Facebook und Instagram machen Schluss mit Politik. Kann das gut gehen?
Ein Internet ohne aufgeregte Grabenkämpfe – das klingt erst mal paradiesisch. Kann das klappen oder ist das von vornherein ein Reinfall?
Instagram ist die beliebteste Social-Media-Plattform in Deutschland mit 27,4 Millionen monatlichen Nutzenden. Das sind immerhin gut 1/3 aller
Näher an den Menschen und Dingen, die du liebst. Verbinde dich mit Freunden, teile, was du gerade machst […]
Das klingt nach Freizeitbeschäftigung, nach Fotos vom Restaurantessen und Selfies vor Sehenswürdigkeiten im Urlaub – belanglos, aber harmlos und im schlimmsten Fall ein klein wenig zum Fremdschämen.
Doch wir wissen natürlich längst, dass dies nur ein kleiner Teil der Wahrheit ist.
Immer wieder geriet das ach so harmlose Social-Media-Portal in die Schlagzeilen, weil dort Hass, Fake News und Propaganda zunehmen.
Von wegen harmlose Urlaubsfotos.
Es wütet ein Informationskrieg – auch auf Instagram.
Dass das überhaupt funktioniert, liegt auch am Aufbau der Plattform Instagram selbst. Denn politische Wut, Propaganda und radikale Inhalte polarisieren und lassen den
Jetzt hat Meta, der Konzern hinter Instagram, der auch für Facebook verantwortlich ist, wohl die Nase voll vom Imageschaden. Als Lösung macht das Unternehmen auf seinen Plattformen Schluss mit politischem Content – mit Instagram angefangen, später soll auch Facebook folgen – und will damit die Nutzer:innen zurück zur harmlosen Belanglosigkeit bringen.
Das wird nicht gut gehen.
»Aus dem Feedback von Nutzer:innen wissen wir, dass sie weniger politische Inhalte sehen möchten.« –
Der Anti-Politik-Filter ist da
Nutzende staunten vor wenigen Tagen nicht schlecht, als sich ihre Timelines auf Instagram veränderten. Politische Inhalte, die von Accounts stammen, denen eine Nutzerin oder ein Nutzer nicht folgt, werden vom Algorithmus nicht mehr »proaktiv« empfohlen.
Anders formuliert: Wenn du nicht Joe Biden folgst, siehst du keine Beiträge von Joe Biden mehr.
Gerade in den USA,
Doch die Lösung hat gleich 3 grundlegende Konstruktionsfehler:
- Was ist politischer Content?
Um Inhalte einzuschränken, muss der Algorithmus »verstehen«, was diese Inhalte ausmacht. Doch was ist politischer Content überhaupt? Inhalte von Parteien? Inhalte über Parteien? Äußerungen zu bestimmten Gesetzen?
Das kann nahezu alles sein und im Zweifelsfall normale Meinungsäußerungen und journalistische Inhalte betreffen. Man könnte sogar argumentieren, dass in einer hochvernetzten Welt, in der Trends auf sozialen Medien direkt von Politiker:innen aufgegriffen werden und sich Protestbewegungen online formen, nahezu alles politisch ist. Sind Fotos von veganem Essen mit dem Hashtag »go vegan« nicht auch politisch? Ist ein Selfie vor einer Ukraineflagge politisch? Nun hat sich ein privater Konzern selbst in die Lage manövriert, genau das definieren zu müssen. Das klingt erst mal harmlos, nach einer Bürde. Doch darüber hinaus ist das unheimlich viel Macht für einen Konzern, direkt am Herzen der öffentlichen Meinungsbildung. - Subtile Beeinflussung ist nicht zu stoppen
Auch ohne Politiker:innen oder Parteien zu nennen, lässt sich heutzutage vortrefflich Politik in ihrem Sinne betreiben. Ein Beispiel? Die florierende Szene der - Interessenkonflikt
Meta ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das wenig Skrupel für gesellschaftliche Auswirkungen der eigenen Inhalte gezeigt hat. So ließ der Konzern etwa den
Ob sich am Klima auf Instagram und Co. etwas ändert, muss sich zeigen. Für Skeptiker wie mich ist aber jetzt schon absehbar, dass der Versuch von Meta scheitern wird. Denn »politischen Content begrenzen« ist selbst eine populistische Lösung: Sie klingt oberflächlich gut und beruhigend, kommt aber mit einem großen Sack von Problemen daher und ist dem komplexen Problem nicht angemessen. Ein Beispiel für einen blinden Fleck in der Diskussion: Sie blendet nicht zuletzt völlig aus, dass bei Weitem nicht jeder politische Inhalt schlecht ist. Gerade marginalisierte Gruppen nutzen Social Media, ja auch Instagram, um über ihre Diskriminierung aufzuklären – sie könnten demnächst weniger gehört werden.
Daher muss sich der Meta-Konzern den Vorwurf gefallen lassen, dass es hier weniger um eine echte Lösung geht als um Schadensbegrenzung. Der gesellschaftlichen Verantwortung, die Meta für Millionen Nutzer:innen hierzulande hat, wird das einfach nicht gerecht.
Aber hätte Meta überhaupt bessere Optionen?
3 bessere Optionen
Gesellschaftliche Phänomene wie der Populismus und Informationskriege sind nur durch Social-Media-Plattformen möglich geworden. Wenn Meta wirklich daran interessiert wäre, diesen Geist wieder in die Flasche zu bekommen, gäbe es da einige Lösungen, die dem Großkonzern nicht schmecken dürften.
- Den Algorithmus abschalten
Der Algorithmus ist verlockend, denn er verspricht, Nutzenden relevante Inhalte zuzuspielen – wird aber selbst von radikalen Meinungsmachenden ausgespielt. Warum nicht einfach eine Plattform ohne Algorithmus? Alle Beiträge von gefolgten Accounts würden in chronologischer Reihenfolge angezeigt. Dass das im Kern funktioniert, demonstriert etwa die Plattform Bluesky. Das Klima dort: Immer noch politisch, aber unaufgeregter. Denn wenn Interaktion nicht mehr an oberster Stelle steht, wird populistische Dampfplauderei und Provokation uninteressanter und man muss wieder mehr mit Inhalten überzeugen. - Einzelne Personen sperren (Deplatforming)
- Geld für Demokratie ausgeben
Plattformen haben eine zentrale Verantwortung für die politische Kultur in Demokratien. »Sie aggregieren Nachrichten, sind Orte kultureller Kreativität und politischer Auseinandersetzungen«, schreiben etwa die Verantwortlichen der Hate-Not-Found-Studie. Sie profitieren dabei massiv von der Meinungsfreiheit der Nutzenden und Werbetreibenden. Das anzuerkennen müsste für Plattformen eigentlich heißen, diese Freiheit zu schützen – nicht nur mit halbherzigen Lösungen und symbolischen Versprechen, sondern auch mit Geld. Und die Kassen des Konzerns sind tief. Meta konnte im vierten Quartal 2023 rund 40 Milliarden US-Dollar als Umsatz einstreichen – ein satter Zuwachs von 25% zum Vorjahr. Davon ließe sich sicher ein nennenswerter Prozentsatz für Demokratieprojekte, Medienbildung von Jugendlichen, Extremismus-Forschung oder auch unabhängigen Journalismus locker machen.
Und ja, das alles würde den puren Profit ein wenig schmälern. Es wäre aber das moralisch Richtige.
Mit Illustrationen von Claudia Wieczorek für Perspective Daily