Können wir Armut nicht einfach abschaffen?
Bei Armutsbekämpfung denken wir eigentlich an eine geschenkte Ziege, Care-Pakete oder neue Schulen. Aber was würde passieren, wenn wir armen Menschen einfach Geld geben, damit sie nicht mehr arm sind? Eine Utopie? Nicht in Kenia.
Ganz einfach weil jeder der knapp 100 über 18-Jährigen des Dorfes seit Oktober 2016 jeden Monat 22 US-Dollar
Bevor es losgeht, gibt es 2 Begriffe, die du unbedingt kennen solltest:
- Artmutsschwelle: Jedes Land der Welt hat eine eigene Armutsschwelle, unterhalb derer die Bewohner
- BGE: Beim bedingungslosen Grundeinkommen erhalten alle Bewohner eines Staates oder einer Region unabhängig von ihrem Einkommen eine regelmäßige Geldzahlung. Diese deckt mindestens die individuellen Grundbedürfnisse ab und die Empfänger müssen keine Gegenleistung erbringen.
Was hilft wirklich gegen Armut?
Nehmen wir mal an, du willst 20 Euro an eine afrikanische
Die meisten Menschen wählen intuitiv die erste Variante, denn wir vertrauen darauf, dass die Hilfsorganisationen die richtigen Entscheidungen für die Empfänger treffen.
Caroline Teti sieht das anders.
Schon länger interessiere die Organisation aber auch, ob sich ein BGE zur Armutsbekämpfung eignen würde, so Caroline Teti. Das Problem: Belastbare Studien zu den Auswirkungen eines BGEs gibt es
»Insgesamt werden 26.000 Menschen im Rahmen des Feldversuchs von GiveDirectly Transferleistungen bekommen.« – Caroline Teti, GiveDirectly
Mindestens 6.000 Kenianer in einigen hundert Dörfern
- Gruppe 2 erhält das BGE nur
- Gruppe 3 erhält eine
- Gruppe 4 erhält kein Geld und dient als Kontrollgruppe.
Die Auswahl der Dörfer
Es ist eines der interessantesten und ambitioniertesten gesellschaftlichen Forschungsprojekte unserer Zeit. Die Ergebnisse könnten unsere Vorstellungen zu
Dafür geben die Menschen das Gratis-Geld aus
Für Mary Abagi sind solche abstrakten Überlegungen weit weg. Die ältere Dame, die zusammen mit
»Die Menschen sind glücklicher. Sie haben mehr Energie und neue Ideen.« – Mary Abagi, Bewohnerin von Makanga
Es überrascht wenig, dass sich die Menschen in Kenia über Gratis-Geld freuen – wer würde das nicht? Caroline Teti von GiveDirectly warnt davor, die kurzfristigen Erfahrungen mit dem BGE zu verallgemeinern. Verlässliche Daten könnten
Das liegt vor allem daran, weil die Empfänger des BGEs ihr Geld vor allem für 3 Dinge ausgeben:
- Täglicher Bedarf: Das meiste Geld geben die Menschen für alltägliche Dinge wie Lebensmittel, Schulgebühren, Medikamente und ähnliches aus.
- Sparen: Viele Bewohner Makangas nutzen mindestens einen Teil ihres BGEs, um für größere Anschaffungen zu sparen.
- Unternehmerische Investitionen: In einigen Fällen investieren BGE-Empfänger gezielt in einkommensschaffende Maßnahmen.
Schauen wir genauer hin!
Wie das Grundeinkommen den Hunger überwindet
Wir erleben schon seit 8 Monaten eine Dürre in Kenia.
Normalerweise würde das dazu führen, dass in Makanga viele Menschen hungern müssten. Denn fast alle Bewohner sind
Zu wissen, dass am Ende des Monats Geld kommt, gibt Hoffnung. Und Hoffnung verändert das Leben.
Was allein die Überwindung von Unterernährung für die Bewohner Makangas bedeutet, ist aus »westlicher Sicht« kaum vorstellbar: Unterernährung betrifft weltweit
Lebensmittel sind mit Abstand der am meisten genannte Ausgabenposten für das BGE. Den zweiten Platz belegen Schulgebühren. »Ohne das Geld würde ich nicht zur Schule gehen«, meint der 18-jährige Duncan Omondi Kira. In Kenia ist nur die Grundschule gebührenfrei, auch staatliche weiterführende Schulen verlangen Schulgeld. Weil seine Eltern sich das nicht leisten konnten, hatte Duncan die Schule schon abgebrochen. Seit Oktober kann er seine Ausbildung fortsetzen.
Aber nicht alle Empfänger des BGEs geben ihr Geld komplett aus. Schon vor Beginn des BGEs gab es in Makanga
Jael und Andrew Abeta sind ein gutes Beispiel dafür. Jael investiert einen großen Teil des Geldes in den Bau eines neuen Hauses, während ihr Mann Andrew auf die Anschaffung von 2 Ochsen spart. »Die Ochsen sparen mir langfristig Geld, denn im Moment muss ich zum Pflügen einen Traktor mieten«, erklärt er. Die Ochsen hingegen könne er selbst gegen eine Gebühr an andere Bauern ausleihen.
Wie das Grundeinkommen Arbeitsplätze schafft
Auch Samson Wandolo Adera investiert sein Grundeinkommen. Der ehemalige Staatsbedienstete gilt als wohlhabendster Bewohner Makangas. »Ich hatte schon vor dem Grundeinkommen eine Fischzucht im Viktoriasee begonnen«, erzählt er. Schnell habe er jedoch gemerkt, dass sein reguläres Einkommen für den Betrieb der Anlage nicht ausreicht. »Auf einen Bankkredit muss man zu viel Zinsen zahlen, das hätte sich nicht gelohnt.« Er stand kurz davor, die Zucht aufzugeben – nun kann er sie weiter betreiben. »An der Zucht sind mehrere Investoren beteiligt. Wir haben ein paar Arbeiter angestellt, die die Fische füttern und bewachen.«
Phoebe Abagi nutzt ihr regelmäßiges Einkommen, um Arbeiter zu bezahlen. Die 84-Jährige konnte in den vergangenen Jahren wegen ihrer Arthritis ihre Felder nicht mehr vollständig bestellen. Dank der Feldarbeiter, die sie sich jetzt leisten kann, hat sie trotz der Dürre ihre Ernte in diesem Jahr gesteigert.
»Ich weiß besser, was ich brauche, als jemand anderes.« – Jael Abata
Auch wenn die wenigsten Bewohner Makangas jemals zuvor in den Genuss eines regelmäßigen Gehalts gekommen sind, legen die Beobachtungen der ersten Monate nahe, dass sie mit dem unverhofften Geldsegen sehr gut umgehen können. Auf den Unterschied zur traditionellen Entwicklungshilfe angesprochen, werden alle sehr deutlich:
Es war immer schwer vorhersehbar, ob und wie viel Hilfe kommt. Vielleicht brauchst du 3 Kilo Mais, die Hilfsorganisation lieferte aber 2 oder 4.
Neben der wirtschaftlichen Lage berichten die Bewohner auch von verbesserten Beziehungen untereinander.
»Früher war die Verlockung groß, zu stehlen, wenn man Hunger hatte«, erzählt Samson. »Seitdem das Geld kommt, gibt es das nicht mehr.«
Frauen und Männer, die jeweils ein eigenes Grundeinkommen erhalten, diskutierten konstruktiv, wie das Geld am besten zu verwenden sei, bestätigen Dorfbewohner. Von Problemen aufgrund des plötzlichen Geldsegens weiß keiner zu berichten. Die Transferleistung habe weder zu Alkoholmissbrauch noch zu Arbeitsverweigerung geführt. Auch ist es bisher nicht zu einem Zuzug von Fremden gekommen, wohl auch, weil GiveDirectly deutlich gemacht hat, dass es keine zweite Aufnahmerunde in das Programm im »Pilot-Dorf« geben wird.
Ist ein Grundeinkommen sinnvoll?
Die Bewohner Makangas ziehen nach den ersten 10 Monaten eine positive Bilanz. Ginge es nach ihnen, würde das Projekt so schnell wie möglich auf alle Kenianer ausgeweitet.
Ob das im Vergleich zu anderen Entwicklungsmaßnahmen Sinn ergibt, werden wir frühestens in einigen Jahren und vielleicht auch erst nach Abschluss des Projekts beurteilen können. Die Mitarbeiter von GiveDirectly sind hoffnungsvoll, dass sich das BGE als wertvolles Mittel zur Armutsbekämpfung erweisen wird.
»Wir wissen schon heute, dass Bargeld Wirkung zeigt«, meint Caroline Teti, die Direktorin für externe Beziehungen. Die Einmalzahlungen, die die Organisation normalerweise ausgibt, sind intensiv wissenschaftlich untersucht worden. Die britische Denkfabrik Overseas Development Institute kommt in
Woran könnte eine großflächige Einführung eines BGEs noch scheitern? Vor allem an mangelndem politischen Willen, denn die Zahlen sprechen für sich: 6,6 Milliarden US-Dollar würde die Ausweitung von GiveDirectlys BGE auf das ganze Land kosten. 1/2 Milliarde US-Dollar mehr, als die Regierung derzeit für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes ausgibt, Investitionen in neue Straßen, Kraftwerke und Krankenhäuser schon eingeschlossen.
Weil das BGE diese zentralen Aufgaben des Staates nicht ersetzen soll, müsste die Finanzierungslücke von mehreren Milliarden US-Dollar durch neue Steuern oder die radikale Reduzierung anderer Ausgabenposten, etwa des Militärhaushalts, geschlossen werden.
Länder wie Ägypten, Angola, der Senegal und Südafrika haben eine Wirtschaftsleistung, die ein
3 Faktoren bestimmen deshalb die Zukunft des BGEs zur Armutsbekämpfung:
- Politischer Wille: Ohne die Finanzierung des BGEs auf Kosten anderer politischer Projekte geht gar nichts. Für GiveDirectly ist der Feldversuch in Kenia darum in erster Linie eine Möglichkeit, Argumente für die schrittweise Umsetzung eines BGEs zu sammeln.
- Mobiles Bezahlsystem: »Wir können das Programm hier nur durchführen, weil es mit M-Pesa ein mobiles Zahlungssystem gibt, das jeden Erwachsenen im Land erreichen kann«, ist Caroline Teti überzeugt. Ein Bankkonto besitzen in Afrika nur die wenigsten.
- Biometrische Ausweise: Ein Meldesystem wie in Deutschland gibt es in keinem afrikanischen Land. Fälschungssichere Ausweise sind darum ein Muss, wenn ein BGE nicht zum Opfer massiver Korruption werden soll.
Selbst wenn sich das BGE als bestes Mittel der Armutsbekämpfung herausstellen wird: Um den Aufbau
Zur Diskussion über ein Grundeinkommen in Industrienationen wird das Experiment in Kenia keinen entscheidenden Beitrag leisten können. »In Industrieländern wird ein Grundeinkommen oft als Reaktion auf die
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