Wenn die Eltern sterben und nur noch das Testament von ihren Wünschen erzählen kann, Die wenigsten Menschen beschäftigen sich mit dem Thema frühzeitig, Auch wenn mehr als die Hälfte der Befragten gedanklich bereits mit dem Erben gespielt haben, vermeiden sie, das Thema offen anzusprechen – was nicht selten zu Konflikten führt.
Monika Isabel Janku könnte ein ganzes Buch über solche Erbstreitereien füllen. Die Mediatorin hat viele Familien dabei unterstützt, Lösungen für ihre Konflikte rund ums Thema Erben zu finden, ohne dass Rechtsanwält:innen eingeschaltet werden müssen. Zunächst als Wirtschaftsanwältin im Bereich Immobilienwirtschaftsrecht tätig, ließ Janku sich als psychosoziale Beraterin und Mediatorin ausbilden. Heute sitzt sie als Sprecherin im Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation.
Warum es so wichtig ist, über das Erben zu sprechen, und wie sich mit aufkommenden Konflikten am besten umgehen lässt, erklärt Janku im Interview.
Anne-Kathrin Oestmann:
Frau Janku, Sie arbeiten bereits seit 10 Jahren als Erbmediatorin. Ist Ihnen ein Fall besonders in Erinnerung geblieben?
Monika Isabel Janku:
Ja, das war wirklich ein irrer Fall. Es ging um ein Familienunternehmen. Wie es die Tradition vorsieht, wollte der Familienvater zu seinem 70. Geburtstag das Brauereiunternehmen an den ältesten Sohn vererben. Zu diesem Zeitpunkt hat der Familienvater gelebt. Er hatte 2 Kinder: eine Tochter und einen jüngeren Sohn. Als seine zweite Frau verstarb, adoptierte er an ihrem Totenbett den Sohn der Frau und vermachte ihm sein Unternehmen. Seine leiblichen Kinder haben doof aus der Wäsche geguckt. Seine leibliche Tochter hatte sich als Frau benachteiligt gefühlt. Der Eindruck ihres Vaters, dass nur ein Mann ein Unternehmen führen könnte, fand sie traditionellen Quatsch. Und der leibliche Sohn, der der ursprüngliche Nachfolger werden sollte, fühlte sich von seinem Vater diskriminiert, weil er homosexuell ist.
Das Adoptivkind stand im Konflikt: Was hätte er am Totenbett seiner Mutter – neben ihm ein Notar – sagen sollen? Er konnte seiner sterbenden Mutter nicht den Wunsch abschlagen, adoptiert zu werden. Damit wäre er aber auch der älteste Sohn des Brauereiunternehmers geworden und hätte nach der Tradition das Erbe übernehmen sollen. Das wollte er den leiblichen Kindern aber nicht antun. Alle 3 hatten vorher bereits im Unternehmen gearbeitet.
Konnten Sie eine Lösung finden?
Monika Isabel Janku:
Ja, wir sind zu einer schönen Lösung gekommen: Tochter und Sohn haben die Geschäftsführung übernommen. Das Adoptivkind blieb Braumeister.
Wer hatte die Mediation angestoßen?
Monika Isabel Janku:
Damals waren die leiblichen Kinder auf mich zugekommen, um eine Mediation anzufragen, weil sie sich nicht gerecht behandelt fühlten. Nach meinen Erfahrungen sind es häufig die Kinder der Erblasser, die Unterstützung suchen. Vor allem die jüngere Generation scheint offener zu sein, was eine solche Beratung betrifft.
Ist eine Erbmediation immer so erfolgreich?
Monika Isabel Janku:
Leider nein. Meistens ist der Todesfall des Erblassers schon eingetreten. Häufig streiten sich die Kinder bitterlich, weil alte Konkurrenz- und Benachteiligungsgefühle hochkommen. Das ist immer das größte Thema im Erbstreit. Viele Menschen kennen die Gefühle, zu kurz gekommen oder ungerecht behandelt worden zu sein, aus der Kindheit.
Wie wird mit diesen Gefühlen in der Mediation umgegangen? Also, was können Menschen erwarten, wenn sie Hilfe in Form von einer Mediation suchen?
Monika Isabel Janku:
Bereits sich für eine Mediation zu entscheiden, ist ein großer Schritt, eine Art Bekenntnis: Wir schaffen es nicht allein und vertrauen uns einer unabhängigen Person an. Die Konflikte muss man sich wie ein Riesenknäuel aus Gefühlen, Ideen, Misstrauen und Erwartungen vorstellen. Und tief im Inneren stecken viele Erfahrungen aus einzelnen Erlebnissen. Diese werden in der Mediation aufgeschlüsselt, um den Konflikt greifbar machen zu können. Nur so können Lösungen gefunden werden. Denn Betroffene wissen oft nicht, wie schwer manche Gefühle wiegen oder wie sehr andere verletzt sind. Die Erbmediation hat sich stark entwickelt. Es ist ein Riesenthema. Jede Familie hat Konflikte und das Erbe ist ein hoch emotionales Ding.
Warum ist das Thema Erben so emotional?
Monika Isabel Janku:
Es geht um Vermögen – im weitesten Sinne um Geld. Das Erben passiert nicht von heute auf morgen. Das ist ein Prozess, der schon zu Lebzeiten der Eltern stattfindet. Etwa dann, wenn sie ihren Kindern hier und da was zustecken. Im Grunde ist Erben eine elterliche Fürsorge über den Tod hinaus. Für die Kinder ist das eine wichtige Frage: Zum einen wegen der Möglichkeiten einer ökonomischen Absicherung. Zum anderen ist Geld ein symbolischer Wert für Zuwendung. Ein weiterer Aspekt ist die Machtausübung durch ein Erbe. Erblasser können Ziele verfolgen und Forderungen stellen, wie etwa »Wenn ich alt bin und du dich um mich kümmerst, bekommst du das Haus«.
Finden Sie das aktuelle Erbrecht gerecht?
Monika Isabel Janku:
Nach dem Gesetz erben die Kinder zu gleichen Teilen. Das scheint aus formaler Sicht gerecht zu sein. Im Einzelfall ist es das aber nicht immer: Etwa wenn ein Kind einen Beruf hat, in dem es sehr viel Geld verdienen kann, und das Geschwisterkind einen sozialen Beruf ausübt, der in finanzieller Hinsicht nicht wertschätzend vergütet wird. Auch in solchen Situationen kann es vorkommen, dass sich Kinder ungerecht behandelt fühlen.
Welcher Teil ist während einer Erbmediation der größere – der juristische oder psychologische?
Monika Isabel Janku:
Menschen sind daran gewöhnt, dass Themen wie Erbe und Familienverhältnisse vor dem Hintergrund des geltenden Rechts stehen. In der Praxis arbeiten wir jedoch andere Dinge heraus. Das Recht spielt erst dann eine Rolle, wenn Vereinbarungen getroffen werden. Ich unterstütze die Medianden dabei, eine Lösung zu finden. Und erst dann schauen wir, wie man diese rechtlich umsetzen kann. Externe Rechtsanwälte werden nicht einbezogen. Wenn die Parteien in der Mediation sind, ruhen alle Rechtsangelegenheiten. Das ist Teil der Mediationsvereinbarung, die am Anfang abgeschlossen wird. Während der Mediation dürfen sich die Parteien rechtlich beraten lassen. Rechtsschritte dürfen aber nicht unternommen werden.
Ist es bei einer Ihrer Erbmediationen schon mal zu Handgreiflichkeiten gekommen?
Monika Isabel Janku:
Handgreiflichkeiten nicht. Aber natürlich Schreien, Drohgebärden und eine massive Anspannung – das darf auch hochkommen. Für mich als Mediatorin ist wichtig, zu erleben, wie groß die Aggression ist, welche Worte fallen und wie die andere Partei reagiert. Nur so fallen die Masken und ist es mir möglich, Einblicke zu bekommen. Als Mediatorin beobachte ich die Situation und kann das eigentliche Ausmaß des Konflikts sehen, der dann auch als neuer Anknüpfungspunkt für die weiterführende Mediation dient. Im schlimmsten Fall machen wir 5 Minuten Pause. Jemand, der wütend ist oder schreien will, drückt letztlich nur seine Not aus.
Wo liegen die Grenzen einer Mediation?
Monika Isabel Janku:
Wenn Medianten an einem Punkt angelangt sind, wo eine gewisse Eskalationsschwelle überschritten ist. Oder wenn ein Graben zwischen den Personen entstanden ist und nur noch Verächtlichkeits- und Abfälligkeitsgefühle füreinander da sind. Dann kann ich nur noch mit den Personen reden und versuchen, sie zu öffnen. Dringe ich noch zu ihnen durch oder nicht? Wenn nicht, merke ich auch als Vermittlerin meine Grenzen.
Gab es auch schon Fälle, bei der die Erbmediation offen ausging und nur noch Rechtsanwälte weiterhelfen konnten?
Monika Isabel Janku:
Das kann immer passieren. Häufig ist das aber nicht. Manchmal muss man schauen, ob noch andere Parteien in die Mediation miteinbezogen werden müssen, wie etwa Ehepartner von Geschwistern. Würde man von Anfang an zum Rechtsanwalt gehen, werden nur noch Papiere hin- und hergeschickt. Geredet wird im Endeffekt nicht mehr. Das ist keine gute Lösung. Vor allem dann nicht, wenn man mit seiner Familie in Zukunft noch zu tun haben möchte.
Wann empfehlen Sie Menschen eine Mediation?
Monika Isabel Janku:
Idealerweise würde man sich zusammensetzen, bevor der Erblasser verstirbt. Die Kinder müssen bei einer Mediation involviert werden. Ohne den zukünftigen Erben würde es keinen Sinn machen, eine Mediation zu beginnen. Die Idee der Mediation ist, die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen.
In den meisten Fällen ist der Todesfall jedoch schon eingetreten. in dem alle Fragen – warum, wieso, weshalb – geklärt werden.
Wie lange kann so eine Mediation dauern, bis Lösungen gefunden werden?
Monika Isabel Janku:
Die übliche Dauer einer Mediationssitzung ist 1,5 Stunden. Im Regelfall brauchen Betroffene 4–6 Sitzungen. Bei einer Erbmediation besteht oft Zeitdruck, weil etwa das Geld gebraucht wird. Dass sich Mediationen lange ziehen, kenne ich nur aus Scheidungsmediationen. Aber bei der Erbmediation strebt man eine Lösung an. Es geht nicht darum, Kompromisse zu finden, sondern sogenannte Win-win-Lösungen, die von allen als gerecht empfunden werden.
Was sollte man als Klient oder Klientin mitbringen, damit eine Mediation erfolgreich ist?
Monika Isabel Janku:
Häufig haben die Medianten bestimmte Vorstellungen. Darunter sind etwa von Steuer- oder Vermögensberatern vorgeschlagene Konstrukte, die steuerlich sinnvoll sind. Ich versuche aber, dass die Betroffenen möglichst nicht zu rechtlich denken. Denn solche Konstrukte wirken wie ein Korsett, aus dem sie sich erst wieder lösen müssen. Nur weil etwas steuerrechtlich optimal ist, ist es nicht automatisch der persönlich richtige Weg. Am Ende sollte man sich eine Frage stellen: Ist man glücklich, Geld gespart zu haben? Oder ist man glücklich, wenn für alle Erben eine zufriedenstellende Lösung gefunden werden konnte?
Haben Sie Erste-Hilfe-Tipps, wenn ein Erbstreit in der Familie ausbrechen sollte?
Monika Isabel Janku:
Wenn es in einem Moment richtig kracht, sollten alle Beteiligten erst mal versuchen, die eskalierende Situation zu unterbrechen. Es macht keinen Sinn, sich anzuschreien oder gar zu beleidigen. In hoch emotionalen Situationen werden häufig Dinge gesagt, die wahnsinnig verletzend sein können. Vielmehr sollte man versuchen, durchzuatmen, und am nächsten Tag ruhig miteinander reden.
In der Medienlandschaft wird sich auf die negativ konnotierten Nachrichten geworfen – sie sind etabliert und funktionieren. Aber alle, die sie sehen, hören oder lesen, werden müde. Deswegen beschäftigt sich Anne in ihrem Masterstudium der Journalistik an der Universität Hamburg mit dem Phänomen »News Fatigue«, der Nachrichtenmüdigkeit. Wenn es um das Schreiben geht, will sie dieses Phänomen nicht weiter vorantreiben. Stattdessen sucht sie nach Geschichten, die anders sind.