Taktisch wählen gegen die AfD? So geht’s!
Diese jungen Progressiven wollen, dass die AfD bei den Landtagswahlen möglichst wenig Macht erlangt. Dafür haben sie eine digitale Wahlhilfe gebaut – die mancherorts auch die CDU empfiehlt.
Die Thüringer AfD ist rechtsextrem. Aufgrund dieser Diagnose beobachtet das Thüringer Amt für Verfassungsschutz den dortigen AfD-Landesverband genau.
Es ist erwiesen, dass dieser sich »in ziel- und zweckgerichteter Weise gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung« richtet, heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht.
Die AfD in Thüringen macht aus dieser Haltung schon lange keinen Hehl mehr: Sie beschäftigt ungeniert-offen rechtsextremes Personal, allen voran ihren Spitzenkandidaten Björn Höcke, der immer wieder Naziparolen benutzt und laut Gerichtsurteil »Faschist« genannt werden darf.
Doch auch in Sachsen ist die AfD extrem und treibt die Bundespartei ideologisch immer weiter ins Extreme. Nicht umsonst haben viele Menschen Angst, dass an diesem Wochenende Demokratiefeind:innen von Rechtsaußen auf demokratischem Weg Macht in 2 deutschen Bundesländern gewinnen.
Ist die AfD wirklich rechtsextrem?
Der Verfassungsschutz ordnet insbesondere die Landesverbände in Thüringen und Sachsen als »gesichert rechtsextrem« ein, da die Partei dort unsere »staatliche Ordnung« ablehnt und »verfassungsfeindliche Bestrebungen« hat. Anders gesagt: Sie verachten und sägen an der deutschen Demokratie.
Doch was kann man dagegen tun?
Eine Antwort darauf heißt: taktisch wählen.
Dahinter steckt die Idee, eventuell nicht bei der eigenen Lieblingspartei ein Kreuzchen zu machen, sondern so, dass am Ende möglichst wenig Macht für Blau(-Braun) dabei herauskommt.
Doch damit das Wirkung zeigt, muss man genau wissen, was man tut und wohin das Kreuzchen muss. Das junge Onlineportal taktisch-wählen.de will genau hierbei helfen. Ich habe mit einem der Initiator:innen gesprochen.
Taktisch-wählen.de ist ein datenbasiertes Portal, auf dem Wahlberechtigte ihre Postleitzahl eingeben und wahlkreisspezifische Empfehlungen erhalten können. Unser Ziel mit diesen taktischen Wahlempfehlungen ist es, eine drohende Sperrminorität der AfD im Thüringer und Sächsischen Landtag zu verhindern. Aktuell stehen bis zu 3 Parteien knapp davor, aus den Landtagen zu fliegen – wenn das passiert, ist der AfD die Blockademacht sicher.
Was ist eine Sperrminorität?
Die Sperrminorität ist die Möglichkeit einer Minderheit, bei Abstimmungen zu blockieren. Zum Beispiel in Aktiengesellschaften, Genossenschaften, Vereinen – oder eben in der Politik. Im Thüringer Landtag hätte die AfD eine Sperrminorität, wenn sie 1/3 der Mandate erreicht. Bestimmte Entscheidungen können dann nicht mehr ohne ihre Zustimmung getroffen werden, zum Beispiel die Wahl der Verfassungsrichter:innen oder auch eine mögliche Auflösung des Landtags.
Genau vor diesem Hintergrund war es uns wichtig, mit unserem Portal eine neutrale, datengestützte Grundlage zu bieten, um ganz konkret schauen zu können, was im eigenen Wahlkreis klug wäre, um am Ende die AfD-Sperrminorität zu verhindern. Wir geben pro Wahlkreis eine Empfehlung für Erst- und Zweitstimme. Bei der Erststimme empfehlen wir immer den oder die Direktkandidat:in mit den besten Chancen gegen den oder die AfD-Kandidat:in. In manchen Wahlkreisen ist das der oder die Direktkandidat:in der CDU – obwohl wir auch explizit noch mal geschaut haben, ob sich die entsprechenden Kandidat:innen auch wirklich zur Brandmauer bekennen. In anderen Wahlkreisen sind es dann vielleicht die Linken, die Grünen oder eben die SPD.
In Wahlkreisen, in denen die AfD keine Chance auf das Direktmandat hat, sondern 2 demokratische Kandidat:innen um dieses konkurrieren, geben wir keine Empfehlung für einen taktischen Einsatz der Erststimme ab. Unser Ziel ist klar: Wir wollen das Stimmgewicht der AfD möglichst kleinhalten. Das bedeutet auch, viele Direktmandate zu verhindern. Denn wir sind der Überzeugung: Jeder Wahlkreis, der von der AfD vertreten wird, ist schlecht vertreten. Der Rest ist den demokratischen Parteien überlassen.

In diesem Klima waren meine Mitschüler:innen und ich 16, also in dem Alter, wo man anfängt, sich ein wenig mit Politik zu beschäftigen. In unserer Klasse gab es dann eine Art Polarisierung: Auf der einen Seite diejenigen, die sich abends mit den Rechten zum Trinken getroffen haben und bald auch mit den dazugehörigen blöden Sprüchen und Parolen aufgefallen sind – und diejenigen, die das nicht getan haben.
Wenn man sich dann noch dazu entschließt, sich politisch zu engagieren, und etwas progressiver unterwegs ist, merkt man schnell, wie sehr einem der Hass von unterschiedlichen Seiten entgegenschlägt. Selbst wenn es um etwas vermeintlich Unkontroverses wie unsere Skatebahn im Ort geht, die geschlossen wurde und für deren Erhalt wir uns eingesetzt haben. Ich hatte das Glück, nie selbst das Ziel körperlicher Angriffe zu werden. Aber allein die verbalen Attacken machen schon einiges mit einem 16-Jährigen.
In jedem Fall merken wir, dass es für viele Wähler:innen hier ein großes Thema ist, der AfD nicht einfach so das Feld zu überlassen. In Thüringen etwa sind laut Befragungen noch 35% der Wahlberechtigten unentschlossen. Selbst da ist also noch nichts entschieden. Schon jetzt erreichen uns täglich Dutzende Anfragen, wann wir denn das Portal auf Brandenburg erweitern würden.

Überall da, wo die wenigen verbliebenen staatlichen, sozialen und demokratischen Strukturen gestrichen werden, ist es, als würde man Brandbeschleuniger ins Feuer kippen. Wer kann sich dann noch ernsthaft über Frust wundern?
Es ist die Aufgabe von den Kreis- und Landtagen – übrigens überall in der Republik –, diese Strukturen zu erhalten. Wir müssen die Finanzierung für genau solche Projekte sichern, um ganz unten an der Basis wieder eine starke Zivilgesellschaft aufbauen zu können, die sich gegen die Extremist:innen wehren kann.
Du kennst Wahlberechtigte in Sachsen oder Thüringen, die von taktisch-wählen.de erfahren sollen? Dann schicke ihnen doch einfach dieses Interview oder den Link zum Portal!
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily