Protest wirkt: 7 Klimabewegungen und ihre Erfolge
Sie streiken, stören, und bleiben standhaft: Die Aktivist:innen von Fridays for Future, Extinction Rebellion und Co. setzen sich seit Jahren für mehr Klimaschutz ein. Was haben sie erreicht und wie geht es weiter? Wir haben nachgefragt.
Mitte April ordnete Daniel Noboa, der Präsident Ecuadors, an, die Bevölkerung solle nur mehr 3 Tage pro Woche arbeiten. Durch das Ausbleiben des Regens droht den Wasserkraftwerken das Wasser auszugehen – und Ecuador damit auch der Strom, der zu einem Großteil durch Wasserkraft erzeugt wird. Die verkürzte Arbeitswoche
Am anderen Ende der Welt hingegen hörte es nicht mehr auf zu regnen – und das mitten in der Wüste:
Kaum eine Woche vergeht, in der nicht irgendwo auf der Welt die
In einer idealen Welt würde die Politik ihrer Verantwortung freiwillig nachkommen. In der aktuellen Realität müssen Regierungen hingegen regelrecht gezwungen werden, ihre selbst gesteckten Ziele auch nur anzustreben, geschweige denn einzuhalten. Genau aus diesem Grund sind in Deutschland und weltweit in den vergangenen Jahren eine Reihe von Organisationen und Bewegungen aus der Zivilgesellschaft hervorgegangen, die sich explizit für konsequenten Klimaschutz einsetzen, von unten Druck machen und an diese Verantwortung erinnern. Über viele von ihnen haben wir auch bei Perspective Daily berichtet. Doch zuletzt ist es ruhiger geworden um die Klimabewegung.
Wo stehen Fridays for Future, die Letzte Generation und Co. heute? Hat ihr Einsatz in den vergangenen Jahren etwas bewirkt? Und was ist ihr Antrieb, trotz politischer Rückschritte weiterzumachen?
Um diese Fragen zu beantworten, habe ich mit Aktivist:innen aus 7 Organisationen gesprochen und festgestellt: Die Klimabewegung hat ihr Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft, unter der Oberfläche passiert gerade sehr viel und ohne ihren Protest stünden wir beim Klimaschutz heute wahrscheinlich weitaus schlechter da.
Dich interessiert nur eine bestimmte Organisation oder Bewegung? Klicke auf einen der Namen, um direkt zum entsprechenden Abschnitt zu springen:
1. Bürgerlobby Klimaschutz
Gründung:
Fokus: Die Non-Profit-Organisation tritt seit ihren Anfängen mit den 3 gleichen konkreten Forderungen an die Politik heran. Für Deutschland lauten diese:
- Konsequente Minderung der Emissionen in Europa und Deutschland
- Einführung eines wirksamen CO2-Preises
- Gerechte Rückverteilung der Einnahmen dieses Preises über eine Klimadividende (Klimageld)
Strategie: Die Bürgerlobby Klimaschutz nutzt das Recht aller Bürger:innen, das Gespräch mit den Bundestagsabgeordneten ihres Wahlbezirks zu suchen und Lobbyismus für die eigenen Interessen zu betreiben.
Was ist seit Gründung passiert?
Als die Bürgerlobby ihre Arbeit in Deutschland aufgenommen hat, waren Themen rund um die Klimakrise in der Öffentlichkeit und auch unter vielen Politiker:innen kaum präsent. Man habe jedes Mal bei null anfangen müssen zu erklären, was es mit der CO2-Bepreisung, geschweige denn mit dem Klimageld auf sich habe, erzählt Martin Delker. Der Bauherrenberater und ehemalige Architekt ist von Anfang an bei der Bürgerlobby Klimaschutz dabei.
Dass das Klimageld heute nicht nur den meisten ein Begriff sei, sondern es sogar ins Koalitionspapier der Ampel geschafft habe, sei zu Teilen auch der unermüdlichen Lobbyarbeit der Ehrenamtlichen zu verdanken – das habe ihm eine Politikerin aus einer der Regierungsparteien zurückgemeldet. »Wir waren so nah dran am Klimageld mit der neuen Regierung wie noch nie!
Noch ist ihre Arbeit also nicht geschafft und die Ehrenamtlichen werden weiter für ihre Forderungen lobbyieren. Dass Klimaschutz ohne eine effektive CO2-Bepreisung als Leitinstrument nicht funktionieren wird, davon ist nicht nur Delker überzeugt – auch viele
Den CO2-Preis nicht mehr zu deckeln, sondern sich frei über den Markt entwickeln zu lassen, werde aber nur mit Rückverteilung der Einnahmen an die Bürger:innen genug Akzeptanz bekommen, erklärt Delker. Für ihn habe das nichts mit Sozialpolitik zu tun, wie manche Befürworter:innen des Klimagelds argumentierten: »Wir federn nur die finanzielle Mehrbelastung insbesondere ärmerer Menschen ab, die sich unweigerlich aus der CO2-Preissteigerung ergibt. Aber die Lösung der sozialen Probleme müssen wir wie alles andere aus Steuergeldern finanzieren – das ist nicht Sache des Klimagelds.«
Auch wenn ihn aktuelle politische Entwicklungen mitunter frustrieren, denkt Delker nicht ans Aufhören. Für ihn sei jedes einzelne Gespräch ein neuer Motivationsschub. Er ist überzeugt, dass 99,9% der Abgeordneten im Bundestag etwas in der Welt bewirken wollen, was über ihr eigenes Renommee hinausgeht.
Die Gespräche sind ein Erleben von Demokratie und Eigenwirksamkeit, das für mich nicht zu toppen ist. Deswegen mache ich weiter. Auch wenn es eine Sisyphusarbeit ist.
Hier kommst du zur Website der Bürgerlobby Klimaschutz.
2. Fridays for Future
Gründung: 2018, erster globaler Klimastreik 2019
Fokus: Fridays for Future stellen auf ihrer Website eine Liste mit ausführlich begründeten Forderungen für Deutschland auf:
- Nettonull bis 2035 erreichen
- Kohleausstieg bis 2030
- 100% erneuerbare Energieversorgung bis 2035
- Ende der Subventionen für fossile Energieträger
- ein CO2-Preis, der die Kosten von Treibhausgasen realistisch abbildet, sowie ein Klimageld
Strategie: Massenproteste
Was ist seit Gründung passiert?
Angefangen mit Schulstreiks nach dem Vorbild von Greta Thunberg hat sich Fridays for Future über die Jahre zur größten Klimaschutzbewegung in Deutschland entwickelt. Neben Schüler:innen engagieren sich unter anderem Eltern, Großeltern, Psycholog:innen und
Generell ist die Bewegung inzwischen breit aufgestellt und probiert sich immer wieder in neuen Projekten aus. Um auf den Fachkräftemangel für die Energiewende aufmerksam zu machen, richten Fridays for Future zum Beispiel gemeinsam mit Herstellern aus der Branche sogenannte
Auch wenn sie aktuell nicht so viele Menschen mobilisieren kann wie zu ihren Hochzeiten, als sie über eine Million Menschen auf die Straße gebracht hat, bleiben Massenproteste das zentrale Mittel der Bewegung.
»Was uns als Organisation ausmacht, ist, dass wir immer wieder da sind und uns in politische Diskurse einmischen. Dass wir den Finger in die Wunde legen, wenn beispielsweise schmuddelige fossile Deals geschlossen werden«, erklärt er. Neben den konkreten übergeordneten Forderungen richtet sich der Fokus ihrer Proteste jeweils auf aktuelle Themen.
Einen der größten Erfolge, die direkt und indirekt auf die Arbeit von Fridays for Future zurückzuführen ist, stellt das deutsche Klimaschutzgesetz dar. Als Reaktion auf die Großdemonstrationen 2019 hatte die Große Koalition damals ein Klimaschutzpaket auf den Weg gebracht. Weil das unzureichend war, zog Fridays for Future vor das Bundesverfassungsgericht und bekam recht – das Klimaschutzgesetz musste nachgeschärft werden. Viele Klimaschützer:innen, aber auch Wissenschaftler:innen finden, die vergangene Woche beschlossene Novelle des Klimaschutzgesetzes habe diese Errungenschaften zunichte gemacht.
Ich bin reichlich wütend, was gerade passiert. Aber diese Wut hat auch etwas unglaublich Konstruktives und Produktives. Für mich gibt es keine falschere Reaktion darauf, wenn klimapolitisch schlechte Entscheidungen getroffen werden, die Flinte ins Korn zu werfen. Das ist genau der Moment, in dem man dafür sorgen muss, dass politische Entscheidungsträger eben nicht damit durchkommen.
Der nächste bundesweite Klimastreik, der den Schwerpunkt auf die anstehenden Europawahlen legt, findet am 31. Mai statt. Hier kommst du zur Website von Fridays for Future.
3. Extinction Rebellion
Gründung: 2018 in Großbritannien, kurze Zeit später auch Ortsgruppen in Deutschland und anderen Ländern
Fokus: Extinction Rebellion (was übersetzt so viel bedeutet wie »Rebellion gegen das Aussterben«) kommuniziert 3 Hauptforderungen, die bewusst vage gehalten sind, um für so viele Menschen wie möglich anschlussfähig zu sein:
- Sagt die Wahrheit: Alle Bürger:innen müssen durch die Politik und über die Medien ehrlich informiert werden, wie bedrohlich die Krise ist, in der wir gerade stecken.
- Handelt jetzt, jeder Tag zählt: Der
- Demokratie neu leben: Unter anderem sollen die Menschen durch Bürgerräte stärker in den politischen Entscheidungsprozess eingebunden werden.
Strategie: Ziviler Ungehorsam und friedlicher Widerstand
Was ist seit Gründung passiert?
Aktivist:innen, die in London auf die Dächer von U-Bahnen klettern, giftgrün eingefärbtes Wasser in der Spree oder in rote Gewänder gehüllte Gestalten: Vor allem in den Anfangstagen machten Extinction Rebellion mit
Zwar nutzt die Bewegung nach wie vor Mittel des zivilen Ungehorsams, greift dabei aber weniger störend in den Alltag der Bevölkerung ein als beispielsweise die Letzte Generation. Generell scheint die Bewegung über die Jahre weniger radikal, fast sanft geworden zu sein. Extinction Rebellion organisiert eigene Mahnwachen, Thementage und städtebezogene Aktionen, die von den jeweiligen Ortsgruppen auf die Beine gestellt werden. Außerdem unterstützen sie die Kampagnen anderer Bewegungen.
»Angesichts der zivilisationsgefährdenden Krise, in der wir stecken, solidarisieren wir uns mit allen anderen Arten des friedlichen Protests und Widerstandes. Wir brauchen die Zusammenarbeit«, sagt Emma, die sich Extinction Rebellion im vergangenen Jahr angeschlossen hat. Dass es so viele unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Schwerpunkten innerhalb der Klimabewegung gibt, sieht sie überwiegend als Vor-, nicht als Nachteil. Denn so könne man ein breiteres Spektrum an Menschen ansprechen.
Die Schritte, die in die richtige Richtung gemacht werden – auch wenn sie noch so klein sind –, heben die Frustration über die langsam mahlenden Mühlen des Politikbetriebs ein Stück weit wieder auf.
Hier kommst du zur Website von Extinction Rebellion.
Inwiefern der Verzicht auf Gewalt entscheidend für den Erfolg einer sozialen Bewegung ist, beschreibt Peter Dörrie in diesem Artikel von 2019:
4. GermanZero
Gründung: 2019
Fokus: Der Verein setzt sich dafür ein, dass Deutschland bis 2035 klimaneutral wird.
Strategie: Um ihr Ziel zu erreichen, engagiert sich die Organisation 2-gleisig auf unterschiedlichen politischen Ebenen: Zum einen bringt sie Vorschläge für konkrete Klimaschutzgesetze in den Bundestag ein. Zum anderen unterstützt sie mit dem Netzwerk LocalZero auch Kommunen auf deren Weg zur Klimaneutralität.
Was ist seit Gründung passiert?
»Letztlich hat die Realität gezeigt, dass keine Partei im Bundestag darauf wartet, mehr als 200 Gesetze überreicht zu bekommen. Es ist enorm aufwendig, für Lösungsansätze zu werben«, sagt Markus Sailer, der seit knapp 4 Jahren als Redakteur bei GermanZero arbeitet. Die Organisation habe deshalb ihr politisches Tätigkeitsfeld neu ausgerichtet und betreibe nun mehr oder weniger klassische Lobbyarbeit. Sprich: Sie werben bei einzelnen Mitgliedern des Bundestags und Mitarbeiter:innen der Ministerien für ihre Gesetzesvorschläge.
Gerade im Energiesektor seien viele der von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf den Weg gebrachten Maßnahmen annährend deckungsgleich mit dem, was GermanZero vorgeschlagen hat. »Wie so oft im Klimaschutz ist das alles kein Geheimwissen. Vieles liegt auf der Hand, man muss es aber systematisch zusammenführen. Zum Beispiel wie der Ausbau der Erneuerbaren möglichst schnell vorangetrieben werden kann«, sagt Sailer. In anderen Sektoren, allen voran im Verkehr, sehe es bislang schlechter aus.
Neben Vorschlägen auf Bundesebene unterstützt die Organisation Städte mit konkreten Lösungen dabei, klimaneutral zu werden. Mehrere Dutzend Kommunen führten auf Initiative von lokalen Ehrenamtlichen einen sogenannten Klimaentscheid durch.
Es ist immer wieder faszinierend, was für eine unglaubliche Energie und wie viel Arbeitszeit die vielen Ehrenamtlichen investieren, wenn sie erst mal sehen, dass sie etwas bewirken können.
Hier kommst du zur Website von GermanZero und LocalZero.
5. Klima vor acht
Gründung: 2020
Fokus: Der Verein setzt sich für ein Format im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ein, das zur besten Sendezeit über die Klimakrise berichtet – analog zu »Wirtschaft vor acht« (ehemals »Börse vor acht«), das derzeit montags bis freitags direkt vor der Tagesschau läuft. Als übergeordnetes Ziel soll eine generelle Debatte über Klimaberichterstattung im Journalismus angestoßen werden.
Strategie: An die Intendanz der ARD gerichtete
Was ist seit Gründung passiert?
Als der Verein 2020 eine
»Nur ein Bruchteil aller Deutschen haben Aktien und der öffentlich-rechtliche Rundfunk macht eine Sendung für diese kleine Gruppe. Die Klimakrise hingegen geht 100% aller Menschen an.« – Norman Schumann
Diese Folgen und ein Konzept für eine fortlaufende Sendung hätten sie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerne kostenlos überlassen, doch der blockte weiterhin ab. Einziges Zugeständnis war die Umbenennung der »Börse vor acht« in »Wirtschaft vor acht«; der Inhalt blieb allerdings weitestgehend derselbe.
»Die Klimakrise ist eine der größten kommunikativen Aufgaben, die wir als Menschheit zu bewältigen haben«, sagt Norman Schumann, der hier klar die öffentlich-rechtlichen Sender in der Pflicht sieht. Er ist im Datenmanagement in der freien Wirtschaft tätig, arbeitet nebenbei als freier Mitarbeiter an der Universität Hamburg zum Thema Klimakommunikation und hat Klima vor acht mit ins Leben gerufen.
Um einen Überblick über den Status quo der Berichterstattung zum Klima zu erhalten,
Zusätzlich analysierten sie das Archiv der Tagesschau rückwirkend bis 2007. Erst mit Aufkommen von Fridays for Future sei die Klimakrise überhaupt nennenswert aufgetaucht, so eines der zentralen Ergebnisse. Zwar gibt es immer wieder Peaks in der Berichterstattung – zum Beispiel während der Großdemonstrationen in Lützerath –, generell geht der Trend aktuell aber wieder nach unten. Klima vor acht hält deshalb an seiner Forderung fest, dass es im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein festes Medienformat zur Klimakrise braucht, das möglichst viele Menschen erreicht. Für die zweite Jahreshälfte plant das Team deshalb wieder eine groß angelegte Kampagne.
Wir haben mit vielen Journalist:innen gesprochen, die beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeiten und sagen: ›Wir würden es sofort machen.‹ Es fehle nur an Ressourcen und dem Go aus der Chefetage. Und genau das ist das Problem: Es ist ein Versagen des oberen Managements, der Intendanz, der Programmdirektion, die Klimakrise ernst zu nehmen. Ob sie deren Ausmaß überhaupt verstanden haben, bezweifle ich.
Einen Riesenmeilenstein hat Klima vor acht allerdings doch erreicht: Den Privatsender RTL haben sie mit ihrem Konzept überzeugt und er hat es für sich übernommen. Seit Juli 2021 läuft 2-mal wöchentlich im Anschluss an die reichweitenstarke Nachrichtensendung RTL aktuell das rund 1-minütige
Hier kommst du zur Website von Klima vor acht.
6. Scientist Rebellion
Gründung: 2020 in Großbritannien nach dem Vorbild von Extinction Rebellion, kurze Zeit später auch in Deutschland
Fokus: Scientist Rebellion fordert unter anderem eine sofortige Dekarbonisierung der Wirtschaft, die mit den Empfehlungen des Intergouvernemental Panel on Climate Change (IPCC) in Einklang steht, Degrowth im Globalen Norden sowie einen Schuldenerlass für Länder im Globalen Süden, die besonders von den Folgen der Klimakrise betroffen sind.
Strategie: Offene Briefe, Klebeaktionen wissenschaftlicher Poster an öffentlichen Orten (»Poster-Pastings«), Straßenblockaden und andere Formen zivilen Ungehorsams
Was ist seit Gründung passiert?
An Aktionen der Gruppe der Scientist Rebellion beteiligen sich eigenen Angaben zu Folge weltweit über 1.000 Wissenschaftler:innen aus unterschiedlichen Disziplinen. Neben eigenen Aktionen schließen sie sich hauptsächlich den Protesten und Forderungen anderer Klimaschutzorganisationen an. Gegen einige Wissenschaftler:innen gab es bereits Ermittlungsverfahren – Folgen ihres Aktivismus, die sie bewusst in Kauf nehmen.
»Selbst als über eine Million Menschen mit Fridays for Future auf der Straße standen, hat das nicht ausgereicht. Es ist ja nicht so, dass nichts anderes probiert wurde. Aber eben weil es nicht ausgereicht hat, ist es jetzt moralisch gerechtfertigt, zivilen Ungehorsam zu leisten«, sagt Leo, der Mathe und Sport studiert hat und derzeit im Bereich kognitionspsychologischer Forschung an der Universität Regensburg arbeitet. In der Vergangenheit habe er sich bereits bei anderen Klimabewegungen eingebracht, seit September 2023 sei er auch bei Scientist Rebellion aktiv.
»Ich stelle mich aus wissenschaftlichen Gründen nicht nur hinter die Forderungen, sondern auch hinter die Protestform. Denn gewaltfreier ziviler Ungehorsam ist das wirkungsvollste Mittel, das es gibt«, sagt Leo. Er bezieht sich damit unter anderem auf
Sein Antrieb, sich einzubringen, entspringt aus einer Mischung aus Enttäuschung und Hoffnung. Enttäuscht darüber, dass trotz der eindringlichen Warnungen aus der Wissenschaft bislang zu wenig passiert. Und Hoffnung darauf, dass es dennoch nicht zu spät ist, zu handeln.
Für mich ganz persönlich ist es auch eine moralische Frage. Es ist richtig, sich einzubringen. Es ist falsch, die Umweltzerstörung durch fossile Energie zu dulden oder gar aktiv mit aufrechtzuerhalten.
Hier kommst du zur Website von Scientists Rebellion international und Deutschland.
7. Letzte Generation
Gründung: 2022; hervorgegangen aus dem
Fokus: Die Forderungen der Bewegung haben sich seit Gründung immer wieder verändert. Gestartet waren sie unter anderem mit Kampagnen gegen Lebensmittelverschwendung (Essen retten, Leben retten), für ein Tempolimit und ein 9-Euro-Ticket. Aktuell stellen sie vagere, grundlegendere Forderungen in den Mittelpunkt:
- Ehrlichkeit in der Klimadebatte
- Ausstieg aus den fossilen Energieträgern bis 2030
- Einführung eines
Strategie: Mittel des zivilen Ungehorsams; Kandidatur zur Wahl des Europaparlaments
Was ist seit Gründung passiert?
Die Aktivist:innen der Letzten Generation (eigentlich: Letzte Generation vor den Kipppunkten) haben sich den Spitznamen »Klimakleber« eingehandelt und innerhalb kürzester Zeit große Wellen geschlagen. Das lag an medienwirksamen Protesten wie den Farbattacken auf Privatjets, Luxusmodegeschäfte oder das Brandenburger Tor und vor allem den Blockaden, bei denen sie sich auf Straßen festklebten und so der Verkehr nicht mehr durchkam.
Ende vergangenen Jahres kündigten sie dann an,
Simon Lachner ist Sprecher bei der Letzten Generation. Seit er sein Studium der Elektrotechnik abgeschlossen hat, konzentriert er sich vollkommen auf den Klima-Aktivismus. Er war bereits mehrfach in Polizeigewahrsam und stand für seinen Aktivismus vor Gericht. Dass er und viele andere Strafverfolgung aushalten müssten, damit hätten sie sich abgefunden und das sei auch nicht der Grund gewesen für den Strategiewechsel, erklärt er: »Die zugrunde liegende Frage ist, wie kommen wir inhaltlich weiter? Damit sich mehr Menschen hinter unsere Forderungen stellen und der Druck auf die Politik größer wird?« Weil man mit der alten Strategie nicht weitergekommen sei, versuche man nun eben etwas Neues.
Die Ungehorsamen Versammlungen, wie die Letzte Generation sie nennt, spielen sich nach wie vor an zentralen Orten und Straßen ab. Dort machen sie Musik, halten Reden, sitzen auch auf dem Asphalt. »Eine Versammlung will aufrütteln, Debatten auslösen. Deswegen muss sie sichtbar sein und laut. Auch wenn es leider manchmal stört«, sagt Simon Lachner.
Das Schöne an den Ungehorsamen Versammlungen sei, dass sie viel niedrigschwelliger und weniger konfrontativ seien, als sich in einer Reihe direkt vor Autos anzukleben. Der ungehorsame Moment bestehe darin, stehen oder sitzen zu bleiben, auch wenn die Polizei die Demonstrant:innen auffordere, die Straße zu räumen. Aber jede:r könne die Situation auch jederzeit verlassen und nur so lange bleiben, wie sie oder er sich wohlfühle.
Warum ich das alles mache? Zum einen aus egoistischen Gründen. Ich bin erst 26, würde gern noch ein paar Jahrzehnte auf diesem Planeten leben und für ein Leben in einigermaßen gesitteter Ordnung geht gerade die Grundlage verloren. Und weil ich es einfach ungerecht finde, dass wir in Kauf nehmen, dass die Lebensgrundlagen von Milliarden Menschen kaputtgemacht werden, nur weil ein paar Leute im Hier und Jetzt noch ein paar Milliarden scheffeln wollen. Deshalb versuche ich so laut, so sichtbar, so viel Debatten kreierenden Protest zu üben, wie es nur geht – und solange es sinnvoll ist. Denn irgendwann ist es zu spät.
Hier kommst du zur Website der Letzten Generation.
Du willst mehr darüber wissen, ob und wann ziviler Ungehorsam legitim ist? In diesem Artikel unternimmt Katharina Wiegmann einen Ausflug in die Geschichte dieses politischen Instruments:
Titelbild: Extinction Rebellion public press pool - copyright