Macht Geld gesund?
Was eine Kindheit in Armut kostet, kann später keiner zurückzahlen. Denn sie beeinflusst die Gesundheit ein Leben lang.
Während unserer frühen Kindheit werden zahlreiche Weichen gestellt, die darüber entscheiden, wie gesund wir später sein werden. Im Klartext bedeutet das zum Beispiel: Wer
Ist es die Armut, die uns krank macht?
Armut lässt sich nicht pausieren
Nicht auf direktem Wege. Doch wer arm ist, hat mehr Stress. Ein wenig Stress zu haben, kann durchaus förderlich sein: Wir erledigen Dinge, die sonst vielleicht liegen bleiben, halten uns an Fristen und erzielen sportliche Rekorde. Genauso wichtig wie die Stressphasen sind aber die stressfreien Erholungsphasen.
Wird der Stress zum Dauerbrenner, fallen diese Phasen weg und der Körper hat keine Zeit, sich zu erholen.
Zu erhöhtem Stress führt generell aber auch, nicht genug von etwas zu haben. Das kann der Mangel an Essen, Kleidung, Zeit oder – ganz allgemein – Geld sein. Mangelt es uns an etwas, beschäftigt uns das und lenkt uns von anderen Dingen ab, die in unserem Leben vielleicht passieren. Das geht soweit, dass ein Teil unserer Gehirnkapazität nicht verfügbar ist, weil sich dort alles um die Sorge um die nächste Mahlzeit oder die monatliche Miete dreht. Studien haben gezeigt, dass dies sogar
Der Geschäftsführer, der zu viel arbeitet, kann immer noch sagen: Jetzt brauche ich wirklich Urlaub, um eine Pause von der stressigen Arbeit zu haben. Wer in Armut lebt, kann keine Pause von der Armut machen.
Der entscheidende Unterschied zwischen dem Faktor Armut und vielen anderen Stressauslösern: Armut lässt sich nicht »pausieren«. Sie wird so zum Dauerstressor, nicht nur für Eltern, die damit zu kämpfen haben, sondern auch für deren Nachwuchs.
Von Rattenmüttern und gestressten Gehirnen
Wie stark sich Stress in früher Kindheit auf unser Gehirn im Erwachsenenalter auswirkt, untersuchen Wissenschaftler bereits seit mehreren Jahrzehnten. Die ersten Versuchspersonen waren keine Kinder, sondern Vierbeiner, deren Gehirn an eine Miniaturversion des menschlichen Gehirns erinnert: Ratten.
Die zahlen keine Miete, sondern benötigen genug Baumaterial, um ein gutes Nest für den Nachwuchs zu bauen. Mangelt es daran, sind die Eltern gestresst und haben weniger Kapazitäten, um ihre Jungen zu versorgen. Das äußert sich in
Die Folgen lassen sich auch noch bei den erwachsenen Ratten nachweisen. Genau das zeigten bahnbrechende Studienergebnisse des Neurowissenschaftlers Michael Meaney in den 1990er-Jahren. Die Ratten, die »in jungen Jahren« mehr Fellpflege von ihren Eltern erhalten, haben ein
Um zweifelsfrei nachzuweisen, dass es tatsächlich das Verhalten ist, dass das Erbgut verändert, nutzen die Wissenschaftler einen einfachen Trick: Sie vertauschen den Nachwuchs von unterschiedlichen Müttern, sodass die jungen Ratten von Müttern, die wenig Fellpflege betreiben, bei solchen landen, die besonders fürsorglich sind, und andersherum. Generell sorgen Rattenmütter unabhängig davon, wie fürsorglich sie sind, auch für Nachwuchs anderer Ratten.
Auch wenn Ergebnisse aus Experimenten mit Ratten nicht eins zu eins auf den Menschen übertragbar sind, zeigen diese Studien, dass Erfahrungen zu Beginn unseres Lebens die spätere Entwicklung des Gehirns – und damit auch das Verhalten – beeinflussen.
Und wie sieht’s bei Menschen aus?
Da ein »Kindertausch« bei Menschen nicht möglich ist, nutzen Forscher alternativ Gehirne von früh verstorbenen Menschen,
Tatsächlich haben mittlerweile zahlreiche Studien bestätigt, dass negative Erfahrungen während der Kindheit einer der besten Indikatoren für die spätere Gesundheit sind. Umso erstaunlicher ist es, dass dieser Zusammenhang erst in den 1990er-Jahren ans Licht kam. In
Doch damit nicht genug: Je mehr traumatische Erfahrungen Kinder gemacht hatten, desto höher war später die Wahrscheinlichkeit, dass sie an verschiedensten Krankheiten litten, von
Als seien diese Ergebnisse noch nicht erschreckend genug, zeigen Folgestudien einen weiteren Zusammenhang: Kinder, die unter der Armutsgrenze aufwachsen, berichten sehr viel häufiger, traumatische Erfahrungen zu haben.
Also: Je ärmer ein Kind aufwächst,
Ist mehr Geld Teil der Lösung?
Die Kernfrage ist also:
Inwieweit
Um diese Frage beantworten zu können, verfolgte sie die Entwicklung von knapp 1.500 Kindern zunächst über mehrere Jahre. 1/4 der Kinder waren Indianer, auf deren Land während der Studie ein Casino eröffnet wurde. Jetzt wurde die Studie plötzlich unerwartet sehr spannend, denn alle Stammesangehörigen erhielten
Nur 4 Jahre nach dem ersten unangemeldeten Gratis-Geld zeigten diese Kinder weniger Verhaltensauffälligkeiten.
Die Studie läuft noch immer und alle Ergebnisse bestätigen, dass die positiven Auswirkungen auch Jahrzehnte nach der Casinoeröffnung messbar sind. Auch hier gilt wieder: je weniger Stress durch Armut, desto besser die Gesundheit (auch Jahre später).
Warum sollte uns das hoffnungsvoll stimmen? Weil selbst die jüngsten Studienteilnehmer zu Beginn der Untersuchungen bereits 9 Jahre alt waren. In diesem Alter ist unser Gehirn bereits sehr gut ausgebildet. Trotzdem können die Effekte negativer Einflüsse noch
Nein, ein Geld-Segen für alle wird nicht automatisch alle Probleme lösen. Was er aber leisten kann, ist, für mehr Chancengleichheit zu sorgen, indem er eine Lücke verkleinert – die zwischen Arm und Reich bezüglich der Chancen auf eine gute Gesundheit.
Titelbild: Library of Congress, Prints & Photographs Division, FSA/OWI Collection, - public domain