Die FDP fordert mehr Autos in den Innenstädten. Was die Partei wirklich will
Die Verkehrswende als ein ideologisch verblendetes, linksgrünes Nischenprojekt? Es ist leicht zu durchschauen, was die FDP mit ihrem Auto-Plan bezwecken möchte. Zum Glück sind Deutschland und Europa längst weiter.
Der Kontrast hätte größer nicht sein können. Ich sitze an einem herrlichen Morgen draußen unter Bäumen in einem Café in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana. Vor 3 Wochen bin ich mit dem Fahrrad von Freiburg aufgebrochen, um 100 Tage und 5.000 Kilometer später in der Hauptstadt Aserbaidschans, Baku, anzukommen. Dort werde ich Mitte November von der nächsten UN-Weltklimakonferenz berichten. Auf meiner Route suche ich mir gezielt Städte aus, die in der Vergangenheit Schlagzeilen für ihre ambitionierte Verkehrspolitik gemacht haben. In dieser Hinsicht ist das beschauliche Ljubljana ein ganz besonderes Highlight.
Ich warte auf meine Bestellung, als ich auf meinem Handy die Nachricht lese: »FDP will mehr Raum für Autos in Innenstädten«. Widerwillig klicke ich auf den Artikel – wohlwissend, dass ich es eigentlich nicht sollte.
»Fahrplan Zukunft – Eine Politik für das Auto«, lese ich. Es handelt sich dabei um
Der Tenor: Unsere Innenstädte sterben aus und schuld daran sind Radwege, Fußgängerzonen und zu teure Parkplätze.
Ich schüttele ungläubig den Kopf. Das Café, in dem ich sitze, befindet sich zufällig in einer Straße, durch die bis 2007 noch reichlich Autos fuhren. Doch dann beschloss die Stadt Ljubljana, das gesamte Zentrum der Stadt für den Autoverkehr zu sperren. Nach FDP-Logik hätte postwendend der Verödungsprozess einsetzen müssen. »Überraschenderweise« trat genau das Gegenteil ein: Ljubljana wurde um eine wunderbar lebenswerte und viel besuchte Innenstadt reicher und international für seine mutige Verkehrspolitik ausgezeichnet.
Die FDP sucht verzweifelt nach populären Themen
Wer heute durch die autofreien Straßen Ljubljanas flaniert, in denen Menschen statt Motoren dominieren, in denen die Gastronomie floriert und in denen eine Atmosphäre herrscht, die mit Autos niemals möglich wäre, käme niemals auf den Gedanken, dass mehr Autos hier die Lebensqualität erhöhen würden.
Warum schreibt die FDP also so ein Papier? Einfache Antwort: Weil sie unbedingt ein Thema braucht, um sich zu profilieren. Sie spürt die 5%-Hürde im Nacken und je prekärer die Lage, desto verzweifelter der Versuch, sich aus ihr zu befreien. Aber mal ehrlich: Im Grunde geht es gar nicht um Autos. Im Subtext ist die Botschaft: Wir widersetzen uns dem linksgrünen Zeitgeist, der selbst vor unseren Straßen nicht haltmacht. Damit will die FDP ihre Deutung durchsetzen, dass das Konzept der Verkehrswende eigentlich eine Art Codewort für eine linksgrüne Weltanschauung ist.
Die Neuordnung des öffentlichen Raums zulasten des Autos und zugunsten aktiver und geteilter Mobilität habe demnach keine pragmatischen Gründe wie die Erhöhung der Sicherheit, sondern sei rein ideologisch motiviert. Eine Ideologie, die das Auto grundsätzlich ablehnt und die erst zufrieden ist, wenn alle Städte gänzlich von Autos befreit sind.
In der Realität ist der »Scheideweg der Mobilität«, vor dem unser Land angeblich steht und vor dem die FDP warnt, völlig überzogen. Das Auto ist weit davon entfernt, ins Hintertreffen zu geraten, seine Dominanz auf allen Ebenen nahezu uneingeschränkt. Daran ändern auch einzelne Radwege, Fahrradstraßen oder Parklets nichts.
Eine Verkehrspolitik, die sichere Radwege baut, die in die Aufenthaltsqualität öffentlicher Räume investiert und die versucht, dem Klimawandel mit Parks und Plätzen statt Parkplätzen zu begegnen, hat nicht die große Verkehrsrevolution im Sinn. Sie will lediglich die Auswüchse
Die Städte Europas sind viel weiter
Ich habe in den letzten Jahren viele Länder und Städte bereist und sie hinsichtlich ihrer Verkehrspolitik untersucht. Ob
In Utrechts Fußgängerzonen wimmelt es von Cafés, Restaurants und kleinen, stilvollen Läden; Kopenhagens Zentrum erreicht man bequem auf einladenden Radwegen; Paris baut in Rekordtempo Parkplätze ab, errichtet Fußgängerzonen und begrünt, wo es nur geht. Wien hat eine Radwege-Offensive ausgerufen und macht die Stadt gerade klimafit, und Vorreiter Ljubljana baut seine autofreien Plätze weiter aus. All diese Städte sind der lebende Beweis, dass eine Verkehrsberuhigung zur Belebung der Innenstadt geführt hat und keineswegs zur Verödung.
Der Vorstoß der FDP, deutsche Innenstädte mit mehr Autos wieder attraktiver zu machen, erscheint angesichts dieser Realität wie ein schlechter Scherz.
Selbst in der eigenen Partei löst die Führung nun Kopfschütteln aus
Glücklicherweise haben das mittlerweile auch viele deutsche Kommunen verstanden. Sie werden die Forderungen der FDP müde weglächeln. Sie kämpfen seit Langem darum, mehr Handlungsspielräume in der Verkehrspolitik zu bekommen. Das zeigt zum Beispiel die Initiative
Der FDP-Ansatz, von oben herab in die Dörfer und Städte dieses Landes hineinregieren zu wollen und Vorschriften zu machen, wann sie Fahrradstraßen, Fußgängerzonen und Parklets bauen dürfen, ist daher so diametral zum Zeitgeist wie das ganze Papier selbst.
Die FDP führt einen Kampf gegen Windmühlen, der auch innerhalb der Partei für Irritationen sorgt. Auf Social Media
Vielleicht ist es genau das, was die FDP wollte. Endlich ein Alleinstellungsmerkmal. Ob es ihr hilft, ist allerdings mehr als fraglich. So bleibt am Ende nur zu hoffen, dass der Zeitgeist der FDP enteilt und auch die härtesten Autofans ihre Wahlentscheidung nicht mehr davon abhängig machen, welche Partei ihnen Gratisparkplätze verspricht.
Übrigens: Dass man mit einer progressiven Verkehrspolitik Erfolg haben kann, hat Ljubljanas Bürgermeister Zoran Janković eindrucksvoll gezeigt. Nach seiner kontroversen Entscheidung vor 17 Jahren, die Innenstadt von Autos zu befreien, hat er keine einzige Wahl verloren. Er regiert bis heute.
Redaktionelle Bearbeitung: Felix Austen
Titelbild: Ingwar Perowanowitsch - copyright