist laut einer viel zitierten neuen Studie seit 1990 um 80% gestiegen. Doch die Studie sagt etwas anderes. Worum es wirklich geht und wo viele Medien versagt haben.
Oftmals sind es kurze Momente des Alltags, die das ganze Leben verändern können. So wie bei Daniela, die eines Morgens unter der Dusche einen Knoten in ihrer Brust ertastet. Ein Zufallsfund: Zuvor hatte sie sich keine Gedanken darüber gemacht, dass sie sich regelmäßig abtasten sollte. Daniela bleibt ruhig. »Wird schon von allein wieder weggehen«, denkt sie sich.
Doch der Knoten verschwindet nicht. Schließlich will sie den Fund abklären lassen – bei der Gynäkologin, die sie regelmäßig besucht, aber die sie nie auf die einfache Maßnahme der Selbstuntersuchung hingewiesen hatte.
Mehrere Wochen Wartezeit. Als es endlich so weit ist, ergeben 2 verschiedene Untersuchungen unabhängig voneinander: Verdacht auf ein Fibroadenom, eine gutartige Neubildung im Brustgewebe, die bei vielen Frauen auftritt. Der Knoten hat klare Gewebegrenzen zum umliegenden Körpergewebe. Entwarnung, zunächst.
Allerdings verändert sich der Knoten innerhalb von 3 Monaten. Er wird größer, schmerzt. Sie lässt sich im nahe gelegenen Brustzentrum erneut untersuchen. Nun ist der Knoten nicht mehr abgegrenzt, eher blumenkohlartig. Danielas Diagnose wird neu formuliert: Es handle sich doch um Brustkrebs.
Jedes Jahr erhalten in Deutschland mehr als 11.000 Frauen im Alter von 15–49 Jahren Danielas Diagnose. Nach einer im vergangenen September erschienenen Studie, die im 2022 gegründeten medizinischen Fachjournal »BMJ Oncology« publiziert wurde, sind die Krebs-Fallzahlen in dieser Altersspanne global steigend.
Und zwar in alarmierendem Ausmaß: Im Vergleich zu 1990 sind 2019 um die 80% mehr Krebsfälle bei unter 50-Jährigen gezählt worden. Der Großteil entfällt auf Brustkrebs. Doch auch bei Luftröhren- und Prostatakrebs sind der Studie zufolge deutliche Zunahmen feststellbar.
All das klingt bedrohlich. Schließlich denkt man bei Krebs meist eher an alte, gebrechliche Menschen. Warum sind nun scheinbar vermehrt auch junge Menschen betroffen?
Hat vielleicht unser Lebensstil damit zu tun? Führt er dazu, dass sich die tückische Krankheit in den vergangenen Jahrzehnten auch in jüngeren Altersgruppen ausbreitet?
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily