Lerne das freie Internet kennen – das sind die besten Alternativen zu Microsoft, Apple und Co.
Das ganze Internet ist von großen Tech-Giganten besetzt. Das ganze Internet? Nein! Ein unbeugsamer Verbund alternativer Softwareproduzent:innen hört nicht auf, den Quasi-Monopolisten Widerstand zu leisten. Lerne die Welt der freien Software kennen und benutzen.
Würdest du einem Unternehmen Geld dafür bezahlen, ein Produkt weiter sicher nutzen zu können, welches du längst gekauft hast?
Ungefähr das schlägt Microsoft potenziell Millionen Kund:innen vor. Es geht um das vor allem bei Unternehmen noch sehr verbreiteten Betriebssystem Windows 10, das Anfang April ein finales Ablaufdatum erhalten hat:
Am 14. Oktober 2025 ist Schluss.
Das bedeutet, dass Microsoft ab diesem Zeitpunkt keine automatischen Sicherheitsupdates mehr herausbringt und damit Nutzende und ihre Daten neuen Sicherheitslücken und potenziellen Cyberkriminellen ausliefert. Wer das nicht möchte, muss auf das nächste Windows umsteigen … oder eben zahlen. Denn Microsoft hat sich eine Lösung ausgedacht, um umstiegsträge Kund:innen nach dem Ablaufdatum trotzdem zur Kasse zu bitten:
Und das weiß die Chefetage bei Microsoft auch, die ihre enorme Marktmacht darauf aufgebaut und sich so unter die 5 großen Technologie-Giganten gebracht hat – neben Alphabet (Google), Apple, Amazon und Meta (Facebook, Instagram).
Die Nutzenden müssen nach ihren Regeln spielen. Innovative Konkurrenz kaufen sie einfach auf und kämpfen mit einer Armee von Jurist:innen gegen internationale Regulierungsversuche.
Es scheint, ihr Einfluss ist heutzutage überall riesig und schier unbezwingbar.
Überall? Nein!
Abseits dieser Tech-Giganten hört eine unbeugsame Gemeinschaft freier Softwareentwickler:innen nicht auf, Widerstand zu leisten. Für sie arbeiten Tausende Menschen ehrenamtlich. Gemeinsam erschaffen sie eine »nichtkommerzielle digitale Gegenwelt«, wie sie IT-Journalist Stefan Mey in seinem neuen Buch beschreibt und auslotet. Der zutreffende Titel lautet: »Der Kampf um das Internet. Wie Wikipedia, Mastodon und Co. die Tech-Giganten herausfordern«.
Ich habe es gelesen, mit Stefan Mey gesprochen und möchte dir dabei helfen, dich dieser Gegenwelt anzuschließen. Das ist gar nicht so kompliziert, wie es auf den ersten Blick scheint.
»Der Kampf um das Internet. Wie Wikipedia, Mastodon und Co. die Tech-Giganten herausfordern« erschien Ende Oktober 2023 beim Verlag C.H.Beck auf Deutsch. Mey stellt in seinem Buch insgesamt
Warum du Tech-Riesen nicht trauen solltest
Man muss zugeben: Die Software der großen Tech-Riesen funktioniert einfach. Die IT-Konzerne haben aber nicht nur deswegen eine enorme Macht. Sie waren vor allem einfach
»Diese Konzerne haben heute nahezu unbegrenzte Ressourcen«, erklärt mir Stefan Mey per Videocall, und sie bauen sie kontinuierlich aus. Wer sich mit ihnen anlegt, ist automatisch in einer »David gegen Goliath«-Konstellation. An faire Chancen für Wettbewerber brauche man da gar nicht zu denken.
Doch wer jetzt glaubt, bei den großen Tech-Konzernen gut aufgehoben zu sein, der irrt sich enorm. Immer wieder stehen Microsoft, Apple und Co. im Zentrum von handfesten Skandalen um die (mangelhafte) Sicherheit ihrer Kund:innenendaten. Die klingen regelmäßig wie plausible Drehbücher von Agententhrillern im Kino – nur sind sie eben echt:
- 2023 erbeuteten
- 2013 deckte der ehemalige CIA-Agent und nun berühmte Whistleblower Edward Snowden auf, wie der US-amerikanische Geheimdienst im Rahmen des PRISM-Programms die angesammelten Berge an Kundendaten der großen Konzerne nutzte, um einzelne Personen zu durchleuchten. Mit Dokumenten, die er den Zeitungen The Guardian und Washington Post zuspielte, bewies er, dass eine strukturelle Massenüberwachung möglich ist.
Snowden gab an, die großen Konzerne wie Facebook, Google, Apple oder Microsoft würden die
Ganz gleich wie nutzerfreundlich die Angebote von Google, Microsoft, Apple und Co sind, sollte dies zumindest zu denken geben, wie sinnvoll es ist, diese Dienste zu nutzen – und den Unternehmen damit die eigenen Daten anzuvertrauen. Denn, Fakt ist:
- Die Tech-Giganten haben zu viel Macht: Die eigene Marktmacht und Quasi-Monopol-Stellung nutzen die Unternehmen, um Skandale einfach auszusitzen. Juristische Konsequenzen brauchen sie kaum zu fürchten. Regulierung läuft oft ins Leere.
- Deine Daten sind bei ihnen nicht sicher: Großunternehmen wie Microsoft sind selbstverständlich die Hauptziele von internationalen Hacks, denn dort gibt es die meisten und empfindlichsten Daten zu erbeuten. Und man darf annehmen, dass Geheimdienste auch nach Snowdens Enthüllungen nicht spontan aufgehört haben, genau dort mitzuschnüffeln.
- Großkonzerne dienen nicht der Demokratie, sondern dem Profit: Bei all ihrer Marktmacht und ihrem internationalen Einfluss unterliegen Tech-Konzerne kaum demokratischer
Auf diesen Überlegungen basiert auch Stefan Meys Buch, das gezielt Alternativen vorstellt, die auch du jetzt nutzen könntest. Das wird die IT-Großkonzerne nicht vom Thron stoßen. »Eine Änderung der Machtverhältnisse ist nicht in Sicht«, gibt auch Mey zu. Er nennt die Alternativen einen »verheißungsvollen Gegenentwurf«, der deine Daten sicherer macht und für ein gutes Gewissen sorgt. Viele alternative Lösungen stammen übrigens nicht einmal aus den USA, sondern werden von Europa und ganz besonders von Deutschland aus betrieben!
Diese 3 alternativen Programme brauchst du auf jeden Fall
»Wenn ich mir jemanden vorstelle, der noch gar keine Erfahrungen in dem Bereich hat, dann würde ich ihm vor allem 3 Dinge ans Herz legen«, sagt Mey und meint damit Angebote für den Bereich Kommunikation und Arbeit. Das ist nur logisch, denn gerade die Programme, die wir täglich häufig nutzen, sollten besonders sicher sein. Hier sind sie:
Browser – Firefox!
Allerdings muss man Firefox vor der Nutzung noch von einer Datenkrake befreien. Denn in dem Browser ist als Suche standardmäßig erst mal Google eingestellt und liest damit Suchanfragen mit. Wieso? Nun, Google zahlt der Mozilla Foundation dafür viel Geld – was Mozilla wiederum gern ins eigene Angebot steckt und damit in die Aufklärungsarbeit gegen Datenkraken.
Tipp: Einfach die automatischen Suchvorschläge
Messenger – Signal!
Kommunikationsdaten sind besonders empfindlich für Hackerangriffe, denn was wir manchem Messenger anvertrauen, sollte unter 4 Augen bleiben. Hier kommt Signal ins Spiel, der Messenger, den sogar Edward Snowden nutzt und empfiehlt. Bei ihm kannst du wie bei Whatsapp Textnachrichten schreiben, Bilder und Audionachrichten verschicken und Statusupdates teilen, aber auch wie bei Skype audio- und videotelefonieren – auch in Gruppen. Dabei wird die Kommunikation stark verschlüsselt, selbst Absender:innen können anonym bleiben (Sealed-Sender-Prinzip).
Interessantestes Feature: Sobald Signal auf dem Smartphone eingerichtet ist, kann man es auch auf dem PC nutzen. Gewährt man der App Zugriff auf das eigene Telefonbuch, wird dies verschlüsselt in die Signal-Cloud hochgeladen und durch eine PIN-Nummer geschützt. Geht das eigene Handy verloren, kann man das Telefonbuch hier als Backup auslesen.
Damit der Messenger funktioniert, muss eine Telefonnummer angegeben werden. Das dient als Sicherheitsschranke gegen Spam-Accounts, ist aber bei eisernen Datenschützer:innen umstritten. Wer sich angemeldet hat, erhält auf die Telefonnummer einen Freischaltcode. Hinter dem Angebot steckt die Signal-Stiftung rund um den ehemaligen Whatsapp-Mitgründer Brian Acton.
Bürosoftware – LibreOffice!
Word, Excel … Schluss damit. Wer nicht bei seiner täglichen Office-Arbeit auf Microsoft vertrauen möchte, wird bei
LibreOffice ist ein vollständiges und kostenloses Bürosoftware-Paket. Es bietet ein Schreibprogramm (LibreOffice Write), ein Tabellenkalkulationsprogramm (Calc), ein Präsentationsprogramm (Impress) und einen Formeleditor. Die funktionieren sehr ähnlich wie die Microsoft-Office-Anwendungen und sind als direkte Alternative programmiert, um einen Umstieg zu erleichtern.
Getragen wird LibreOffice vor allem durch
7 weitere alternative Dienste für Experimentierfreudige
Du bist jetzt schon überzeugt oder ärgerst dich über die üblichen Verwandten, die lieber weiterhin Chrome, Whatsapp, Word und Co. nutzen wollen? Hier bremst Mey im Gespräch mit mir: »Wir müssen verstehen, dass alternative Software für viele Menschen ein Luxusproblem ist«, sagt er aus seiner Erfahrung bei Vorträgen, auf denen er regelmäßig Menschen von freier Software überzeugt. »Manche Menschen haben erst mal ganz andere, konkrete Probleme und Datensicherheit wirkt erst mal weit weg. Dafür müssen wir Verständnis haben.« Denn die Welt der alternativen Software kann sich schnell wie ein eigenes Hobby anfühlen.
Damit sich hier mehr bewege, müssten Institutionen, wie etwa Schulen oder Behörden, anfangen, auf alternative Software zu setzen – dann zögen auch insgesamt mehr Leute mit, so Mey. Doch die wüssten oft gar nicht, was es überhaupt gebe oder was für sie nützlich sei. Hier seien Journalisten wie er oder ich in der Verantwortung, diese Alternativen einfach und verständlich zu erklären. So wie in seinem Buch oder jetzt in diesem Artikel.
Wer dann im besten Fall das Problem verstanden hat, digital selbstbestimmter unterwegs sein möchte und ein wenig Experimentierfreude mitbringt, stößt auf eine Welt voller alternativer Angebote, von denen Firefox, Signal und LibreOffice nur die Spitze des Eisbergs sind. Neugierig? Diese 7 Alternativen aus »Der Kampf ums Internet« finde ich besonders interessant – vorgestellt im Schnelldurchlauf:
- Archive.org (Internetarchiv)
Wenn Unternehmen versuchen, auf Websites Spuren zu verwischen, werden sie hier ertappt. Das gewaltige Internetarchiv (auch bekannt als »Waybackmachine«), das problemlos als »größte Bibliothek der Welt« bezeichnet werden darf, dokumentiert seit 27 Jahren Millionen von Websites. Gehen Artikel offline oder landen Links im digitalen Nirvana, finden sich die sonst verlorenen Informationen sehr wahrscheinlich hier. Hinter der Website steht - BigBlueButton (Videotelefonie)
Zoom kann Pause machen. BigBlueButton aus dem kanadischen Ottawa bietet genauso gute Videokonferenzen, die über selbstgewählte Rechenzentren laufen. Vor allem öffentliche Einrichtungen und Schulen nutzten den Dienst während der Coronapandemie als Alternative, dessen Funktionen immer mehr zu einem »digitalen Klassenzimmer« für Lehrkräfte ausgebaut werden. - Cryptomator (Datenverschlüsselung)
3 junge Informatiker aus der früheren Bundeshauptstadt Bonn entwickeln bis heute diesen Dienst, der alle Daten sicherer macht, die du ins Netz hochlädst. Normalerweise können nämlich Cloud-Anbieter wie Amazon einfach mitlesen. Cryptomator macht aus deinen Daten aber unlesbaren Datensalat, der erst auf deinen eigenen Rechnern wieder lesbar wird. - GIMP (Bildbearbeitung)
Es muss nicht Adobes Photoshop sein. Dieses Bildbearbeitungsprogramm ist ebenfalls recht mächtig und vor allem frei und kostenlos – funktioniert dafür aber nicht auf dem Smartphone. Entwickelt wird es von einer deutschen Community um den Buchhändler Michael Natterer aus Wangen im Allgäu. Wer Photoshop professionell nutzt, muss sich erst mal umgewöhnen. Für Vereine und Hobbyarbeiten reicht GIMP allemal. - Mastodon (Social Media)
Entwickelt im thüringischen Jena, ist Mastodon schon immer die Antwort auf Twitter gewesen, lange bevor das Netzwerk von Elon Musk aufgekauft und in X umbenannt wurde. Hier lassen sich Beiträge von bis zu 500 Zeichen verfassen. Mastodon setzt auf radikale Dezentralität und eine Gemeinschaft aus zahllosen Einzelanbietern, auf die sich das Netzwerk verteilt. - OpenStreetMap (Kartentool)
Wer Google Maps zur Navigation nutzt, verrät dem Konzern damit recht genau seine Gewohnheiten, wohin man geht, mit wem man sich trifft und wo man lebt. Die Alternative ist OpenStreetMap. Die Software schneidert aus Einzelkarten und Informationen zu öffentlichen Objekten, die von Freiwilligen zusammengetragen werden, eine recht detailgetreue, vollständige Weltkarte im Stil alter Straßenkarten, die wiederum Grundlage für andere freie Dienste ist, etwa Wheelmap (Barrierefreiheit). - F-Droid (AppStore)
Eine Alternative zum Playstore von Google. Dieser nichtkommerzielle Marktplatz bietet nur Open-Source-Apps für Android-Systeme. Die werden auf ihr Datenverhalten durchleuchtet. Natürlich sieht das Ganze etwas schlicht aus, doch wer neugierig ist und die Welt der freien Software erkunden möchte, wird hier fündig.
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily