Schlaf doch, wie du willst!
»Ich brauche meine Matratze ganz für mich allein!« oder: Dürfen Partner:in und Kinder mit in dein Bett? Was du noch nicht über deine Nachtruhe wusstest.
Sobald ich irgendwo erzähle, dass ich von Beruf Schlafforscherin bin, wollen Menschen meist nur noch über das Eine reden: die perfekte Nachtruhe. Dabei stoße ich immer wieder auf dieselben festgefahrenen Annahmen, verpackt als gut gemeinte Ratschläge. Es geht etwa um das richtige Essen vor dem Schlafen (»Abends esse ich nichts Fettiges, um besser zu schlafen«), die optimale Schlafdauer (»Ich kenne jemanden, der braucht nur 5 Stunden pro Nacht und ist morgens trotzdem fit«) oder um das perfekte Zu-Bett-geh-Ritual (»Ich wurde als Kind immer mit dem Auto um den Block gefahren, um einzuschlafen«).
Diese 2 Ratschläge höre ich dabei besonders häufig:
- Auf jeden Fall allein! Das Kind sollte nicht im Elternbett schlafen, denn dadurch würde es nie zu einem selbstständigen Menschen.
- Auf keinen Fall allein! Getrennte Betten für mich und meine:n Partner:in? Das sei ein sicheres Zeichen einer kaputten Beziehung.
Während Kinder sich allein herumwälzen müssen, sollen Paare nachts gemeinsam nebeneinander liegen. Das passt nicht zusammen und macht mich stutzig. Als Wissenschaftlerin will ich es genau wissen: Woher kommen diese tief sitzenden Annahmen? Was sagen Studien dazu? Und haben viele Deutsche am Ende vielleicht ganz falsche Vorstellungen vom Schlafen?
Der Streit um das Familienbett
Bei den Kleinsten unserer Gesellschaft sind die Ratschläge um das »richtige Schlafen« am resolutesten. Der Trend in Deutschland scheint dabei klar:
Doch ein Blick über den Tellerrand auf andere Länder zeigt: Deutschland nimmt mit dem strikten Alleinschlafen von Kindern eine Sonderstellung ein. Der Anthropologe John Whiting hat die Schlafkonstellationen
Nur in Westeuropa und in den USA schlafen die Kinder räumlich getrennt von den
1. Ab ins eigene Bett: Die erste Gruppe erwartet von Kindern, dass sie mit einem halben Jahr in der Lage sind, allein einzuschlafen,
- Gemeinsam schlafen nimmt Babys die Chance, ihre Fähigkeit zu entwickeln, ihre Emotionen zu regulieren,
- Kinder, die mit etwa 4 Jahren noch im Elternbett schlafen, gewöhnen sich daran und wollen auch später noch vermehrt zu den Eltern ins Bett, wie eine
- Die Beziehung der Eltern könnte darunter leiden, dass weniger Zeit für
2. Ins Elternbett: In der zweiten Gruppe von Ratgebern findet sich die Überzeugung, Kinder sollten auch nachts genug körperliche Nähe bekommen. Die Grundannahme hierbei ist, dass kleine Kinder nicht wie Erwachsene selbst für Sicherheit sorgen können und deshalb auf die Gesellschaft eines vertrauten Erwachsenen angewiesen sind. Auch für dieses
- Mütter erhalten insgesamt mehr Schlaf pro Tag,
- Unter Co-Sleeping praktizierenden Familien ist auch das Stillen öfter vertreten. Durch das Stillen im Bett ist bei Müttern und deren Partner:innen trotz häufigerem Aufwachen die Gesamtschlafzeit insgesamt höher als mit flaschengefütterten Babys.
- Kinder, die nie mit im Elternbett schlafen durften, zeigten später mehr Ängstlichkeit, weniger Zufriedenheit und weniger Fähigkeiten,
Dabei halten sich in Ratgebern hartnäckig Missverständnisse über die aktuelle Forschungslage. So besteht
Aber was ist denn nun richtig?
Das lässt sich nicht einfach beantworten. Denn insgesamt ist die Studienlage äußerst unklar.
Warum sollten erwachsene Paare nicht auch gut allein schlafen?
Das entspannte Schlafen ist bei vielen Paaren nicht gegeben: Der eine schnarcht, die andere ist zu warm, eine:r nimmt sich zu viel Decke oder rückt im Tiefschlaf zu nah heran. Es gibt viele Gründe, warum eine andere Person im Bett den Schlaf stören kann. Das spiegelt sich auch in Zahlen wider:
Forschungen dazu, wie viele deutsche Paare tatsächlich meist gemeinsam schlafen, gibt es bisher kaum. Die wenigen aktuellen Umfragen deuten darauf hin, dass rund 60% der Paare regelmäßig zusammen das Bett teilen und nur 30% immer getrennt schlafen. – Das Statistische Bundesamt über Paarschlaf (2016)
Trotzdem kommt das Alleinschlafen scheinbar kaum jemandem in den Sinn. Das liegt wohl auch an Artikeln in diversen Medien wie:
Auch hier hilft ein Blick über den Tellerrand, um die heutigen Annahmen in Deutschland über guten Paarschlaf herauszufordern: Anthropologische Studien fanden heraus, dass es beispielsweise in Stammeskulturen völlig normal ist,
Der kleine Exkurs soll vor allem eines verdeutlichen: Was als »normale« Schlafgewohnheit gilt, wandelt sich und ist stark geprägt von wirtschaftlichen Umständen, kulturellen Vorstellungen und Idealen der jeweiligen Zeit.
Nächtliche Geschlechterverhältnisse
Wenn viele Paare heute beieinander schlafen, sagt dies also mehr über unsere projizierten Ideale einer Paarbeziehung aus (und sicher auch über die in Hollywood geprägten Bilder davon) als über optimale Bettkonstellationen.
Doch die Forschung schläft nicht. Das wissen wir heute über die Nachtgewohnheiten von Paaren:
- Frauen und Männern tut nicht dasselbe gut: Zur Frage, welche der Schlafkonstellationen die erholsamere ist, machten Forscher:innen der Universität Wien eine überraschende Beobachtung: Sie befragten heterosexuelle Paare, die über einen Zeitraum von 28 Nächten mindestens 10-mal in einem Bett und mindestens 10-mal in getrennten Zimmern schliefen, nach ihrer Schlafqualität. Zusätzlich zum allmorgendlichen Fragebogen wurden die Schlafzeiten durch einen Aktigrafen erfasst, einen Bewegungssensor am Handgelenk. Beide Messwerte machten deutlich, dass die Frauen ohne ihren Partner im Bett besser schliefen, während es sich bei den Männern der Studie andersherum verhielt:
- Co-Sleeping vermittelt Geborgenheit, aber: Es ist nicht so, dass Frauen lieber allein schlafen, im Gegenteil: Die Wiener Forscher:innen fanden auch heraus, dass sich sowohl Frauen als auch Männer zu zweit in einem Bett geborgener fühlen. 2 andere Variablen erklären, warum sich Frauen generell mehr durch den Partner gestört fühlen als Männer durch die Partnerin. 1. Männer schnarchen öfter und stehen nachts häufiger auf,
- Schlafgewohnheiten wachsen mit:
Dazu weiß die Forschung mittlerweile, dass Schlaf etwas sehr Individuelles ist. So unterscheidet sich etwa die »optimale Schlafdauer« von Mensch zu Mensch deutlich: Während der eine nur 7 Stunden braucht,
Und was heißt das jetzt?
Guter Schlaf ist eine Gewohnheit
Die kurze Antwort: Gemeinsamer Schlaf ist kompliziert. Wenn Menschen gut oder nicht gut nebeneinander schlafen können, sagt das mehr über Bedürfnisse und Veranlagungen aus als über den emotionalen Zustand der Beziehung. Tatsächlich hat Schlaf aber neben dem biologisch verankerten auch einen lernbaren Teil. Das heißt, dass sich etwa Aufwachschwellen anpassen lassen – sodass Schnarchen und Bewegungen eines vertrauten Körpers uns nach einiger Zeit weniger stören.
Guter Schlaf zu zweit ist deshalb auch eine Frage der Gewohnheit und Absprache. Für Paare, die es gern gemeinsam schlafend im Bett versuchen wollen, geben Gerhard Klösch, John Dittami und Josef Zeitlhofer, Schlafforscher an der Universität Wien, in ihrem Buch Ein Bett für zwei wissenschaftlich fundierte Tipps:
- Zu-Bett-geh- und Aufstehzeiten, die Art des Weckers, die Härte der Matratze, die Lieblingsseite im Bett, das Klima im Schlafzimmer – all das sind Verhandlungssachen, bei denen ein Konsens gefunden werden muss.
- Falls eine Person schnarcht, können Ohrstöpsel eine vorübergehende Hilfe sein (vor allem, wenn es nicht möglich ist, in ein anderes Zimmer auszuweichen). Ein anderer Trick: früher als die schnarchende Person ins Bett gehen, um bereits zu schlafen, wenn das Schnarchen beginnt.
- Bei störender Bewegung könnten 2 einzelne Matratzen helfen. Vor allem im Wasserbett ist jede Bewegung spürbar.
- Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, denn hinter dem Schnarchen oder unruhigen Bewegungen im Schlaf kann eine Schlafstörung stecken.
Doch auch Klösch, Dittami und Zeitlhofer betonen: Wenn es zu zweit einfach nicht gut geht, sind getrennte Schlafzimmer eine solide Lösung. Sie sind kein Ausdruck einer kaputten Beziehung, sondern können vielmehr das Ergebnis gegenseitigen Respekts und guter Kommunikation sein.
Am Ende geht es vor allem darum, gut zu schlafen – auch für eine Beziehung. Denn Studien zeigen auch: Schlechter Schlaf ist ein Liebestöter. Schon eine einzige Nacht schlechten Schlafes kann am folgenden Tag erhöhten Stress, mehr Ängstlichkeit, schlechtere Stimmung und
So ist guter Schlaf für alle möglich
Alle gemeinsam in einem Bett oder doch jede:r für sich allein? Dieser Text sollte vor allem eines klargemacht haben: Pauschale Tipps beim komplexen Thema Schlaf stehen wissenschaftlich auf wackligen Füßen. Und was in Deutschland »normal« ist, sorgt nicht immer für gute Nachtruhe.
Bei der Frage nach dem richtigen Schlafarrangement kommt es besonders darauf an, wie ausreichender und erholsamer Schlaf für alle möglich ist. Denn nur diejenigen, die genug Schlaf bekommen, legen einen Grundstein für die körperliche und emotionale Gesundheit. Schläft ein Kind nur unruhig im Einzelbett oder Partner:innen schlafen gequält zusammen, sollte zumindest über Alternativen nachgedacht werden. Denn Schlafbedürfnisse sind verschieden. Erlaubt ist alles, was nachts Ruhe schafft. Deshalb: Sprecht mit euren Partner:innen, Eltern, Kindern und Mitbewohner:innen über eure Schlafbedürfnisse und wagt mal etwas Neues!
Titelbild: Andrej Lišakov - CC0 1.0