Was, wenn die AfD Macht erlangt?
Die schlechte Nachricht: Sie muss nicht einmal regieren, um den Rechtsstaat in ihrem Sinne zu verändern. Die gute: Prävention ist möglich. Das »Thüringen-Projekt« zeigt, wie diese aussehen könnte.
Sachsen, Brandenburg, Thüringen. In diesen 3 ostdeutschen Bundesländern wird im Herbst eine neue Regierung gewählt – und in allen liegt die AfD aktuell
Zeit, sich die Frage zu stellen: Was wäre, wenn? Wenn die AfD tatsächlich Regierungsmacht erlangt oder künftig die stärkste Fraktion in einem der Landtage stellt?
In Ungarn, Polen und anderen Ländern haben autoritär-populistische Parteien an der Regierung gezeigt, wie sich Demokratie und Rechtsstaat aushöhlen lassen. Nicht mit einem radikalen Umsturz, sondern ganz legal, Schritt für Schritt.
Auf solche Szenarien müssen wir uns auch in Deutschland vorbereiten, dachte sich ein Team von Jurist:innen und startete das »Thüringen-Projekt«.
Am Beispiel Thüringen haben sie erforscht, welche Spielräume eine
Juliana Talg ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Thüringen-Projekt und erklärt im Interview, was ein resilientes System ausmacht, warum Volksbefragungen nicht immer eine gute Idee sind und wer am Ende wirklich die Demokratie retten kann.
Das funktioniert vor allem dann, wenn die Regierungspartei im Parlament die absolute Mehrheit hat. Nach den aktuellen Umfragen ist es nicht wahrscheinlich, dass die AfD Regierungsverantwortung bekommt, weil sie dafür ja entweder diese absolute Mehrheit oder einen Koalitionspartner bräuchte. Den Rechtsstaat könnte sie dennoch beschädigen.
Es ist wichtig, dass es Institutionen gibt, die eine ausgewogene Machtverteilung und Gewaltenteilung garantieren; die dafür sorgen, dass der Rechtsstaat funktioniert und die Justiz unabhängig ist. In einem demokratischen Rechtsstaat kann man das allerdings nie zu 100% gewährleisten.
Die Kehrseite solcher erhöhten Mehrheitserfordernisse ist die sogenannte Sperrminorität. Wenn für bestimmte wichtige Entscheidungen eine 2/3-Mehrheit erforderlich ist, heißt das auch, dass sie nicht mehr getroffen werden kann, wenn eine Minderheit von etwas mehr als 1/3 der Stimmen dagegen ist.
Erreicht eine autoritär-populistische Partei eine solche Sperrminorität, kann sie also bereits aus einer Minderheitsposition heraus sehr viel Macht ausüben, indem sie Entscheidungen blockiert und damit den Betrieb lahmlegt. Oder diese Blockademöglichkeit als Druck- und Erpressungsmittel einsetzt, um an anderer Stelle eigene Positionen durchzusetzen.
Bei der Wahl von Verfassungsrichterinnen und -richtern halten wir es dagegen für sinnvoll, einen Ersatzwahlmechanismus einzuführen,
Mit Illustrationen von Claudia Wieczorek für Perspective Daily