Was tun mit den leeren Kaufhausbunkern in unseren Innenstädten?
Der dauerinsolvente Galeria-Konzern will dieses Jahr mehrere Warenhäuser schließen. Mit ihnen verwaisen oft ganze Stadtteile. Wie es besser geht – und wie nicht.
Mitten in der Münchner Innenstadt, nur einige Schritte vom belebten Karlsplatz entfernt, liegt die
Nachzulesen ist das Konzept direkt an der Baustelle, genauer gesagt auf dem Zaun, der die »Alte Akademie« seit dem Projektbeginn abschirmt. Inzwischen hat jemand ein schwarzes Graffito auf den Bauzaun gesprüht: »Ohne Kapitalismuskritik lässt sich das hier nicht begreifen.« Worum geht es? Seit November 2023 ruhen die Bauarbeiten an Münchens Prestigeprojekt. Der historische Gebäudekomplex verfällt seitdem, und die Stadt kann kaum etwas dagegen tun.
Kurzum: Hier ist ein Privatinvestor gescheitert – und die Allgemeinheit muss jetzt schauen, wie sie mit der Bauruine umgeht.
Schuld ist die
Die bayerische Hauptstadt ist also keineswegs allein mit ihrem Pleitenproblem. Die Signa-Insolvenz ist besonders deutlich zu sehen. Landauf, landab: Baustopps, Betonruinen und im schlechtesten Fall ein Dominoeffekt des Leerstands.
Gibt es in diesen Zeiten noch Hoffnung für die deutschen Innenstädte? Oder bietet der Wandel sogar Chancen und Raum für Neues?
Leerstandswelle und Dominoeffekt
Für die meisten Innenstädte ist die Dauerinsolvenz der Galeria das größte Problem. Denn muss ein Kaufhaus schließen, heißt es nach der Schließung für mehrere Jahre
Und in der Zwischenzeit? Meistens verkommen die Kaufhäuser, weil sich niemand mehr um sie kümmert oder sie durch Witterung, mangelnde Wartung und Vandalismus beschädigt werden. Schlimmer noch: Oft sind die Leerstände ansteckend. Kaufhäuser bringen Laufkundschaft in die Innenstadt – die bleibt daheim, wenn ihr Hauptanziehungspunkt wegfällt.
Ein Beispiel für den Dominoeffekt liefert das Ruhrgebiet: »In Bottrop kann man eine Stadt ohne Douglas, Christ und bald auch H&M besichtigen«,
Das Zeitalter der Kaufhäuser ist vorbei
Obwohl Galeria inzwischen einen Käufer gefunden hat, wiederholt sich die Misere.
Ist die Ära des Kaufhauses endgültig vorbei?
Fragt man Stefan Müller-Schleipen, ist die Antwort: »Ja«. Er ist der Geschäftsführer der
So weit, so bekannt – selbst für diejenigen, für die das Netz noch immer Neuland ist. Was man dabei nicht vergessen darf:
Konzepte für den Übergang
Die »Stadtretter« möchten das ändern. Nach eigenen Angaben beteiligen sich seit der Gründung im Sommer 2020 mehr als 1.300 Städte, Unternehmen und Verbände am Netzwerk. Ein leeres Kaufhaus muss laut Stefan Müller-Schleipen nicht der Anfang der Ödnis in der Innenstadt sein. »Wichtig ist, dass möglichst bald eine Zwischennutzung einzieht«, sagt er. Sonst sei die Kaskade der Schließungen nur schwer aufzuhalten. Als Hilfestellung haben die »Stadtretter« für die betroffenen Kommunen verschiedene Zwischennutzungskonzepte erarbeitet.
Dabei kommt dann beispielsweise ein »Haus des Sports« heraus, das idealerweise schnell und öffentlichkeitswirksam die Ladenfläche belebt. Zusammen mit einem Sportartikelhersteller könnte so ein Ort entstehen, an dem Besucher:innen Produkte testen oder Sportarten ausprobieren könnten. Gleiches Gebäude, anderes Thema: In einem »Haus des Handwerks« könnten sich lokale Betriebe in einem Showroom präsentieren, Pop-up-Stores einrichten oder über Ausbildungsberufe informieren.
Wie so eine Zwischennutzung in der Realität aussieht, lässt sich in der Hamburger Mönckebergstraße beobachten. 2022 hat dort Karstadt Sport dichtgemacht. Jetzt ist in dem leeren Kaufhaus
Damit wären wir auch wieder am Münchner Karlsplatz: Der leere Galeria Kaufhof wird mittlerweile als Kunstmuseum zwischengenutzt. Zurzeit zeigt das Ex-Warenhaus
Aber wie geht es nach so einer Zwischennutzung weiter?
Die meisten Kaufhäuser finden eine Nachnutzung
Ein vielzitiertes Beispiel ist
Viele Studien empfehlen solche gemischte Nachnutzungen. Denn sie haben einen eindeutigen Vorteil: Sie sind einfach umsetzbar.
Osnabrück zeigt, wie es schiefgeht
Das sind die guten Nachrichten, die aber einen entscheidenden Haken haben: Die Mischkonzepte lösen das eigentliche Problem nicht. Denn die Städte bleiben abhängig von privaten Investor:innen.
Das zeigt das Beispiel Osnabrück.
In diesem Jahr sollte es losgehen. Doch dann ist der Projektentwickler pleite gegangen. Das war es dann also mit dem Ding in Osnabrück.
Für Stefan Müller-Schleipen von den »Stadtrettern« offenbart die Geschichte aus Osnabrück einen typischen Denkfehler. Viele Städte betrachteten nur die Kaufhausimmobilie und fragten sich: Was kann man daraus machen? Man denke rein betriebswirtschaftlich, möchte die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sichern. Das sei nachvollziehbar, greife aber aus Sicht von Müller-Schleipen oft zu kurz. Wichtiger sei es, die Umnutzung brächte neue Angebote ins Quartier, die es noch nicht gebe oder die die Innenstadt aufwerteten.
Die Städte müssen selbst gestalten
Deshalb sei es ratsam, wenn die Städte selbst aktiv würden. So wie in Stefan Müller-Schleipens Heimatstadt: dem hessischen Hanau.
Im Erdgeschoss sind inzwischen erste Zwischennutzungen eingezogen. Zu vergünstigten Konditionen können Einzelhändler:innen im Erdgeschoss ihre Geschäftsmodelle ausprobieren. Die Etagen darüber werden für künftige Nutzungen vorbereitet. Entstehen sollen eine Bildungs- und eine Gesundheitsetage sowie ein Gastronomiebereich im Dachgeschoss. Gefördert wird das Hanauer Projekt mit Zuschüssen der hessischen Landesregierung.
Der Deutsche Städtetag würde es gern mehr Kommunen ermöglichen, ähnliche Projekte wie das in Hanau umzusetzen. Der Verband engagiert sich deshalb für eine Gesetzesänderung.
Mehr Flexibilität
Stefan Müller-Schleipen sieht aber weiteren Handlungsbedarf. Die Kommunen stünden vor 3 Problemen, sagt er: Es herrsche Personalmangel in der Verwaltung, die Städte und Gemeinden seien mit vielen Aufgaben überfordert und die Förderungen vom Bund sowie von den Ländern seien zu langwierig und kompliziert. Abhilfe könne ein Kompetenzzentrum schaffen, sagt Müller-Schleipen. Das könne sich für die Kommunen um die Nutzungsänderungen und Förderanträge kümmern.
Aber auch in den Städten selbst müsse sich etwas ändern, sagt Müller-Schleipen. Sie müssten die Änderung von Flächennutzungen vereinfachen, besser noch: in einem ehemaligen Warenhaus jede Nutzung erlauben. Also weg vom »Mixed Use« hin zum »Flex Use«. Auf diese Weise könnten die Städte die Bedürfnisse der Anwohner:innen stärker berücksichtigen.
Bis so etwas möglich sei, werde es wohl noch lange dauern. Schon jetzt sei die Umnutzung eines Kaufhauses für viele Städte ein bürokratischer Kraftakt. »Wenn Sie ein Kaufhaus umfunktionieren wollen, ist das eine dezernatsübergreifende Aufgabe«, sagt Stefan Müller-Schleipen. Das Gewerbeamt, das Bauamt, der Denkmal- und der Brandschutz, je nachdem auch das Schul- oder das Wohnungsamt – es sei ein mühsamer Prozess.
Aber Städte wie Hamburg, Hanau und Oldenburg beweisen, dass nach einer Kaufhausschließung nicht die Tristesse einziehen muss, sondern dass es auch im Digitalzeitalter möglich ist, die Innenstädte mit modernen Konzepten zu beleben.
Redaktion: Chris Vielhaus
Titelbild: Hamburg Kreativ Gesellschaft / Komorek (bearbeitet) - copyright