Lerne die Naturkraft kennen, die die Französische Revolution losblies
Sie ist Teil eines klimatischen Geschwisterduos aus dem Pazifik, das das Wetter regelmäßig auf den Kopf stellt. In Zeiten des Klimawandels müssen wir es verstehen lernen.
Es ist das 17. Jahrhundert. Ein Fischer vor der Küste des heutigen Perus holt sein Netz ein. Kaum ein Fisch hat sich darin verfangen. Das ist der fünfte Tag in Folge. Das Wasser fühlt sich ungewöhnlich warm an. Auch die Fischfallen bleiben leer. Heizt sich die See auf, verschwinden die Fische. Es ist nicht das erste Mal, dass der Fischer so etwas erlebt. Schon seine Mutter, sein Großvater und sein Urgroßvater haben ihm davon erzählt. Es geschieht alle paar Jahre; immer um die Weihnachtszeit verlassen die Meeresbewohner die sonst so artenreiche Küstenregion und leiten eine harte Zeit für die Menschen ein, die vom Meer leben.
Wegen der zeitlichen Nähe zum christlichen Feiertag der Geburt Jesu, in der die Fische verschwinden, nennen die Fischer das Phänomen El Niño de Navidad, übersetzt »das Christkind«. Heute tritt es immer noch auf und ist unter der Namenkürzung El Niño geläufig, »der Junge«.
Die wirklichen Ausmaße El Niños waren den Fischern damals nicht bekannt und sie sind es bis heute nicht im Detail. Doch zumindest den Grund für das Verschwinden der Fische kennen wir nun: Normalerweise steigt kaltes, nährstoffreiches Wasser aus den Tiefen des Pazifiks vor der Küste Perus und Ecuadors auf. Das Phytoplankton braucht die Nährstoffe zum Überleben und die Fische brauchen das Phytoplankton. Darum fühlen sich Fische dort so wohl und bescheren Fischern einen reichen Fang. Während El Niño bleibt der Auftrieb jedoch aus. Das Wasser erwärmt sich, woraufhin das Plankton abstirbt und die Fischbestände abwandern.
Andernorts hat das Christkind ganz andere Auswirkungen: Während die Naturkraft extreme Winterstürme in den USA und heftige Regenfälle und Überschwemmungen in Südamerika auslösen kann, ist sie in Indonesien und Australien für schwere Dürreperioden verantwortlich.
Was uns das angeht? Bis heute spüren Hunderte Millionen Menschen die Auswirkungen von El Niño – und durch die Erderhitzung könnten sich die ohnehin schon extremen Wetterereignisse noch verstärken. Es wird Zeit, das Klimaphänomen besser zu verstehen.
El Niño: Was hat es mit dem Phänomen auf sich?
Hitze und Dürre, Monsun, Starkregen und Erdrutsche, schlechte Fangquoten: Menschen verbinden die unterschiedlichsten Dinge mit El Niño – und sie alle sind darauf zurückzuführen. Denn El Niño ist Teil einer natürlichen Klimaschwankung aus einem komplexen Zusammenspiel zwischen Meer und Atmosphäre, die regional sehr verschiedene Auswirkungen hat. Die Schwankung gab es schon vor Millionen von Jahren. Forschende haben Spuren ihrer Auswirkungen in Eisbohrkernen, Tiefseeschlamm, Korallen und Baumringen gefunden.
Reisen wir gedanklich zurück an die Westküste Südamerikas. Dort im Pazifischen Ozean hat El Niño seinen Ursprung und kündigt sich zuerst an, indem sich das Meer erwärmt. Genau das, was die Fischer bereits vor Jahrhunderten bemerkt haben. Um die Weihnachtszeit hat das Phänomen bisher oft seinen Höhepunkt erreicht.
Indem der Passatwind Wasser von der südamerikanischen Küste wegschiebt, ermöglicht er es, dass kälteres nährstoffreiches Wasser aus tieferen Meeresschichten vor Peru und Ecuador aufsteigt. Etwas kühler und nährstoffreich – die perfekte Lebensgrundlage für Plankton und Fische. Das Oberflächenwasser, das von den Winden nach Südostasien gedrückt wird, sammelt auf seiner Reise noch mehr Sonnenwärme ein. Kommt es in Südostasien an, ist es rund 10 Grad Celsius wärmer als noch vor der Küste Südamerikas.
Bei Indonesien und Nordaustralien verdunstet das Wasser, bildet Wolken und regnet sich ab. So entsteht das typische tropisch-warme Regenwaldklima der Region. Kühlen die Luftmassen wieder ab, strömen sie in höheren Lagen wieder Richtung Osten nach Südamerika, wo sie dann absinken. Dort an der Westküste Südamerikas kommt kaum Regen an, weshalb sich dort Wüsten gebildet haben. Der Luftkreislauf wird Walker-Zirkulation genannt.
Dieser Kreislauf ist der »Normalzustand«. Bei einem El-Niño-Ereignis verändern sich die Luftdruckverhältnisse in Südostasien und im zentralen Pazifik, was dazu führt, dass sich der Passatwind abschwächt. Das warme Oberflächenwasser bleibt also vor Südamerika, kein nährstoffreiches und kaltes Tiefenwasser steigt auf.
Bei starken El-Niño-Ereignissen kann sich die Windrichtung sogar komplett umkehren. Dann transportieren die Winde Oberflächenwasser in entgegengesetzter Richtung, von Südostasien Richtung Südamerika. Das stellt wortwörtlich das Wetter auf den Kopf. Die sonst eher trockenen Küstenregionen Perus und Ecuadors erleben dann ungewöhnlich starken Regen, der eigentlich in Südostasien erwartet wird.
Doch der El-Niño-Regen erreicht nicht ganz Südamerika. Während die Westküste überschwemmt wird, kommt kaum etwas vom Niederschlag in den höheren Regionen Perus an. Ebenso wenig in Brasilien und Mexiko.
Doch auch diese für El Niño typischen regionaleren Wettermuster müssen nicht immer auftreten. Du merkst: Es ist kompliziert.
Lust auf mehr Detailwissen zu den gegensätzlichen Geschwisterphänomenen? Dann beantworte die im Text verteilten Fragen!
Falsch. Ein El Niño dauert üblicherweise 9–12 Monate. La-Niña-Ereignisse sind im Durchschnitt länger. Sie können 1–3 Jahre anhalten. In den vergangenen 25 Jahren gab es besonders viele mehrjährige La-Niña-Ereignisse. Das letzte La-Niña-Ereignis war 3 Jahre lang, von 2020 bis 2023.
Falsch. Ein El Niño dauert üblicherweise 9–12 Monate. La-Niña-Ereignisse sind im Durchschnitt länger. Sie können 1–3 Jahre anhalten. In den vergangenen 25 Jahren gab es besonders viele mehrjährige La-Niña-Ereignisse. Das letzte La-Niña-Ereignis war 3 Jahre lang, von 2020 bis 2023.
Richtig. Ein El Niño dauert üblicherweise 9–12 Monate. La-Niña-Ereignisse sind im Durchschnitt länger. Sie können 1–3 Jahre anhalten. In den vergangenen 25 Jahren gab es besonders viele mehrjährige La-Niña-Ereignisse. Das letzte La-Niña-Ereignis war 3 Jahre lang, von 2020 bis 2023.
Falsch. Ein El Niño dauert üblicherweise 9–12 Monate. La-Niña-Ereignisse sind im Durchschnitt länger. Sie können 1–3 Jahre anhalten. In den vergangenen 25 Jahren gab es besonders viele mehrjährige La-Niña-Ereignisse. Das letzte La-Niña-Ereignis war 3 Jahre lang, von 2020 bis 2023.
Dieses Jahr wird alles anders: La Niña kündigt sich an
Das vergangene El-Niño-Ereignis, das im Sommer 2023 begann, hat sich nun verabschiedet. Es wird von seiner Gegenspielerin abgelöst: La Niña, »das Mädchen«. Im Gegensatz zu seinem hitzigen Bruder wird La Niña mit einer globalen Abkühlung in Verbindung gebracht.
»Das Mädchen« schwächt den Passatwind zwischen Südamerika und Australien nicht ab, sondern verstärkt ihn. So kühlt sich der Pazifik vor Peru weiter ab und ohnehin trockene Küstenbereiche bleiben noch trockener. In Südostasien hingegen häufen sich die Unwetterereignisse und das Taifunrisiko steigt.
Wann sich die Luftdruckgebiete, Winde und Meeresströmungen im Pazifik verändern und wie lange die einzelnen Phasen dauern, kann im Voraus nur schwer geschätzt werden. Sie folgen keinem wiederkehrenden Muster.
Zusammen gehören die 3 Phasen zur sogenannten
Zuerst bemerkten Menschen El Niño durch das Verschwinden der Fische.
Richtig. Durchschnittlich sind La-Niña-Ereignisse zwar länger, doch laut der US-amerikanischen Wetter- und Ozeanografiebehörde treten El-Niño-Ereignisse häufiger auf. Die beiden Ereignisse müssen sich nicht immer abwechseln.
Falsch. Durchschnittlich sind La-Niña-Ereignisse zwar länger, doch laut der US-amerikanischen Wetter- und Ozeanografiebehörde treten El-Niño-Ereignisse häufiger auf. Die beiden Ereignisse müssen sich nicht immer abwechseln.
Genug Geschichte, was haben El Niño und La Niña mit dem Klimawandel zu tun?
Auch wenn es sich in Deutschland vor allem im Frühling nicht so angefühlt hat: Im Mai 2024 hat die Welt einen neuen Rekord gebrochen. Seit einem Jahr – seit Mai 2023 – war bis dahin jeder Monat
Die gemittelte globale Temperatur in den Monaten Juni 2023 bis inklusive Mai 2024 erreichte ebenfalls einen Höchstwert:
Sind die natürlichen Klimaschwankungen dafür verantwortlich? Oder der menschengemachte Klimawandel?
Beides. Zu welchen Teilen, lässt sich jedoch nicht genau beantworten. Ebenso schwer lässt sich abschätzen, inwiefern sich einzelne Extremwetterereignisse oder Naturkatastrophen auf das Konto der Erderhitzung oder von El Niño und La Niña verbuchen lassen. Zu komplex ist das Klimasystem, und ENSO ist nicht der einzige Zyklus, der es beeinflusst.
Fest steht jedoch:
- Die weltweiten Temperaturen erhitzen sich stetig und der übermäßige Treibhausgasausstoß des Menschen ist der Treiber. So ist ein »kühles« La-Niña-Jahr heute wärmer als ein El-Niño-Jahr im vergangenen Jahrhundert – obwohl das Christkind ja eigentlich das wärmere Klimaphänomen ist.
- Beides (Klimawandel und ENSO) existiert unabhängig voneinander, doch beeinflusst sich gegenseitig. So können El Niño und La Niña die Auswirkungen des Klimawandels abschwächen und verstärken – und umgekehrt. Der Trend scheint jedoch dahin zu gehen, dass sich beide gegenseitig ins Extreme treiben.
Falsch. Hiermit konnte El Niño in Verbindung gebracht werden.
Richtig. Hiermit konnte El Niño nicht in Verbindung gebracht werden.
Falsch. Hiermit konnte El Niño in Verbindung gebracht werden.
Falsch. Hiermit konnte El Niño in Verbindung gebracht werden.
Hat das anstehende La-Niña-Ereignis Auswirkungen auf Europa?
Meteorolog:innen wissen, dass das kühlende Mädchen angekommen ist, wenn die Temperatur der Wasseroberfläche im östlichen Pazifik entlang des Äquators (etwa vor der Küste Nordperus) für 3 Monate um
Gerade zu Beginn von La Niña müssen Südamerika, Mittelamerika, die Karibik und USA sowie Teile Ostafrikas laut der WMO mit starken Regenfällen rechnen. Außerdem soll die Hurrikangefahr im Atlantischen Ozean für die im Juni begonnene Hurrikansaison zunehmen, wovon besonders die Ostküste Nordamerikas betroffen ist.
Und was ist mit Europa? Der Kontinent ist der wohl einzige, für den die klimatischen Auswirkungen von La Niña nahezu vernachlässigbar sind. Anders ist es bei starken El-Niño-Ereignissen. Diese können hohe Luftschichten erwärmen und Polarwirbel stören, was zu frostigen Winden in Europa führen kann. Das ist im 18. Jahrhundert passiert und hat wahrscheinlich den Beginn der Französischen Revolution unterstützt.
Ende 1780 waren die französischen Winter besonders kalt, der Frühling nass und verhagelt. Ernten fielen aus, Nahrungspreise stiegen, Bäuche blieben leer, der Unmut gegen den absolutistischen Monarchen wuchs. Der Mangel an Lebensmitteln zählt als einer der Hauptauslöser für die Französische Revolution im Jahr 1789 –
Auch wenn der anstehende Besuch von La Niña und die meisten El-Niño-Schwankungen keine oder kaum Wetterveränderungen für Deutschland und Europa haben, bleiben wir nicht von ihnen verschont. Länder nahe dem Äquator treffen die Klimaschwankungen besonders schwer. In unserer globalisierten Welt, in der sich Lieferketten über Kontinente erstrecken,
Falsch. Vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern können die Auswirkungen der Klimaschwankungen desaströse Auswirkungen auf die dort lebenden Menschen und ihre Umwelt haben. Laut Weltwirtschaftsforum sind bei El-Niño-Ereignissen besonders viele Menschen in Ländern in Südostafrika und um das Horn von Afrika durch extreme Wetterlagen stark betroffen, wie in Malawi und Äthiopien. Ebenfalls stark betroffen sind Länder in Südamerika und Südostasien.
Falsch. Vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern können die Auswirkungen der Klimaschwankungen desaströse Auswirkungen auf die dort lebenden Menschen und ihre Umwelt haben. Laut Weltwirtschaftsforum sind bei El-Niño-Ereignissen besonders viele Menschen in Ländern in Südostafrika und um das Horn von Afrika durch extreme Wetterlagen stark betroffen, wie in Malawi und Äthiopien. Ebenfalls stark betroffen sind Länder in Südamerika und Südostasien.
Richtig. Vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern können die Auswirkungen der Klimaschwankungen desaströse Auswirkungen auf die dort lebenden Menschen und ihre Umwelt haben. Laut Weltwirtschaftsforum sind bei El-Niño-Ereignissen besonders viele Menschen in Ländern in Südostafrika und um das Horn von Afrika durch extreme Wetterlagen stark betroffen, wie in Malawi und Äthiopien. Ebenfalls stark betroffen sind Länder in Südamerika und Südostasien.
Wie frühe Vorhersagen Menschenleben retten
ENSO sind natürliche Klimaschwankungen. Gegen sie lässt sich nichts unternehmen, doch wir können uns auf sie vorbereiten. Zwar verläuft jedes El-Niño- und La-Niña-Ereignis etwas anders, doch sobald sie sich durch eine Veränderung der Passatwinde oder veränderte Wassertemperaturen im Pazifik nahe dem Äquator ankündigen, können sich Regionen, die stark von den Klimaschwankungen betroffen sind, für möglichst viele Eventualitäten wappnen. Die Inkas und ihre Vorgänger in Peru taten das etwa, indem sie ihre Felder nicht an der Küste, sondern zum Schutz vor El-Niño-Hochwasser in trockenere Höhenlagen bauten und sich ausgeklügelte Wassersysteme ausdachten.
Damit die Vorhersagen so genau wie möglich werden, sammeln Wissenschaftler:innen, Regierungen und Nichtregierungsorganisationen ständig Daten über die Klimaschwankungen und monitoren sie genau.
Diese messen Meeres- und Lufttemperaturen, Strömungen, Winde und Feuchtigkeit, um das Ankommen eines der Klimageschwister frühestmöglich zu bemerken. Die Daten werden täglich an Forschende und Meteorolog:innen aus aller Welt übermittelt. Dank der Forschung werden das Verständnis von ENSO und die Datenlage dazu immer besser.
So können die Regierungen stark betroffener Länder wie etwa Peru, Australien, Indien, Indonesien, Botswana und Simbabwe vorsorgen.
Titelbild: Anouk Delafortrie / EU/ECHO - CC BY-NC-ND 2.0