Ich war dabei, als 150 Menschen Lösungen gegen den Hass gefunden haben. Warum redet niemand darüber?
Menschen aus 27 Ländern beraten 9 Tage lang über ein Problem: den wachsenden Hass in der EU. Und sie haben Ergebnisse. Vielleicht sind diese Bürgerräte das Beste, was der EU-Politik passieren kann.
Samantha ist eine 27-jährige Portugiesin. Sie arbeitet mit Migrant:innen und lebt in einer kleinen Stadt im Norden Portugals, die sie in- und auswendig kennt. Die EU ist für Samantha sehr weit weg – irgendwas aus dem Fernsehen.
Eines Tages klingelt ihr Telefon, eine Nummer aus Paris. Dort kennt sie niemanden. Zögerlich nimmt sie ab: »Hallo, ich spreche im Auftrag der Europäischen Kommission. Haben Sie Interesse, bei einem Bürgerrat mitzumachen und dafür nach Brüssel zu fahren?«
Für einen Moment denkt sie an einen Scherz oder Betrugsversuch – doch der Anruf ist echt!
Samantha ist zum jüngsten »European Citizens’ Panel« eingeladen: ein großer europäischer Bürgerrat zu einem brandaktuellen Thema unserer Zeit. Dieses Mal lautet das Motto: »Tackling hatred in society« (deutsch: den Hass in der Gesellschaft bewältigen), Samantha ist eine der 150 Personen aus allen 27 EU-Ländern, die mitmachen. Zusammen sollen sie bezüglich Alter, Geschlecht, Bildungshintergrund und Mitgliedstaaten eine Vielfalt an Ansichten und damit die Demografie der Europäischen Union repräsentieren. Die Chance, diesen Telefonanruf zu bekommen, so realisiert Samantha langsam,
Einige Tage zögert sie. Sie hat ihr Heimatland bis zu diesem Zeitpunkt noch nie in ihrem Leben verlassen und leidet an einer Angststörung. Dann fasst sie mit gutem Zureden ihrer Familie allen Mut zusammen und willigt ein. Fahrt und Übernachtungen werden für sie organisiert und bezahlt, im Koffer hat sie nur das Nötigste.
Ein paar Wochen nach dem Anruf kommt sie in Brüssel an, im Zentrum der europäischen Demokratie, das manche Menschen für einen elitären Elfenbeinturm halten. Die »Ferne der EU« ist längst zu einem Hauptangriffspunkt von Populist:innen geworden – die in Brüssel zu gern das »bürokratische Böse« sehen wollen.
Doch genau dieser angebliche Elfenbeinturm öffnet nun zum fünften Mal seine Pforten für ganz gewöhnliche Leute und möchte von ihnen ihre Meinung hören und ihre Perspektiven einholen – so auch von Samantha.
An 3 langen Wochenenden im
Und sie fanden tatsächlich Antworten darauf.
Im Herzen der europäischen Demokratie
Brüssel ist kein unerreichbarer Elfenbeinturm, sondern erst mal eine Stadt, einen Nachmittag im Flugzeug von Portugal entfernt. Zwischen den großen Glasfassaden auf Brüssels Rue de la Loi, umgeben von Kongressgebäuden, Plenarsälen und Hotels, frequentiert von Abgeordneten und anderen Personen in Anzügen oder Hosenröcken, fühle auch ich mich zwangsläufig im Herzen der europäischen Demokratie.
Es ist Freitagmorgen und bei den Teilnehmenden mischt sich Müdigkeit von der Reise mit Aufregung. Im Charlemagne-Gebäude angekommen,
Draußen in der Stadt ist zwar gerade Gay Pride, eine der unterhaltsamsten Partys des Jahres, aber wir arbeiten hier an wichtiger Politik. Danke, dass sie alle hier sind.
Als wir Journalist:innen an diesem Tag dazustoßen, kennt man sich schon seit einigen Wochen. Die Stimmung ist durchweg positiv. Wir sind eingeladen worden, um zu berichten – nicht um uns in Prozesse einzumischen und Meinungen zu beeinflussen. Dafür gibt es sogar einen Verhaltenskodex samt Unterschrift.
3 Tage am Stück arbeiten die 150 Bürger:innen in kleineren Gruppen zusammen. Die jüngste Teilnehmerin, die Französin Camillie, ist gerade erst 16 geworden. Die ältesten Teilnehmer:innen sind über 70. Eine
Viele Bürger:innen eint das Gefühl von Dringlichkeit bei diesem Thema. Man diskutiert zwischen den Workshops lebhaft auf den Fluren. Ilona, eine Geschäftsfrau aus Rumänien,
Es hat ja nicht erst mit dem Krieg in der Ukraine angefangen. Es war die Pandemie davor, die Wirtschaft davor, das Gefühl der Menschen, von einer Krise in die nächste zu stolpern. Da hat sich viel Frust aufgestaut. Und in unserem kleinen Land fühlen wir uns oft übersehen von der großen Politik. Das ist vielleicht auch ein Auslöser.
Ein Influencer aus Bulgarien weiß: »Unterschiedliche Länder haben eigene Probleme damit. In Bulgarien etwa existiert viel Hatespeech gegen Gehörlose und andere Menschen mit Behinderungen. Das muss aufhören.« Eine Rentnerin aus Spanien fügt hinzu: »Bei uns sind die schutzbedürftigsten Personen, die viel Hassrede erfahren, die Migrant:innen – vor allem Frauen. Dann gibt es noch Obdachlose. Wir haben wenig Sozialarbeitende, die da helfen können.«
Viele erfahren vor Ort, wie sich die Probleme, mit denen die ganze EU hadert, in anderen Ländern äußern. Gemeinsam identifizieren sie Ursachen und diskutieren mögliche Lösungsansätze. Man rückt dabei auch menschlich zusammen: Eine Rumänin hat Geburtstag und die Anwesenden singen ihr ein Ständchen in 5 Sprachen.
Während der Beratungen stehen
Wir laden viele Personen mit sehr unterschiedlichem Hintergrund ein. Denn es geht ja gerade darum, Europas Perspektiven abzubilden. Wir hatten zuletzt sogar eine Frau hier, die mit 9 Jahren die Schule verlassen hat und kaum lesen konnte. Am Anfang kam sie zu mir und sagte: ›Ich bin hier falsch!‹ Wir konnten ihr dann helfen, trotzdem am Prozess teilzunehmen. Sie hat es sich dann zur Mission gemacht, dass alles für möglichst viele Menschen verständlich ist.
Fragen gibt es viele.
Ida, eine junge Französin, will etwa wissen: »Gibt es wirklich keine Definition von illegaler Hassrede, die in der ganzen EU angewendet wird?« Kurz darauf öffnen sich die Türen des Arbeitsraumes und 2 Expert:innen erscheinen und antworten:
Da gibt es viele Unterschiede zwischen Mitgliedstaaten. Es gibt zumindest eine Definition aus dem Jahr 2008. Da geht es um öffentliche Anstachelung zu Hass aus Gründen der Diskriminierung, etwa von Personen mit ethnischer Herkunft. […] Seitdem hat sich einiges getan. 2020 hat die Kommission einen Text erstellt, mit dem Hassrede als Straftat eingestuft wird. Darüber wird aber noch verhandelt.
Manchmal gerät diese Wissensvermittlung aber an ihr Limit, wenn Menschen bestimmten Fakten aus Überzeugung eher ablehnend gegenüberstehen. Dann trifft man auf die üblichen Vorurteile und gefühlten Wahrheiten, wie
Das passiere ab und zu, erklären die Expert:innen, als ich nachfrage, doch auch dies werde in den Arbeitsgruppen ausdiskutiert. Dort kommt es ab und an zu Meinungsverschiedenheiten, insgesamt bleiben die Gespräche aber stets höflich und respektvoll. Immerhin sitzen alle 150 Teilnehmenden im selben Boot: Sie teilen dieselbe Erfahrung in Brüssel, spüren, dass ihre Perspektiven ernst genommen werden – auch EU-kritische –, lernen dazu und wachsen gemeinsam an der Herausforderung.
Wie Bürger:innen entscheiden, wenn man sie fragt
Es ist Samstagmittag. Während in Brüssel die bunte Gay Pride loszieht, sitzen die 150 Teilnehmenden des European Citizens’ Panels in grauen Räumen zusammen und stellen sich den Herausforderungen dieser Zeit sowie kniffligen Detailfragen. Dabei geht es mitunter recht bürokratisch, aber auch gut organisiert zu: Meldeknöpfe, Raumpläne und Whiteboards prägen den Ablauf. Glöckchen läuten zu bestimmten Panels – wie in der Schule. Gruppenleitende fassen die Meldungen zusammen und halten immer wieder Abstimmungen ab.
Dazwischen gibt es Häppchen – und vor allem viel Kaffee. Und wir Journalist:innen haben Gelegenheit, mit den Teilnehmenden zu sprechen. Ich merke deutlich: Die Menschen fühlen sich vor allem als Teil eines Prozesses. Vor einem Tisch mit Mini-Rote-Bete-Burgern treffe ich eine Kölnerin mit arabisch-türkischem Hintergrund. »Ich freue mich sehr, wieder hier zu sein. Man hat das Gefühl, Teil von etwas Wichtigem zu sein«, sagt sie.
Thomas, ein junger Informatikstudent aus Polen, setzt große Hoffnungen auf das Ergebnis: »Ich bin über 1.000 Kilometer hierher gereist mit dem Gefühl, dass man hier etwas verändern kann. Ich weiß nicht, ob es ein gutes Ergebnis geben wird, aber wir müssen es versuchen.« »Ich glaube daran, dass am Ende etwas steht, was die Politik besser machen kann«, sagt David, ein Musiker aus Belgien.
Überschattet sind die 3 Tage vom Attentat auf Regierungschef Robert Fico in der Slowakei. Eine Handvoll Slowak:innen sind anwesend – sie sind bedrückt und doch auch kämpferisch.
Katarina, eine slowakische Studierende, erzählt: »Diese Hassverbrechen zeigen noch mal deutlich, wie dringend es ist, dieses Thema anzugehen und Lösungen zu finden.«
In gewisser Weise schweißen die Ereignisse in der Slowakei auch zusammen – selbst wenn es in manchen Gruppen gegensätzliche Perspektiven, Provokatives und auch Kritik am Bürgerrat
Alle sind sich dennoch einig, dass Demokratie eben heißt, unterschiedliche Meinungen auszuhalten und zu diskutieren – aber friedlich. Genau das passiert an diesen Tagen in Brüssel.
Dabei gibt es einige Vielredner:innen, manche eher schweigende Zuhörer:innen und manche, die eher kritische Gedanken einbringen.
»Menschen sollen nicht diskriminiert werden. Doch man kann ja nicht auf lokaler Ebene deshalb eine Überwachung installieren!« – Thomas, ein Rentner aus Frankreich
Viele merken: Antworten auf diese Herausforderungen zu finden, ist gar nicht so leicht.
Die Sprecher:innen der Arbeitsgruppen organisieren sich außerhalb der Panels zu eigenen Diskussionsrunden und feilen an Formulierungen. Am Ende haben sie 21 Lösungsansätze
Das an sich ist beeindruckend. Durch viele Vorschläge und ihre Begründungen zieht sich die Ansicht, dass Hass heutzutage vor allem durch Onlineplattformen getrieben wird und der Kampf gegen Hass bei diesen und der Jugendarbeit ansetzen muss.
Eine öffentliche Kampagne gegen Hass
Diese soll von der EU gesteuert werden. Ziel der Kampagne ist es dann, für Hass zu sensibilisieren und bestehende Maßnahmen und Anlaufstellen zu dessen Bekämpfung bekannter zu machen. Diese Kampagne könnte zum Beispiel Plakatwände, Sensibilisierungsvideos im Kino oder bei Sportveranstaltungen sowie Beiträge von bekannten Influencer:innen umfassen.
Schaffung einer EU-weiten Plattform zum Thema Hass
Sie soll Informationen, Ressourcen, Maßnahmen und Unterstützungssysteme zum Thema Hass vereinen und vor allem leicht zu navigieren und kostenlos in allen EU-Sprachen verfügbar sein. Dazu soll ein einheitliches Verfahren für die Meldung von Hassdelikten in allen EU-Mitgliedstaaten entwickelt werden, was Teil dieser Plattform sein könnte.
EU-Karte für sicheres Surfen
Dies soll eine Art Ausweis für Kinder ab 8 Jahren sein, vergleichbar mit dem Fahrradführerschein in vielen EU-Ländern. An einen Schulungskurs gebunden, sollen die Kinder damit die Fähigkeiten erwerben, die sie brauchen, um selbstständig und sicher im Internet zu surfen und mit hasserfüllten Inhalten im Internet umzugehen. Die Ausbilder der Kurse sollen aus zivilgesellschaftlichen Organisationen stammen und von der EU finanziell dafür unterstützt werden. In dem Rahmen könnte man auch die bestehenden Kurse zum Training für Toleranz bekannter machen.
Bildungsangebote zu gewaltfreier Kommunikation
Kurzfristig sollen Leitlinien für gewaltfreie Kommunikation erstellt werden, die auf Bildungsmaterialien für Jugendliche und Erwachsene zugeschnitten sind. Mittelfristig sollen die Schulen im EU-Raum Bildungsmöglichkeiten für Eltern zur gewaltfreien Kommunikation anbieten.
Mehr Transparenz und Unabhängigkeit der Medien
Die EU sollte von Medien verlangen, dass sie mit unabhängigen Fact-Checking-Organisationen zusammenarbeiten, ihre Finanzierungsquellen transparent darlegen, die Bürger:innen verstärkt ermutigen, die Informationen, die sie erhalten, selbst zu überprüfen. Ein interessanter Unterpunkt des Vorschlags ist eine rechtliche Begrenzung der Anzahl der Medienkanäle, die eine Person oder ein Unternehmen besitzen kann.
Einrichtung eines Identitätsauthentifizierungssystems im Netz
Dieses System soll die zur Identifizierung einer Person erforderlichen Mindestinformationen bereitstellen und für Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stehen. Damit könnten Urheber von Hassrede einfacher identifiziert und verfolgt werden. Dazu sollten die wichtigsten Social-Media-Plattformen zur Kooperation verpflichtet werden. In einem weiteren Schritt sollen die EU-Mitgliedstaaten das System auf EU-Ebene synchronisieren.
Eine europaweite Definition von illegaler Hassrede
Eine neue, umfassende Definition ist entscheidend dafür, dass die Verbreitung illegaler Hassreden in allen EU-Mitgliedstaaten als Straftat verfolgt werden kann. Durch die Aufnahme von Hassreden in die Liste der EU-Verbrechen können wir marginalisierte Gemeinschaften schützen und die Menschenwürde wahren.
Entwicklung eines KI-Tools gegen Hassrede
Das KI-Tool soll Beiträge vor der Veröffentlichung auf Hassrede überprüfen und eventuelle Beiträge zurückhalten, sodass sie innerhalb von 24 Stunden von einem menschlichen Moderator überprüft werden. Nur Beiträge, die unter die Redefreiheit fallen, sollen freigegeben werden. Beiträge mit illegaler Hassrede werden automatisch an Behörden zur Strafverfolgung weitergeleitet und anschließend gelöscht.
Diversifizierung von Online-Inhalten
Medienplattformen wie Youtube sollen dazu verpflichtet werden, die Algorithmen dazu einzusetzen, Echokammern entgegenzuwirken und zu politischen Themen stets auch einige Beiträge mit gegenteiliger Meinung anzuzeigen.
Nationales Büro zur Bekämpfung des Hasses in den Mitgliedstaaten
Erstens soll das Büro dafür zuständig sein, Opfern von Hassverbrechen im Mitgliedstaat rechtliche und psychologische Unterstützung zu bieten, wobei es eng mit NRO und einem Bürgerausschuss zusammenarbeitet. Zweitens soll das Büro eng mit der Hochrangigen Gruppe der EU zur Bekämpfung von Hassreden und Hasskriminalität oder ähnlichem zusammenarbeiten, um die Umsetzung von Verhaltenskodizes für Unternehmen, Organisationen und Politiker sicherzustellen.
Was davon bleibt, ist entscheidend
Es ist Sonntagnachmittag. Vor der Abreise sind etliche Teilnehmende wehmütig. Viele haben sich digital verbunden, Kontaktdaten ausgetauscht. Eine Arbeitsgruppe will sich kommendes Jahr privat wieder treffen, irgendwo im Balkan.
»Ich bin dem dankbar, der meine Telefonnummer gewählt hat.« – Ein spanischer Rentner
Doch am Ende bleiben viele Fragen offen: Wie definiert man Hass besser? In welchem Verhältnis ist Hass als Phänomen heutzutage von rechts oder links getrieben? Lassen sich überhaupt subtile Hassbotschaften abstrafen, ohne die Meinungsfreiheit einzuschränken? Auf diese Fragen hat das European Citizens’ Panel keine Antwort – doch vielleicht muss es das auch gar nicht. Solche Anliegen/Dilemmata wird die Europäische Kommission weiterdiskutieren müssen.
Dort ist man froh über das konstruktive Ergebnis, aber auch nachdenklich geworden. Colin Scicluna von der Europäischen Kommission ist überzeugt davon, dass European Citizens’ Panels fester und regelmäßiger Bestandteil des EU-Gesetzfindungsprozesses werden könnten. Im besten Fall sind sie ein weiterer Schritt der Transformation der Europäischen Kommission hin zu mehr Bürgernähe.
Die Methodik stimmt schon mal, davon ist Scicluna überzeugt:
Es ist ein Weg für uns, näher an den Bürger:innen zu sein. […] Es ist ein politisches, aber auch ein menschliches Event. Aber man lädt nicht einfach Menschen aus der EU ein, um über Politik zu reden, und es funktioniert. Alles, was wir tun, basiert auf Erkenntnissen der Politikwissenschaft.
Dass es da auch Widerstände innerhalb der Kommission geben könnte, dürfte klar sein. Denn European Citizens’ Panels sind nämlich vor allem eines: noch recht neu.
Scicluna hofft, dass die Menschen, die an diesen Bürgerräten teilnehmen, zu Botschafter:innen des europäischen Geists werden. »Es geht nicht nur um europäische Teilhabe – sondern auch um europäische Identität«, sagt er. Und tatsächlich: die meisten der Anwesenden – auch ich – spüren in Brüssel das Gefühl, Teil von Europa zu sein.
Alle reden davon, zur Europäischen Union zu gehören, aber ich glaube nicht, dass ich jemals dieses Gefühl der echten Zugehörigkeit hatte, bis ich dort ankam und diese Erfahrung begann. Die Teilnahme an diesen Panels gab mir ein echtes Zugehörigkeitsgefühl! Es gab uns allen, die wir da waren, das Gefühl, dass wir wirklich eine Gemeinschaft sind und alle auf die gleiche Zukunft hinarbeiten.
Bei so viel Engagement und Enthusiasmus ist es sehr schwierig, zynisch zu sein und an einen ignoranten Elfenbeinturm zu glauben. Doch damit sich diese Überzeugung verbreitet, braucht die EU 3 Zutaten, wie mir an diesem Wochenende klar wird:
- Mehr Medienaufmerksamkeit: Für alle Überzeugungsarbeit braucht es mehr Informationen über das, was in Brüssel passiert. Viele Teilnehmende und auch Colin Scicluna wunderten sich darüber, dass das bisher nicht der Fall ist. »Ich habe zu diesem Bürgerrat gegoogelt und da war nichts«, ärgert sich eine deutsche Teilnehmerin. Auch ich wundere mich: Für die Berichterstattung sind nur 40 Medienpersonen anwesend – aus 27 Ländern! Zwischen Instagram-Influencer:innen, Podcaster:innen, Social-Media-Sternchen für Gen Z und Blogger:innen fehlen auffällig traditionelle Journalist:innen aus großen Medienhäusern. Aus Deutschland ist neben mir nur ein freier Radiomoderator da – obwohl es angeblich genug Einladungen gab.
- Hohe Transparenz: Viele der 150 Bürger:innen wollen genau wissen, was mit ihrem Output weiter passiert. »Ich kann Ihnen versichern, dass dies einen direkten Einfluss auf die Gesetzgebung der EU hat«, verspricht Colin Scicluna für die
- Mehr Partizipation: 150 Teilnehmende sind eine sehr kleine Gruppe im Vergleich zu den 448 Millionen Bürger:innen der EU. Kann man da wirklich von Repräsentation sprechen? Um mehr Menschen mitzunehmen, hat die Europäische Kommission eine eigene Plattform für Bürgerbeteiligung geschaffen. Hier könnten alle Bürger:innen teilnehmen und ihre Meinung einbringen – auch du. Allerdings wird diese bisher noch wenig genutzt. Zum aktuellen Panel gab es am Ende des Bürgerrats nur 113 (!) Beiträge. Die Plattform zu verbessern und weiter bekannt zu machen, ist eine Herausforderung für die Zukunft der Citizens’ Panels.
Wie das alles Samantha gefallen hat und was sie daraus mitnimmt? Das hat sie mir im Nachgang in einem kleinen Interview erzählt. Du kannst es hier lesen:
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