Lauterbach vs. Globuli: Was du zum Streit um Homöopathie wissen musst
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will, dass Krankenkassen künftig nicht mehr für Globuli zahlen. Warum die beliebten Mittel in der Kritik stehen, wie viele Menschen sie nutzen – und was in der Debatte sonst noch wichtig ist.
Es ist mal wieder so weit: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) fordert, dass homöopathische Arzneimittel in Zukunft nicht mehr von den Krankenkassen gezahlt werden. Schon in der Vergangenheit stellte er die Bezahlung der Mittel durch die Kassen infrage, gestrichen wurde sie bislang jedoch nicht. Zwar ist der Vorschlag aus dem Bundesministerium für Gesundheit dieses Mal konkreter, ob er sich durchsetzt, muss sich jedoch
Was spricht für das Verbot? Und stillen Homöopath:innen Bedürfnisse, denen die Medizin nicht gerecht wird? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was hat Lauterbach konkret vorgeschlagen?
Aktuell können die Kassen homöopathische Mittel und Therapien als Satzungsleistung anbieten. Das heißt, sie müssen sie nicht bezahlen, sondern können sie zusätzlich zu den vorgeschriebenen Leistungen erstatten. Das möchte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ändern. Auch anthroposophische Mittel sollen in Zukunft nicht mehr bezahlt werden.
»Es kann keine vernünftige Politik geben, die die Wissenschaft ignoriert – im Bereich der Homöopathie haben wir das bisher gemacht«, sagte Lauterbach zu seinem Vorschlag. Ähnliches steht in einem Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums mit Empfehlungen für eine »stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung«, das kürzlich
Leistungen, die keinen medizinisch belegbaren Nutzen haben, dürfen nicht aus Beitragsmitteln finanziert werden.
Doch was muss passieren, damit die Krankenkassen Homöopathie nicht mehr bezahlen dürfen, wie es der Vorschlag aus dem Gesundheitsministerium vorsieht? Eine Möglichkeit: Der
Eine weitere Möglichkeit geht aus einem
Wie viel Geld würde durch das Finanzierungsverbot eingespart werden?
Was die Finanzwirkung angehe, handelt es sich mehr um eine symbolische Geste, die Krankenkassen zahlen ohnehin nur einen Bruchteil der Mittel. Je nach Schätzung könnten Krankenkassen etwa 20–50 Millionen Euro durch das Finanzierungsverbot homöopathischer
Zum Vergleich: Insgesamt gaben Gesetzliche Krankenversicherungen im Jahr 2022 knapp 274 Milliarden Euro für Leistungen der Versicherung aus.
Weil der Anteil von homöopathischen Mitteln am gesamten Budget so klein ist, warfen Kritiker:innen Lauterbach vor, sich mit dem Verbot im Klein-Klein zu verlieren und von den wahren Problemen der Krankenkassen abzulenken.
Was genau versteht man eigentlich unter Homöopathie und Anthroposophie?
Obwohl Anthroposophie und Homöopathie verschiedene Begründer haben, ähneln sie sich. So wird auch der Umsatz, der mit Mitteln aus den beiden Bereichen gemacht wird, vom Bundesverband der Arzneimittelhersteller nicht einzeln erfasst, sondern unter dem Überbegriff »Homöopathika« zusammengefasst. Laut Sozialgesetzbuch ist beides als »Besondere Therapierichtung« definiert.
Eine kurze Definition:
- Homöopathie: Von Samuel Hahnemann begründet (1755–1843). Homöopathie leitet sich aus dem Griechischen »homoios« (= ähnlich) und »pathos« (= Leiden) ab. Wörtlich übersetzt bedeutet es in etwa »ähnliches Leiden«. Homöopathische Heilverfahren zielen unter anderem darauf ab, Betroffene mit hoch verdünnten Substanzen zu behandeln, die in hoher Konzentration die vorliegenden Beschwerden auslösen würden.
- Anthroposophie: Wörtlich übersetzt bedeutet Anthroposophie so viel wie »Die Weisheit vom Menschen«. Rudolf Steiner (1861–1925) machte diese Idee Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt. Krankheiten werden in der Anthroposophie als »Störung des inneren Gleichgewichts« eines Menschen verstanden. Bei der Herstellung anthroposophischer Arzneimittel werden anthroposophische als auch typisch homöopathische Verfahren eingesetzt.
Beide Therapierichtungen schreiben sich zu, den Menschen »ganzheitlich« zu betrachten und die Selbstheilungskräfte des Körpers aktivieren zu wollen.
Ein Unterschied: Anthroposophie spielt nicht nur in der Medizin eine Rolle. Auch die Waldorfschul-Pädagogik, die biologisch-dynamische Landwirtschaft sind durch eine anthroposophische Weltanschauung geprägt. Auch in der Astrologie gibt es anthroposophische Strömungen.
Sind Naturheilkunde und Homöopathie das Gleiche?
Nein. »Naturheilkunde« ist vielmehr ein Überbegriff für »alternative Heilmethoden«, zu denen auch Homöopathie und Anthroposophie zählen. Die Definition von »Naturheilkunde« ist allerdings nicht trennscharf.
So werden einige klassische Naturheilverfahren durchaus auch in der wissenschaftsbasierten Medizin angewandt: Etwa wenn Ernährung, Bewegung oder Entspannung genutzt werden, um die Gesundheit zu fördern. Auch pflanzliche Arzneimittel sind nicht automatisch anthroposophisch oder homöopathisch, können aber durchaus zur Naturheilkunde zählen.
Auch viele Arzneimittel der
Auch Mittel für die Chemotherapie werden aus Pflanzen gewonnen: etwa aus Eiben und Immergrün. Dass pflanzliche Mittel wirksame Arzneien sein können, zeigt auch, dass diese nicht automatisch harmlos, sanft und ohne Nebenwirkungen sind.
Warum stehen homöopathische Mittel in der Kritik?
Aus der Wissenschaft kommt schon seit Jahren Kritik an homöopathischen und anthroposophischen Mitteln. Kritisiert werden unter anderem diese 4 Punkte:
1. Das »Potenzieren« widerspricht naturwissenschaftlichen Grundgesetzen
Ein häufiges Herstellungsverfahren sowohl homöopathischer als auch anthroposophischer
Um das Ganze zu verbildlichen: Um bei einer Potenz von C30 ein Molekül des Ausgangsstoffes zu sich zu nehmen, müsste man 3-mal 10 hoch 30 Liter (eine 10 mit 30 Nullen) des homöopathischen Mittels schlucken. Das ist mehr als doppelt so viel Wasser, wie in allen Ozeanen der Erde vorhanden ist. Erhältlich sind homöopathische Mittel in Potenzen von 1 bis 1.000.
Dass ein so stark verdünntes Mittel eine stoffliche Wirksamkeit aufweist, ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht möglich.
2. Meta-Analysen zeigen: Homöopathische Mittel wirken nicht über den Placebo-Effekt hinaus
Mittlerweile gibt
Die wenigen Studien, die homöopathischen Mitteln (moderate) Effekte zusprachen, wiesen zudem oft eine mäßige Qualität auf. Kritisiert wurde kürzlich auch die Praxis, dass viele Studien aus dem Homöopathie-Bereich gar nicht erst veröffentlicht wurden, wenn sie nicht die
Kritiker:innen betonen auch, dass diese (fehlenden) Forschungsergebnisse Patient:innen in den meisten Fällen verschwiegen werden und eine tatsächliche stoffliche Wirksamkeit
3. Für die Zulassung homöopathischer Mittel gelten Sonderregeln
Damit Arzneimittel zugelassen werden, muss ihre Wirksamkeit normalerweise in mehreren Studien bestätigt werden. Für homöopathische und anthroposophische Mittel gelten jedoch etwas andere Regeln. Im deutschen Arzneimittelgesetz zählen sie zu den
Was heißt das konkret?
Homöopathika brauchen, anders als andere Arzneimittel, nicht zwingend eine Zulassung. Um sie zu vermarkten, reicht es aus, sie per Antrag in ein zentrales Register aufnehmen zu lassen, also in eine Liste von homöopathischen Arzneimitteln. Dafür muss ihre Wirksamkeit nicht nachgewiesen werden, sondern folgende Bedingungen zutreffen:
- Ein Mittel darf nicht in einem bestimmten Bereich eingesetzt werden (also etwa mit dem Claim »hilft bei Schnupfen«).
- Es darf nur über den Mund aufgenommen oder äußerlich angewandt werden.
- Der Ausgangsstoff muss als homöopathisches Mittel bekannt und mindestens um das 10.000-fache verdünnt sein.
- Die Unbedenklichkeit muss nachgewiesen (bzw. mithilfe von Literatur begründet) werden.
Um ein Mittel für einen bestimmten Anwendungsbereich und mit der Bezeichnung »Arzneimittel« vermarkten zu können, braucht es eine Zulassung. Auch diese sieht jedoch anders aus als bei anderen Arzneimitteln – sie funktioniert nach einem Punktesystem.
Je nachdem wofür der Antragssteller das Mittel zulassen möchte, muss es eine bestimmte Punktzahl erreichen. Die Punkte werden aufgrund des vorliegenden »Erkenntnismaterials« vergeben.
Was ist »Erkenntnismaterial«?
Zur Behandlung einer leichten Erkrankung, bei der das Mittel die Symptome bessern soll, sind 2–6 Punkte nötig. Um 2 Punkte zu erlangen (was für eine Zulassung ausreichen würde), wäre beispielsweise
Die funktioniert so: Gesunde Proband:innen nehmen ein Präparat ein und zeichnen auf, wie sie sich vor, während und nach der Gabe des Mittels fühlen. Dabei werden alle möglichen Effekte des Mittels dokumentiert. Die Prüfung beruht also allein auf der Selbsteinschätzung der Proband:innen.
Dafür gibt es sonst noch Punkte
Ein weiterer Punkt würde verteilt werden, wenn die Mitglieder der Kommission (meist selbst Homöopath:innen), die Wirkung des Mittels aus eigener Behandlungserfahrung bestätigen. Einen weiteren Punkt gibt es, wenn ein Mittel bereits seit 1978 angewandt wird. 2 weitere Punkte werden für eine »Kasuistik« verteilt: Darunter versteht man eine Veröffentlichung in einer homöopathischen Zeitschrift über einzelne mit einem homöopathischen Mittel
Bei schweren Erkrankungen ist die Überprüfung etwas genauer: Damit die Mittel hierfür zugelassen werden, müssen sie die Punktzahl 9 erreichen. Dafür wäre tatsächlich eine wissenschaftliche Studie erforderlich. Die höchste Punktzahl 8 gibt es zum Beispiel für eine »randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie«.
Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte(BfArM) wurde bislang jedoch noch kein homöopathisches Arzneimittel zugelassen, bei dem sich der Antragssteller auf eine solche Studie berufen hätte.
In den USA müssen Homöopathika als wirkungslos gekennzeichnet werden
Die meisten Verfahren, auf deren Grundlage die Mittel aktuell zugelassen werden, beruhen also nicht auf wissenschaftlichen Methoden. Aus diesem Grund sehen manche nicht nur die Finanzierung der Krankenkassen kritisch, sondern auch die Tatsache, dass auf homöopathischen Mitteln überhaupt stehen darf, dass sie gegen bestimmte Beschwerden helfen.
Diese Diskussion gab es vor einigen Jahren auch in den USA. Hier müssen homöopathische Mittel, über deren Wirksamkeit keine wissenschaftlichen Studien vorliegen,
Entweder: »Es gibt keine wissenschaftlichen Belege, dass dieses Produkt wirkt.« Oder: »Die Wirkungsbehauptungen des Produkts basieren einzig auf homöopathischen Theorien aus dem 18. Jahrhundert, die von den meisten modernen Medizinexperten nicht anerkannt werden.«
4. Homöopathie kann im Ernstfall dazu führen, dass eine wirksame Therapie zu spät oder gar nicht in Betracht gezogen wird
Ein weiterer Kritikpunkt, der häufig zur Sprache kommt: In Fällen, in denen Menschen sich vollständig von der wissenschaftsbasierten Medizin abgewandt haben, kann der Einsatz von Homöopathie zur Gefahr werden. Nämlich dann, wenn Betroffene ernsthafte Krankheiten damit behandeln wollen – und dafür auf nachgewiesen wirksame Mittel verzichten.
Das wird besonders dann zum Problem, wenn die Betroffenen nicht selbst entscheiden können, ob sie homöopathische Mittel erhalten, zum Beispiel wenn es um die Behandlung von Kindern oder Menschen mit gesetzlicher Betreuung geht.
Wer Homöopathie nutzt, sollte deshalb kritisch abwägen, wann andere Maßnahmen notwendig werden, und auch darauf achten, ob ein Mediziner oder Heilpraktiker Homöopathie als Ergänzung vorschlägt – oder als Allheilmittel.
Wie viele Menschen nutzen Homöopathie – und wie beliebt ist sie?
Das Institut für Demoskopie Allensbach untersucht regelmäßig die »Nutzung und Wertschätzung von Homöopathie« in der Bevölkerung. 2023 befragte das Institut dafür 1.046 Menschen ab 16 Jahren. Die Ergebnisse
- Mehr Frauen als Männer: 69% der befragten Frauen und 50% der Männer geben an, schon einmal ein homöopathisches Mittel eingenommen zu haben.
- Vertrauen in Homöopathie nahm etwas ab: 23% der Befragten sind ohne Einschränkung von der Wirksamkeit homöopathischer Mittel überzeugt, 14% von ihrer Wirkungslosigkeit; 51% halten homöopathische Arzneimittel teilweise für wirksam, teilweise für unwirksam. Das uneingeschränkte Vertrauen in die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel hat dabei abgenommen: 2014 war noch 1/3 der Befragten restlos überzeugt. Auch die Überzeugung, dass solche Verfahren bei schweren Krankheiten nicht helfen, ist in den letzten 20 Jahren von 39 auf 51% angestiegen.
- Misstrauen nahm zu: Vor gut 20 Jahren waren 54% der Befragten überzeugt, dass es auf dem Gebiet der Naturheilkunde viele Pfuscher und Scharlatane gibt, 2023 glaubten dies 66%. Auch die Skepsis, dass solche Heilmittel generell zweifelhaft sind, ist von 28 auf 46% gestiegen.
- Gemischte Bilanz: 36% derjenigen, die bereits Erfahrungen mit homöopathischen Arzneimitteln gesammelt haben, ziehen ohne Einschränkung eine positive Bilanz, 13% eine negative. 43% berichten, diese Arzneimittel hätten ihnen »nicht immer geholfen«.
- Mehrheit gegen Verbot: Ein Verkaufsverbot homöopathischer Mittel unterstützen dagegen nur 5%, die Finanzierung durch die Krankenkassen würden 20% gerne abschaffen, 32% sind unentschieden.
Insgesamt kommt die Befragung zu dem Schluss, dass es zwar viele Vorbehalte gegen Homöopathie und Naturheilkunde im Ganzen gäbe, jedoch nur eine Minderheit die Verfahren generell ablehnen würde.
Welche Rolle spielt Homöopathie im Gesundheitssystem?
Die Bedeutung von Homöopathie im Gesundheitssystem ist in den letzten Jahren zurückgegangen. 2022 hatte der Deutsche Ärztetag die Zusatzbezeichnung Homöopathie
Schon vor der Streichung boten jedoch nur noch 4 von 17 Landesärztekammern Homöopathie als Weiterbildung für Mediziner:innen an. 2024 will auch die Landesärztekammer Baden-Württemberg über die Streichung der Zusatzbezeichnung Homöopathie abstimmen – aktuell wird in dem Bundesland
Das heißt nicht, dass Ärzt:innen keine Homöopathie mehr anbieten dürfen. Es fällt nur die mehrmonatige Weiterbildung weg – und in Zukunft somit auch die Zusatzbezeichnung auf dem Praxisschild (wer sie schon hat, darf sie behalten). Begründet wird die Streichung der Weiterbildung unter anderem mit der fehlenden wissenschaftlichen Grundlage.
Laut Bundesärztekammer führten im Jahr 2022 noch 4.800 berufstätige Ärzt:innen die Zusatzbezeichnung »Homöopathie«. Zum Vergleich: Insgesamt arbeiten mehr als 421.000 Mediziner:innen aktuell
Warum nutzen Menschen Homöopathie?
Klar ist: Menschen, die auf Homöopathie vertrauen, tun das nicht, weil die Mittel durch die Krankenkasse finanziert werden. Tatsächlich machen sich die wenigsten die Mühe, die Belege überhaupt einzureichen, damit sie die Mittel erstattet bekommen – darauf deuten auch die oben
Es muss also andere Gründe dafür geben, dass Menschen Homöopathie nutzen. Anhaltspunkte kann die Allensbacher-Befragung geben: So sehen 63% der Befragten Verfahren und Heilmittel aus dem Bereich der Naturheilkunde (nicht Homöopathie im Speziellen) als »sanfter« an und versprechen sich dadurch weniger Nebenwirkungen.
Ein weiteres Argument, für das sich 48% der Befragten aussprachen: Es werde der ganze Mensch gesehen und nicht nur die Krankheit. Auch dass ein Großteil der Befragten der Ansicht ist, homöopathische Mittel hätten ihnen zumindest zeitweise geholfen, ist ein Motiv für den Einsatz von Homöopathie.
Die Ergebnisse der Befragungen kommen den Motiven nahe, die
- Empfehlungen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis
- Überzeugung vom Konzept der Individualisierung von Diagnostik und Therapie
- Angst vor Nebenwirkungen von nichthomöopathischen Behandlungsmethoden
- Enttäuschungen über fehlende Empathie, unzureichende Akzeptanz individueller Krankheitsdeutungen und Nichternstnehmen wahrgenommener Nebenwirkungen
Gibt es noch weitere Erklärungen dafür, dass Menschen auf Homöopathie vertrauen?
Ein weiterer Grund, der von Kritker:innen genannt wird, könnte der Hang von Menschen sein, für absolut jedes Problem eine Lösung finden zu wollen – auch wenn diese nicht rational zu begründen ist.
Hier lohnt sich ein Blick
Das heißt zum Beispiel: Selbst wenn die Zeit der entscheidendste Faktor bei einer Genesung ist, kann es sein, dass Patient:innen die »Heilung« letztendlich einer bestimmten Sorte Globuli zuschreiben, die sie eingenommen haben – auch wenn einfaches Abwarten den gleichen Effekt gehabt hätte. Die Mittel helfen dabei, ein Gefühl von Kontrolle wiederherzustellen.
Wir verhalten uns besonders dann abergläubisch, wenn wir uns bedroht und gestresst – also verunsichert – fühlen. Menschen, die ein großes Kontrollbedürfnis haben, tendieren dazu noch stärker. Das ist nicht nur schlecht: Das Gefühl von Kontrolle kann uns stärken. Fühlen wir uns ständig hilflos, kann das hingegen sogar krank machen.
Auf der anderen Seite erhöht diese menschliche Neigung das Risiko, auf Scharlatane hereinzufallen.
Homöopathie und Verschwörungsdenken
Eine Studie der Uni Mainz fand 2018 ein weiteres Motiv von Homöopathie-Nutzer:innen: Ihr zufolge ging der Hang zu alternativen Heilmethoden eng mit Verschwörungsdenken einher.
»Je stärker die Verschwörungsmentalität einer Person ausgeprägt ist, desto mehr befürwortet diese Person alternative Verfahren und umso mehr lehnt sie konventionelle Heilmethoden wie Impfungen oder Antibiotika ab«, schlussfolgerte
Das bedeutet nicht, dass alle Menschen, die zu alternativen Heilmethoden greifen, Verschwörungsdenker:innen sind – vielmehr ist es ein weiterer Faktor,
Kann die Medizin von Homöopath:innen lernen?
Bei aller Kritik an homöopathischen und anthroposophischen Verfahren, gibt es vor allem einen Aspekt der Behandlung, von dem auch die evidenzbasierte Medizin etwas lernen kann. Dabei geht es nicht um die homöopathischen Mittel oder die Methoden an sich, sondern vor allem um eines: Zeit für Gespräche.
Dass Zeit bei vielen Ärzt:innen knapp ist, ist nichts Neues: Laut Zahlen von 2018 (aktuellere gibt es derzeit nicht) versorgte ein Hausarzt bzw. eine Hausärztin am Tag
Dabei zeigen Studien seit Langem: Patient:innen sind zufriedener, wenn der behandelnde Arzt Zusammenhänge verständlich erklärt, wichtige Punkte der Krankengeschichte kennt und
Und was ist mit dem Placebo-Effekt?
Auch der Einsatz von Placebos könnte in Zukunft
Denn auch wenn Placebos zeitweise hilfreich sein können, betonen selbst ihre Befürworter:innen, dass ihre Wirkung nicht überschätzt werden dürfe.
Ethisch korrekt wäre es zudem, wenn auch Patient:innen über das Placebo Bescheid wüssten. Aber funktioniert es dann noch? Mittlerweile deuten Studien darauf hin, dass der Placebo-Effekt auch dann eintreten kann, wenn Patient:innen über die Wirkungslosigkeit eines Mittels informiert sind.
Das zeigte etwa
Fokus auf Gespräche: Das ist 2025 geplant
Worte, Blicke und Berührungen, all das hat Einfluss auf das Vertrauen und die Genesung der Patient:innen – und sollte nicht nur im Alltag, sondern auch in der Ausbildung von Mediziner:innen in Zukunft eine noch größere Rolle spielen.
Die gute Nachricht: Auch hier tut sich etwas! Seit 2022 können Ärzt:innen beispielsweise das Thema »Patientenzentrierte Kommunikation« in
Und auch im Studium wird Kommunikation in Zukunft eine größere Rolle spielen:
Was meinst du?
Diskussionen über Homöopathie sind erfahrungsgemäß emotional. Deshalb konzentriert sich dieser Artikel bewusst auf (belegte) Fakten. Abschließend möchte ich dich fragen, wie du zu den folgenden beiden Fragen stehst:
Mit Illustrationen von Claudia Wieczorek für Perspective Daily