Woran ich auf meiner Suche nach legalem Gras gescheitert bin
Wie legal ist Marihuana nun wirklich? Und wo bekomme ich es her: Selbst anbauen, Club oder Rezept? Ich wollte es genau wissen und habe dabei viele Probleme entdeckt.
Die Cannabis-Legalisierung hat mich kalt erwischt. Eigentlich hatte ich mit dem Thema »Kiffen« schon vor gut 15 Jahren abgeschlossen. Eine andere grüne Pflanze stand höher im Kurs, auch weil sie viel einfacher zu beschaffen war:
Doch jetzt ist auf einmal erlaubt, was Zeit meines Lebens verboten war. Eine kleine Sensation. Ich beschloss, zumindest einmal einen legalen Joint zu qualmen.
Zwischen mir und dem Gras stand nur noch eine Frage: Wie bekomme ich es? Mein Ziel: Einen ganz legalen Joint im Garten zu rauchen, ohne Grauzonen, ohne Verbotenes, wenn die Kinder bei der Oma sind.
Diese Idee stand am Anfang meiner Recherchereise, die merkwürdige Wendungen und große Enttäuschungen mit sich bringen sollte. Davon möchte ich hier erzählen.
Schritt 1: Hurra, der Anbau zu Hause ist erlaubt. Ist er doch?
Direkt zu Beginn möchte ich klarstellen: Hier geht es nicht um eine Bagatellisierung von Cannabis. »Nur weil Alkohol gefährlich ist, ist Cannabis kein Brokkoli«, sagte ja schon die frühere Drogenbeauftragte der Bundesregierung
Um Fragen zu Sucht, Risiken und Gesundheit geht es in diesem Artikel von Lara Malberger und Dirk Walbrühl:
Ich möchte wissen, wie
Das Gesetz erlaubt ausdrücklich den Anbau von Cannabis für den Eigenbedarf. 3 Pflanzen darf jede:r parallel großziehen und maximal 50 Gramm zu Hause bunkern. Das klingt nach ganz schön viel für ein Rauschmittel, das in Gramm-Einheiten verkauft wird. Ich habe einen Garten, in dem ich das Cannabis anbauen möchte, neben Zucchini, Tomaten, Brokkoli und Johannisbeeren. Vielfalt zählt, deswegen auch Gras statt Rasen.
Meine Reise beginnt im Internet. Anders geht es bisher nicht. Auch wenn der Privatanbau erlaubt ist, dürfen Samen in Deutschland nicht erzeugt werden. Bedeutet: Man kann sie in Deutschland wohl grundsätzlich in einem Geschäft verkaufen, sie müssen aber in jedem Fall vorher aus dem EU-Ausland importiert werden. Rechtsanwalt Konstantin Grubwinkler, der sich viel mit Regelungen zu Drogen beschäftigt, sagt auf seinem Youtube-Kanal, das Gesetz enthalte kein Verbot,
Samen kaufen und los geht’s! Oder?
Ich habe keine Ahnung, ob schon Geschäfte bei mir in der Nähe Samen verkaufen. Sie im Internet zu bestellen, erscheint mir die kleinere Hürde. Ich tippe »Cannabissamen« in die Suchmaschine und schon entfaltet sich vor meinen Augen eine neue Welt. Sensi Seeds, Royal Queen Seeds, Barney’s Farm heißen einige der Shops. Wo bestelle ich? Und vor allem, was? Der Gärtner in mir möchte natürlich zuerst die Fragen der Pflanzenaufzucht klären: Welche Sorte wächst eigentlich unter den klimatischen Bedingungen in Deutschland gut?
Tatsächlich gibt es Varianten, die für das mitteleuropäische Klima besser geeignet sind als andere. Außerdem lerne ich, dass die Samen feminisiert sein müssen, also nur weibliche Pflanzen aus ihnen wachsen. Denn: Von den Männern ist im Cannabisreich nichts Berauschendes zu erwarten. Außerdem ist es wichtig, dass die Pflanzen automatisch in die Blütephase übergehen, man als Anfänger:in nicht zu viel falsch machen kann.
Beim Lesen der Beschreibungen muss ich ein bisschen in mich hineinlachen. Es geht um die Wirkweise, ob man eher bedröhnt oder partytauglich wird. Auch der Geschmack wird beschrieben, Zitrus- oder Schokonoten. Gras-Sommelier dürfte sich eines Tages zu einem lohnenden Beruf entwickeln. Nicht nur Nicht-mehr-Kiffer:innen wie ich stehen vermutlich ratlos vor der Auswahl, sondern auch jene, die bisher von Dealer:innen nehmen mussten, was sie kriegen konnten – irgendwelches Gras, das irgendwie wirkt.
Ich entscheide mich für die wohlklingende Sorte »Blueberry Zkittlez Automatic«, die eher im günstigen Preissegment liegt. 3 Samen zu 18 Euro bei Sensi Seeds, einem niederländischen Unternehmen, das schon seit 1985 im Geschäft ist. Wer sonst eher Gemüsesamen bestellt, muss bei den Preisen kurz schlucken, die aber durchaus üblich sind. Porto und Verpackung kosten mehr als 8 Euro, ganz schön happig. Auch das scheint aber überall relativ ähnlich zu sein.
Grow big or go home
Der ungefähre Ertrag der Pflanzen ist jeweils angegeben. Viele Cannabissorten sollen draußen pro Lebenszyklus etwa 350 Gramm pro Quadratmeter abwerfen, was grob 100 Gramm pro Pflanze entspricht, wenn man 3 Pflanzen auf diese Fläche setzt. Cannabispflanzen kann man einmal abgrasen, aber um dahin zu kommen, dauert es wohl mindestens 3 Monate. Wer innen anbaut, kann noch mehr Ertrag pro Quadratmeter erwarten, weil die Bedingungen gleichmäßig gut sind.
Doch selbst beim niedrigeren Ertrag draußen müsste ich wohl die Hälfte der Ernte wegwerfen, wenn ich legal bleiben will. Denn laut Gesetz dürfen Eigenbedarf-Gärtner:innen die überschüssige Ernte nicht – wie bei der Zucchini-Ernte – Freund:innen mitgeben. Streng genommen darf man das Gras nicht einmal dem Ehepartner überlassen. Zu Hause können aber gleichzeitig auch nicht mehr als 50 Gramm herumliegen. Selbst das zeitlich versetzte Anbauen schützt nicht, denn schon der Ertrag einer Pflanze kann mich in die Bredouille bringen. Wer mit mehr als 50, aber weniger als 60 Gramm zu Hause erwischt wird, muss mit einem saftigen Bußgeld rechnen. Das CanG lässt Bußgelder zwischen 5 und 30.000 Euro zu. Die Bundesländer können hier Bußgeldkataloge aufstellen. Bisher hat aber nur Bayern Klarheit geschaffen:
Nun entdecke ich aber das größte Problem für mich. Im Gesetz heißt es nämlich: »Cannabis und Vermehrungsmaterial sind am Wohnsitz und am gewöhnlichen Aufenthalt durch geeignete Maßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen vor dem Zugriff durch Dritte,
Für einen Anbau innen braucht es wiederum Spezialausrüstung: Eine Growbox könnte ich zum Beispiel in einem Kellerraum einschließen. Das ist eine Art rechteckiges Zelt, in dem je nach Größe eine oder mehrere Pflanzen unter idealen Bedingungen wachsen können. Aber: Growbox, Lampe, Belüftung usw. können schnell mal an die 400 Euro kosten. Hinzu kommt noch der Ökoaspekt: Es ist doch Unsinn, Gerätschaften zu kaufen und Strom zu verbrauchen, wenn Sonne und Gartenerde den Job eigentlich einfach so erledigen könnten.
Der Ausstieg aus dem Grower-Einstieg fällt mir letztlich nicht schwer, denn die extrem hohe Nachfrage nach Samen hat den Versandhandel schier überrollt. Nach gut 4 Wochen liegen immer noch keine Samen im Briefkasten. Einmal Storno an Kasse 1, bitte!
Fazit: Will ich anbauen, brauche ich entweder ein abschließbares Gewächshaus oder eine Anlage für innen. Beides bringt Investitionen mit sich, die für einen Joint alle Jubeljahre keinen Sinn ergeben.
Schritt 2: Willkommen im nicht ganz so sozialen Social Club
Cannabis Social Club, das ist nicht der Name eines neuen Wim-Wenders-Films, sondern mein zweiter Stopp auf der Suche nach dem freigegebenen Gras. Wer die Augen im Internet offen hält, wird feststellen, dass sich gerade immer mehr Anbauvereinigungen gründen. Bis zu 500 Mitglieder dürfen die Vereine haben, sie tragen Namen wie Wubatz e. V. (Wuppertal) oder Düsselhanf, sie arbeiten nicht gewinnorientiert. Kann ich vielleicht hier irgendwo irgendwann meinen legalen Joint bekommen? Der Begriff »Anbauvereinigung« lässt schon erahnen: Hier wird nichts unkompliziert laufen. Es riecht nach Protokollen, Satzungen und Schriftführenden. Love, Peace and Kassenwart.
Ab Juli dürfen die ersten Clubs Cannabis anbauen. Das bedeutet, die trockenen Blüten gehen wahrscheinlich frühestens 3–4 Monate danach über die Theken der Vereinsheime. Wer Mitglied werden will, muss in der Regel eine Aufnahmegebühr bezahlen und einen monatlichen Beitrag –
Bevor es den ersten grünen Krümel gibt, heißt es: warten. 3 Monate Vereinsmitgliedschaft sind außerdem Pflicht, das müssen die Vereine nach Paragraf 12 des CanG für ihre Mitglieder so festlegen. Das klingt nicht nach kurzfristiger Wochenendplanung. Ich möchte genauer wissen, was es mit den Clubs auf sich hat, und rufe bei Sonja Beeker an.
Sie ist Pressesprecherin des »Dachverband Cannabis Social Clubs Deutschland« und kennt das Geschäft mit der Blüte, baut sie doch mit ihrem Partner im US-Bundestaat Maine
Derzeit müssten sich die deutschen Clubs um eine Anbaulizenz bewerben und dann auch gleich angeben, wie viel Cannabis sie anbauen wollten. Die genehmigte Menge gelte dann für ein Jahr und könne anschließend angepasst werden. Der Ansatz des Dachverbandes ist es, überall in Deutschland lokale Untervereine zu gründen, die dann etwa gemeinsam günstiger ihre Ausrüstung einkaufen können. Gleichzeitig soll der Verband für eine weitere Legalisierung lobbyieren.
In Beekers Dachverband kostet die Aufnahme 25 Euro, der Beitrag liegt bei 25 Euro pro Monat, das Geld kann mit Cannabis verrechnet werden. Bedeutet: Wenn ich einen legalen Joint rauchen möchte, kostet mich das 3 Monate des Wartens und
Wer wolle, könne sich im Verein beim Anbau engagieren, aber das sei keine Bedingung, sagt Beeker und tritt damit den Befürchtungen ausufernder Vereinsmeierei mit langen Mitgliederversammlungen und noch längeren Diskussionen entgegen.
Fazit: Das System mit den Social Clubs, in denen übrigens nicht im Sinne des sozialen Miteinanders gemeinsam Gras geraucht werden darf, ist für regelmäßige Kiffer:innen wahrscheinlich ein guter Weg, um verlässlich an legales Gras zu kommen. Eine Art solidarische Hanfwirtschaft. Für mich, der es aus nostalgischen Gründen einfach mal wieder probieren möchte, ist der Club aber eher uninteressant. Ein neues Hobby suche ich eigentlich nicht.
Schritt 3: Die Sache mit dem Rezept
Während meiner Recherche stoße ich auf die aktuell einzige Möglichkeit, sofort an legales Cannabis zu kommen – per Arzt-Rezept.
Cannabis auf Rezept war zwar auch vor der Gesetzesänderung schon erhältlich, aber die Hürden waren höher. Anwalt Konstantin Grubwinkler erklärt es auf seinem Youtube-Kanal so: »Dadurch, dass Cannabis raus ist aus dem Betäubungsmittelgesetz, braucht der Arzt nicht mehr die hohen Voraussetzungen bei der Verschreibung zu erfüllen. Das führt dazu, dass auch Telemedizin erlaubt ist.«
Und hier setzen bestimmte Online-Angebote an, die sogar auf ihrer Website offen mit Cannabis-Rezepten locken. In der Regel erheben sie eine Gebühr von etwa 5 Euro für das Rezept. Carsten Müller berichtet von seiner Erfahrung: »Man kann dann seine Beschwerden in eine Online-Maske eingeben, zum Beispiel Appetitlosigkeit oder chronische Schmerzen.« Laut Anbieter wird sich ein Arzt oder eine Ärztin melden und zur Online-Sprechstunde bitten. In Müllers Fall ist das aber nicht passiert. Das elektronische Rezept gegen seine Appetitlosigkeit war einfach irgendwann da, unterzeichnet von einem Arzt mit Anschrift in Kroatien.
Hinter diesem Online-Angebot steckt eine Ärzt:innen-Vermittlung. Das weitere Vorgehen liegt dann in der Hand der Behandelnden. Sein Privatrezept schickte Carsten Müller an die Apotheke. Nach ein paar Tagen stand ein Paketbote an der Tür. In der Sendung, die nur Volljährige annehmen dürfen:
Eine ernsthafte Frage in dieser eigentlich lustigen Geschichte: Es gibt Menschen, die wirklich auf bestimmte Cannabissorten etwa zur Schmerztherapie angewiesen sind. Sind hier Lieferengpässe zu erwarten? Christine Neubaur, Geschäftsführerin des Verbands der Cannabis versorgenden Apotheken, antwortet auf meine E-Mail-Anfrage, dass es Engpässe derzeit nur bei kleineren Apotheken gebe. »Große Apotheken sind gut bevorratet und kaufen aufgrund der höheren Patientenzahlen in einem größeren Volumen ein.« Wie es in Zukunft aussehe, müsse man aber abwarten.
Fazit: Die Online-Rezepte riechen nach Grauzone. Falschangaben von Patient:innen sind nach CanG verboten, können eine Geldstrafe oder bis zu 3 Jahre Haft nach sich ziehen. Allerdings: Schlafprobleme oder Appetitlosigkeit sind recht niedrige Hürden. Zum einen schwer zu widerlegen und zum anderen tatsächlich weit verbreitet. Trotzdem: Auch das ist für mich keine Option, mein Joint soll doch legal sein.
Auch gut einen Monat nach der Teillegalisierung muss ich festhalten: Komplett legales Cannabis gibt es nur im medizinischen Bereich. Clubs und Gärten geben noch nichts her und sind ohnehin nichts für Gelegenheitskiffer:innen. Wer den legalen Rausch möchte, muss es ernst meinen, Zeit und Geld investieren. Wer einfach nur mal etwas rauchen möchte, muss Halbwahrheiten bei der Ärztin erzählen oder illegal auf dem Schwarzmarkt einkaufen. Es ist also kompliziert.
Allerdings gibt es auch noch ein anderes Szenario: Anwalt Konstantin Grubwinkler geht davon aus, dass Gras unter Freund:innen im Schutze der eigenen 4 Wände hin und her gereicht werde, sobald die ersten Pflanzen Ertrag abwürfen. Das sei zwar illegal, aber: »Am Ende wird das niemanden interessieren. Es wird hier tatsächlich sehr wenige Verfahren geben«, sagt er in einem Video zur Teillegalisierung.
Für mich heißt es dennoch: Die grüne Welle rauscht erst mal an mir vorbei. Die Teillegalisierung entpuppt sich für Menschen wie mich auf dem Papier als keine wirkliche Veränderung im Vergleich zur Situation vor dem CanG. Damit das anders aussieht, müsste es einen kommerziellen Verkauf auch kleiner Mengen geben. Das ist laut einem Eckpunktepapier in regionalen Modellprojekten auch geplant. Wann es dazu kommt, ist aber noch unklar. Diese Projekte sollen dann 5 Jahre lang Erkenntnisse bringen, die vielleicht andere EU-Länder überzeugen, einen gemeinsamen Vorstoß zu starten, der zu einer vollständigen Legalisierung führt. Bis dahin heißt es für mich also: abwarten und weiter lieber Hopfenerzeugnisse konsumieren. Oder eben den oben erwähnten, viel gesünderen Brokkoli genießen.
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily