Nachtzüge in Europa: Diese 5 neuen Verbindungen bringen dich schlafend in den Urlaub
Die Renaissance des Nachtzugs geht weiter: Auch 2024 bringen Bahnkonzerne und Start-ups jede Menge neuer Ziele ans Netz. Welche das sind und vor welchen Herausforderungen die Branche steht.
Bei Sonnenuntergang in den Zug steigen, sich ins Bett legen und bei Sonnenaufgang in einem anderen Land aufwachen: Dieses Versprechen kann nur der Nachtzug einlösen.
Daher gehörten Nachtzüge lange Zeit zum Repertoire eines jeden Eisenbahnunternehmens.
Und doch schien es bis vor Kurzem so, als sei die glorreiche Zeit, in der der Nachtzug Europa einte und sogar mit Asien verband, endgültig vorbei. Die Deutsche Bahn stieg 2016 aus dem Geschäft aus und legte ihre Nachtzug-Verbindungen still.
Das hat sich ausgezahlt. In den vergangenen Jahren ist das Interesse für Nachtzug-Reisen neu entfacht worden. Das Bewusstsein für die Klimakrise, das unter anderem die Fridays-for-Future-Demonstrationen ausgelöst haben, hat dazu geführt, dass für viele Menschen das Flugzeug nun unvereinbar ist mit ihrem ökologischen Gewissen. Plötzlich vermelden Bahnunternehmen einen Zuwachs an Passagieren und bessere Auslastungszahlen. Reisende spüren das am eigenen Leib: Beliebte Strecken sind in den Sommermonaten zum Teil lange im Voraus ausgebucht. Eine totgesagte Branche ist wieder in Schwung gekommen.
Schon im vergangenen Jahr haben wir 5 neue Nachtzug-Linien vorgestellt:
Auch die Politik hat den Nachtzug wiederentdeckt. Aufgrund seiner vorteilhaften Klimabilanz wandelt er sich vom ausrangierten Verkehrsmittel für Nostalgiker zum wichtigen Baustein der Verkehrswende. Sowohl in Deutschland als auch auf europäischer Ebene gibt es Pläne und erste Zusagen, den Nachtzug-Verkehr wieder anzukurbeln.
Nachtzüge sind ein europäisches Thema
Ist das schon eine Renaissance? Das hänge vom Blickwinkel ab, meint Juri Maier. Er ist Vorstandsvorsitzender des deutschen Ablegers von
Immerhin wurde der Trend 2022 gestoppt: Erstmals seien in diesem Jahr wieder mehr Nachtzug-Verbindungen hinzugekommen als eingestellt worden. Dass sich diese Entwicklung fortsetzt, daran arbeiten die rund 80 Mitglieder des Vereins in Deutschland. »Wir verstehen uns als Klimaschutzorganisation«, betont Maier. »Alle reden abstrakt davon, dass wir den Flugverkehr auf die Schiene verlagern müssten. Wir machen uns darüber Gedanken, wie das gelingen kann.« Dafür führt der Verein Studien durch und lobbyiert vor allem auf EU-Ebene für neue Nachtzüge. »Denn hier werden die wichtigen Entscheidungen getroffen«, so Maier.
Dem Nachtzug wird es nicht immer leicht gemacht
In der Tat behinderten fehlende Koordination zwischen den Mitgliedstaaten und der EU den weiteren Ausbau. »Die Kleinstaaterei steht dem internationalen Nachtzug-Verkehr im Weg«, sagt Maier. Seit Jahren plane Schweden, einen Nachtzug von Stockholm nach Brüssel zu etablieren, scheitere aber an der Bürokratie in Transitländern wie Deutschland. Es fehle an einer europäischen Nachtzug-Strategie, die einheitliche Vorgaben und Standards in Technik, Qualität und Frequenz setzt. Noch immer müssen sich die Betreiber der Nachtzüge mit unterschiedlichen Vorschriften, Trassenpreisen, Stromnetzen, Spurweiten und diskriminierenden Steuerregeln auseinandersetzen. So werden Tickets im internationalen Nachtzug-Verkehr mit 7% Mehrwertsteuer immer noch höher besteuert als internationale Flugtickets, die gänzlich von der Steuer befreit sind.
Das ist einer der Gründe dafür, warum Nachtzüge preislich nicht mit dem Flugzeug mithalten können. Deshalb fordert der Verein Back-on-Track unter anderem die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf internationale Bahntickets oder alternativ die Einführung einer Mehrwertsteuer auf internationale Flugtickets. Auch niedrigere Trassenpreise und zusätzliche politische Unterstützung sind das Ziel: »Derzeit werden in Deutschland Gelder zur Förderung von Nachtzügen eher für Studien als für tatsächliche Wirtschaftsbeihilfe ausgegeben«, so Maier von Back-on-Track.
Ob das Nachtzug-Geschäft gänzlich ohne Subventionen schwarze Zahlen schreiben kann, ist fraglich. Dafür sind die Kosten zu hoch und die Konkurrenz zu groß. »Die ÖBB baut ihr Nachtzug-Netz auch deshalb aus, weil sie weiß, wie sie an Subventionen kommt«, sagt Juri Maier. In Österreich gebe es eine Grundsubvention für Nachtzüge, ebenso in Frankreich und Belgien. In Deutschland hingegen wird der Nachtzug-Verkehr noch nicht grundlegend finanziell gefördert. Anders als der Nahverkehr gehört der Fernverkehr in Deutschland nicht zur staatlichen Daseinsvorsorge und muss demnach rentabel sein.
Trotz dieser Hürden ist die Branche in Bewegung: Neben ambitionierten Ausbauplänen von staatlichen Unternehmen wie der ÖBB, die derzeit Nachtzug-Marktführer in Europa ist, drängen in den letzten Jahren mehr und mehr private Unternehmen in den Markt.
Da gibt es das schwedische Unternehmen
Dass der Einstieg ins Nachtzug-Geschäft auch scheitern kann, zeigt gerade das niederländische Start-up Green City Trip, das in den letzten 2 Jahren im Auftrag des Reiseveranstalters Tui Nachtzüge von Amsterdam nach Prag, Venedig, Göteborg und Wien anbot.
Fest steht: Der Ein- und Ausstieg privater und staatlicher Anbieter belebt derzeit das Geschäft – zum Vorteil der Kund:innen. Nachtzug-Fans dürfen sich jedes Jahr auf neue Verbindungen freuen. Auch 2024 wurden alte Strecken reaktiviert und bestehende Strecken verlängert oder mit neuen Zügen attraktiver gemacht. Hier gibt es einen Überblick über die 5 spannendsten Neuerungen im europäischen Nachtzug-Verkehr:
1. Eine neue Generation von Nachtzügen
Seit Dezember 2023 rollen neue, moderne Nachtzüge der ÖBB durch Europa. Sie bieten mehr Platz und Komfort und sind mit bis zu 230 Stundenkilometern deutlich schneller als ihre Vorgänger. Jedes Schlafabteil ist mit einer Dusche und einem WC ausgestattet. Im neuen Multifunktionswagen können allerlei Sportgeräte mitgeführt werden. Die vielleicht spannendste Neuerung: Sogenannte »Mini Cabins« für Alleinreisende, die mehr Wert auf Privatsphäre legen.
Diese winzigen Schlafkapseln bieten gerade genug Platz, um zu schlafen oder aufrecht zu sitzen, und sind für vergleichsweise wenig Geld zu buchen. Insgesamt hat die ÖBB 33 dieser neuen Züge bestellt, die sukzessive in naher Zukunft zum Einsatz kommen werden. Sie sollen den neuen Komfortansprüchen der Kundschaft entsprechen und Nachtzug-Reisen zu einem entspannten Erlebnis machen.
2. Ein Nachtzug von Berlin nach Paris
Als im Dezember 2014 nach 50 Jahren Betrieb zum letzten Mal ein Nachtzug vom Berliner Hauptbahnhof Richtung Paris rollte, war das für Freunde des Reisens im Nachtzug – und die deutsch-französische Freundschaft – ein trauriger Tag. Die Deutsche Bahn legte die Strecke still und so blieb es 9 Jahre lang.
Doch damit ist jetzt Schluss. Seit dem 11. Dezember 2023 verbindet ein Nachtzug wieder beide Städte. Betrieben wird die Strecke – na klar – von der Österreichischen Bundesbahn. 3-mal pro Woche, montags, mittwochs und freitags, verkehrt der Zug zwischen den Metropolen und hält dabei in Halle, Erfurt, Frankfurt und Straßburg. Die gesamte Strecke dauert knapp 15 Stunden.
3. Ein neuer Nachtzug von München nach Warschau
Ebenso neu für 2024 ist eine Erweiterung der Nachtzug-Linie München–Wien, die die ÖBB seit diesem Jahr unter dem Namen »Chopin« betreibt und in Kooperation mit der Deutschen Bahn, der Polnischen Staatsbahn und der Tschechischen Bahn bis nach Warschau verlängert hat. In rund 15 Stunden können Reisende nun im Liege- oder Schlafwagen in die Heimatstadt des berühmten Pianisten Frederic Chopin fahren – und das 7 Tage die Woche. Die Zwischenhalte umfassen unter anderem Linz, Wien und Krakau.
4. Ein neuer Nachtzug von Brüssel nach Prag
Ebenso verlängert wurde die Verbindung des privaten Nachtzug-Unternehmens European Sleeper. Letztes Jahr trat das belgisch-niederländische Start-up mit der Strecke Berlin–Brüssel in den Nachtzug-Markt ein. Jetzt wurde die Strecke bis nach Prag verlängert. 3-mal pro Woche (dienstags, donnerstags und sonntags) können Reisende die knapp 1.000 Kilometer zwischen tschechischer und belgischer Hauptstadt in gut 15 Stunden schlafend zurücklegen. Die Zwischenhalte umfassen unter anderem Dresden, Berlin und Rotterdam.
5. La dolce vita: von Mailand nach Palermo
Wer sich auf ein echtes Abenteuer einlassen möchte, sollte unbedingt den Nachtzug von Mailand ins sizilianische Palermo ausprobieren. Mit 1.500 Kilometern Länge handelt es sich um
Das Highlight der Zugfahrt ist neben der abwechslungsreichen Landschaft Italiens die Verladung des Zuges aufs Schiff – aufgrund vulkanischer und mafiöser Aktivitäten ist das italienische Festland bis heute nicht mit der Mittelmeerinsel Sizilien verbunden. Darum wird der Nachtzug zwischen San Giovanni und Messina für etwa 8 Kilometer auf ein Schiff verladen. Ein in Europa
Was bringt die Zukunft?
Ziel der EU-Kommission ist es, den europäischen Bahnverkehr bis 2030 zu verdoppeln und bis 2050 sogar zu ver-3-fachen. Im Rahmen dessen wurde bekanntgegeben, dass die EU 10 neue Zugverbindungen fördern wolle, darunter 3 Nachtzug-Verbindungen. Bereits im Frühjahr 2025 soll eine neue Strecke zwischen Amsterdam und Barcelona entstehen.
Auch die Schweizer Bundesbahn (SBB) hat neue Verbindungen angekündigt. Der Start war eigentlich für 2022 geplant, musste aufgrund diverser Hürden aber auf unbestimmte Zeit verschoben werden.
Titelbild: picture alliance / dpa-tmn | Zacharie Scheurer - copyright