Mit Tomaten zu mehr Jobs, Gesundheit und Sicherheit
o Milliarden Menschen leiden unter Wassermangel, und es werden mehr. Doch es gibt einfache Kniffe, mit denen aus wenig Wasser viel Wohlstand wächst – Forscher machen es in Namibia vor.
Eine Tomate ist eine runde Sache: Sie schmeckt gut, macht satt, ist gesund und hat eine schöne, rote Farbe. Hat man mehr Tomaten, als man essen kann, verkauft man sie einfach weiter, vielleicht bringt es etwas Kleingeld ein. Und alles, was man braucht, um sie heranzuzüchten, ist ein wenig Boden, Tomatensamen und viel Wasser.
500 Millionen Menschen auf der Welt haben aber kein Wasser. Sie leiden rund ums Jahr unter starkem Wassermangel. Das Ganze ist längst nicht nur ein Problem der sogenannten Dritten Welt:
Dann bedeutet Wassermangel nicht nur blasse Vorgärten oder schmutzige Wäsche, sondern Dürre, Ernteausfälle und Hunger. Keine Tomaten! All das ist derzeit erschreckend deutlich im Süden Afrikas zu sehen, wo das
Das Wasser ist da – man muss es nur richtig nutzen
Ein Team aus Wissenschaftlern hat ein System entwickelt, das einen Großteil dieser Probleme löst. Es wirkt wie eine große Gießkanne, die man mit einem Schwung durch die Fluten füllt und mit der man das ausgetrocknete Land bewässert. Anschließend kann man regelrecht zusehen, wie erst die Tomaten wachsen und dann auch Gesundheit, Jobs, Sicherheit und Frieden wie junge Triebe aus dem staubigen Boden sprießen.
Stefan Liehr ist einer aus dem Team des
Das
- Regen- und Flutwasser-Sammlung: Auf den Dächern der Hütten wird Regenwasser gesammelt und in Wasserspeicher geleitet. Noch größere Tanks werden direkt neben die Wasserläufe gebaut, die nur in der Regenzeit Wasser führen. Wenn das Wasser frisch ist, wird es mit Motoren in die Tanks gepumpt. Die geschlossenen Tanks schützen die Vorräte vor Verdunstung. Das Wasser eignet sich nicht als Trinkwasser, sondern wird das ganze Jahr über zum Anbau von Gemüse verwendet.
- Grundwasserentsalzung: Aufgrund der Übernutzung der Brunnen und geografischer Bedingungen ist das Grundwasser im Cuvelai-Etosha-Becken, wie in vielen
- Sanitäre Anlagen und Abwasseraufbereitung: In 3 Siedlungen wurden sanitäre Anlagen und Waschhäuser gebaut. Das Abwasser wird durch ein überschwemmungssicheres Vakuumsystem abgeleitet, gereinigt und ebenfalls zur Bewässerung von Gemüsegärten verwendet.
900 Menschen haben durch die neue Abwasserreinigung nun Zugang zu Toiletten und Waschräumen – statt Büsche und Tümpel aufsuchen zu müssen. Der Anteil der Menschen im Projektgebiet, die ihr Geschäft auf offener Straße erledigen, ist seit 2012 von
Eine Verbesserung, über die sich auch die fast
Erst wachsen die Tomaten. Gesundheit und Jobs folgen
Die Menschen, die in Namibia jetzt die neuen Sanitäranlagen nutzen können, produzieren derzeit etwa 30 Kubikmeter Abwasser am Tag. »Vorher ist das in großen, offenen Becken gesammelt worden«, erklärt Stefan Liehr, »das hatte 2 große Nachteile: Erstens verdunstete das Wasser einfach ungenutzt und die Nährstoffe gingen verloren. Zweitens wurden die Becken bei Überschwemmungen oft überflutet.« Ein trübes Gemisch aus Fäkalien und Keimen sei durch die Straßen geflossen, das regelmäßig Cholera-Epidemien mit sich brachte.
Inzwischen füttern die Menschen, die vorher nicht viel mehr als ein paar Ziegen oder Rinder hatten, mit der gereinigten Brühe Tomaten-, Gurken- und Paprikapflanzen. Bis zu 120 Tonnen Gemüse werfen die pro Jahr ab. Davon könnte man
26 Menschen sind damit beschäftigt, die Samen auszusäen, die Früchte zu ernten und auf dem Markt einen guten Preis für die Ware auszuhandeln. Sie alle haben damit ein festes Einkommen – und einen wesentlich abwechslungsreicheren und gesünderen Speiseplan als zuvor.
Die Zahl gibt an, welcher Anteil der erneuerbaren Wasserressourcen eines Landes aus dem Ausland stammt. Quelle: Aquastat
Als Arbeitgeber ist Wasser weltweit spitze: Die Vereinten Nationen schätzen, dass
In den 10 Jahren, die das Projekt bereits läuft, ist Stefan Liehr oft von Namibias Hauptstadt Windhoek ins Cuvelai-Becken im Norden Namibias gefahren. Die 700 Kilometer lange Strecke führt ihn zunächst durch einsames, kommerzielles Farmland, vorbei an nicht enden wollenden Zäunen. Bis zum »red fence«, einer roten Linie, die den geordneten Süden des Landes vom lebendigen Norden trennt. Plötzlich tauchen Menschen am Straßenrand auf, anstelle von Zäunen säumen jetzt Hütten die Straße. Rinder, Ziegen und Pferde verstellen den Weg.
»Setzt Angola plötzlich stärker auf Landwirtschaft, sitzen die Menschen hier auf dem Trockenen.«
Rund 850.000 Menschen leben hier oben im namibischen Teil des Cuvelai-Beckens,
Nur während der Regenzeit von Oktober bis April füllen sich die Oshanas, ausgedehnte Wasserläufe, die das ganze Becken durchziehen. Für kurze Zeit schöpfen Menschen und Tiere aus dem Vollen. Nach dem Ende der Regenfälle verdunstet und versickert das Wasser wieder und hinterlässt nichts – außer einem halben Jahr Dürre. Dieser Wechsel zwischen Flut und Dürre machen das Cuvelai-Becken zu einem ausgezeichneten Freiluftlabor, in dem die Forscher an Lösungen für dringend nötige Klima-Anpassungen tüfteln können. Denn hier finden sie genau die Verhältnisse vor, wie sie der Klimawandel in immer mehr Regionen der Welt trägt. Meistens herrscht Trockenheit – wenn aber Wasser da ist, dann in Massen. »Hier verdichten sich die Probleme«, sagt Stefan Liehr.
CuveWater ist die Vorlage: Bitte nachmachen!
Denn auch wenn sich Klimaforscher nicht einig sind, ob die steigende Zahl von Unwettern bereits auf die menschgemachte Erderwärmung zurückzuführen ist, ist eines sicher: Künftig werden extreme Wetterereignisse wegen des Klimawandels
So bleibt die Frage: Wie kann das IWRM möglichst schnell die Millionen Menschen auf der Welt erreichen, die davon betroffen sein werden?
Das CuveWater-Projekt soll kein einsames Kunstwerk bleiben, sondern ist ausdrücklich als Blaupause für andere Gegenden gedacht, in denen es ähnlich zugeht.
- Die Menschen können alles vor Ort bekommen: Fast alle Materialien, die zum Bau der Sammelanlagen, Wasserspeicher und Gemüsegärten gebraucht werden, können bei lokalen Baustoff-Händlern gekauft werden.
- Die Menschen können es sich leisten: Der Garten, der mit gereinigtem Abwasser gegossen wird, wirft bis zu 900.000 Namibische Dollar (rund 50.000 Euro) im Jahr ab und kann so fast ohne Zuschüsse finanziert werden. Auch die Flut- und Regenwassergärten werfen mehr ab, als ihr Betrieb kostet: Sie sind rentabel, die Gärtner werden zu Unternehmern. Natürlich braucht es ein gewisses Startkapital, um Ziegel, Pumpen und Zement zu bezahlen. Für jeden US-Dollar, den Regierungen von Entwicklungsländern in den Wasser- und Sanitärbereich stecken, winken aber durch das einsetzende Wachstum zwischen
- Und vor allem können die Menschen alles selbst machen: Anstatt ihnen die Anlagen einfach nur aufs Dach zu setzen und nach ein paar Pressebildern wieder abzureisen, haben die ISOE-Leute 10 Jahre an dem Projekt gearbeitet – wesentlich länger, als das Stapeln von ein paar Ziegeln dauert.
Diese Zeit und seine breit gefächerten Kompetenzen hat das Team aus Physikern, Geographen, Soziologen, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlern genutzt, um das IWRM mitten im Leben und Alltag der Menschen zu verankern. Schließlich nützt die beste Bewässerungsanlage wenig, wenn das Know-how fehlt, um sie zu benutzen. Darum haben die Forscher den Menschen beigebracht, wie sie Gemüse säen, pflegen, ernten und vermarkten – Gartenbau ist den meisten völlig neu. Sie haben ihnen Buchhaltung erklärt und gezeigt, wie sie die Anlagen selbst aufbauen können. Und sie haben ihnen einen sparsamen Umgang mit Wasser beigebracht.
Was fehlt, sind Informationen. Der Rest ist schon da
Gerade die Frauen haben die neuen Strukturen gestärkt: Mütter und Kinder sind besonders anfällig für schlechte Hygiene-Bedingungen – und profitieren umso mehr von Sauberkeit und ausgewogener Ernährung. Die neue Gartenarbeit ist meist eine der wenigen Möglichkeiten für Frauen, eigenes Geld zu verdienen.
»Die Frauen haben in einem der Dörfer die Initiative ergriffen und mit der Spitzhacke in der glühenden Sonne einen metertiefen Graben gezogen, um die Gärten mit dem Frischwassernetz zu verbinden«, beschreibt Stefan Liehr den Elan, mit dem die Frauen ihren neuen Job inzwischen ausfüllen und weiterdenken. Mit der Wasserleitung können sie ihre Tomaten auch dann gießen, wenn die Dürreperiode besonders lange dauert und das gespeicherte Flutwasser zur Neige geht. Stefan Liehr hält das für eine tolle Initiative, auch wenn sie der Grundidee des IWRM zuwiderläuft. Schließlich ist das Leitungswasser mit Trinkqualität eigentlich zu hochwertig und zu teuer für die Bewässerung der Gärten.
Das letzte Wort gehört einem Gärtner-Ausbilder, der am Projekt beteiligt war. Er sagt: »Das Wasser ist hier, der Boden ist hier. Was gefehlt hat, waren die Informationen.« Verbreiten wir die Informationen, sprießen die Tomaten wie von selbst – eine runde Sache.
Titelbild: CuveWaters