Wie sich deine Stadt vor dem Klimawandel schützen kann
Eine neue Studie zeigt: Weltweite Klimaneutralität bis 2050 ist unrealistisch. Umso wichtiger, dass sich betroffene Regionen anpassen.
Nun als nicht unmittelbar Betroffene:r einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen, ist eine schlechte Idee. Denn
Genau mit dieser Frage hat sich ein großes Forschungsteam der Universität Hamburg mit internationaler Unterstützung für den
Außerdem untersuchten die Forschenden in 9 Fallstudien, wovon abhängt, ob Klimaanpassung nachhaltig erfolgreich ist. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie vergangene Woche – das können wir daraus lernen:
Erste Erkenntnis: Keiner macht es zu 100% richtig – noch nicht
Mehr Starkregen und häufigere Hochwasser sind nur eine der möglichen Folgen der Klimakrise. Je nach Region spielen andere Risiken eine größere Rolle. Die Forschenden analysierten daher
- Unmittelbare Krisenbewältigung (coping): Hierunter fallen zum Beispiel akute Maßnahmen bei Überschwemmungen oder Dürre wie das Aufstapeln von Sandsäcken oder temporäre Bewässerungssysteme. Es geht mehr um Schadensbegrenzung als um eine nachhaltige Anpassung.
- Schrittweise präventive Anpassung (incremental): Diese Maßnahmen, zu denen beispielsweise Deiche zählen, sind etwas vorausschauender und sollen dabei helfen, Klimafolgen in näherer Zukunft abzumildern.
- Grundlegender Umbau von Strukturen und Prozessen (transformative): Dabei geht es um Maßnahmen, die nachhaltig wirken und Risiken reduzieren. Wichtig ist, dass durch solche Maßnahmen keine neuen Emissionen entstehen, Ressourcen sowie Artenvielfalt geschont werden und dass sie auch soziale Gerechtigkeit mitdenken. Das kann zum Beispiel bedeuten, Städte komplett nach dem
»Nachhaltigkeit ist nicht nur ein nettes Extra. Wo Anpassung nicht durchdacht wird, können Nebenwirkungen die Erfolge zunichtemachen«, erklärte Beate Ratter, Professorin für Geografie, bei der Vorstellung der Ergebnisse. Es sei deshalb so wichtig, dass sich Städte und Regionen grundlegend umbauten und nicht nur akut reagierten. Beispielsweise könnten bestimmte Maßnahmen im Küstenschutz zwar bei Hochwasser helfen – langfristig aber schützenden Korallenriffen schaden oder haltgebende Sedimente fortspülen.
Mit Anpassung kaufen wir uns Zeit. Mit nachhaltiger Klimaanpassung kaufen wir uns Zukunft.
Keine der untersuchten Städte und Regionen setzt bisher 100% nachhaltige Anpassungsstrategien um. Doch in Hamburg, Nordfriesland und Ho-Chi-Minh-Stadt geht es zumindest in diese Richtung.
Zweite Erkenntnis: Klimaanpassung braucht lokale Lösungen
Was die Regionen ausmacht, die sich zumindest teilweise bereits grundlegend angepasst haben: Die lokale Bevölkerung wird aktiv eingebunden und trägt die Maßnahmen mit. Denn klimafreundliche Gesetze, überregionale Regelungen und Pläne für Anpassungsmaßnahmen seien zwar als Rahmen wichtig, würden aber nicht ausreichen, erläutert die Studie.
Für Hamburg beispielsweise ist Wasser in unterschiedlichen Varianten das größte Risiko: Sturmfluten, Flusshochwasser und niederschlagsbedingte Hochwasser. Verstärkt werden diese Risiken durch den steigenden Meeresspiegel, steigende Grundwasserpegel, extreme Niederschläge, aber auch die fortschreitende Versiegelung von Böden.
Die Stadt hat jahrzehntelange Erfahrungen mit Hochwasser. Durch Deiche, Sturmflutwehre und eine angepasste Stadtplanung (zum Beispiel in der Hafencity) ist sie bislang sehr erfolgreich darin, sich vor extremen Überschwemmungen zu schützen. Zunehmend verfolgt Hamburg mit naturbasierten Lösungen auch transformative Ansätze – legt unter anderem neue Grünflächen an, stellt Feuchtgebiete wieder her und fördert Dachbegrünung. Doch damit ist es nicht getan: Einmal Umgestaltetes muss immer wieder überprüft werden, ob es neuen Risiken Stand hält.
In Niedersachsen wiederum stellen Dürren, Stürme und land- sowie forstwirtschaftliche Schädlinge das größte Risiko dar. Zu den Hauptstrategien zählten bislang auf die Trockenheit angepasste Bewässerungssysteme und angepasste Pflanzschemata. Um mittelfristig auf das sich verändernde Klima zu reagieren, empfiehlt die Studie, in Niedersachsen in Wasserspeicher, dürreresistente Getreidesorten und Bodenfruchtbarkeit zu investieren. Langfristig sei es zusätzlich nötig, beispielsweise auf ökologische Landwirtschaft umzusteigen und zu klimaresistenten Baumarten zu wechseln.
So unterschiedlich ihre Herausforderungen, so hatten die für die Studie analysierten Städte doch eines gemeinsam: Sie alle waren bereits regelmäßig von Extremereignissen unterschiedlicher Art betroffen. Dass sie sich daran angepasst haben, ist also nicht verwunderlich.
In der Klimakrise ist es allerdings nötig, dass sich jede Stadt, Kommune, Region damit beschäftigt, dass eher spontane und zufällige Extreme auch bei ihnen wahrscheinlicher werden – und zwar präventiv. Selbst wenn sie bisher keinen extremen Stürmen, langen Hitzewellen oder Hochwassern ausgesetzt waren.
Hier tut sich langsam etwas:
Als Reaktion auf die mehrfachen Hochwasser in Bayern allein in diesem Jahr kündigte dort das zuständige Umweltministerium an:
Dritte Erkenntnis: Klimaschutz ist die beste Anpassung
Sich damit zu beschäftigen, wie sich Städte und ländliche Regionen auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten können, bedeutet nicht, den Kampf gegen die weitere Erwärmung der Erde aufzugeben.
Denn Anpassung funktioniert nur bis zu einem gewissen Punkt.
Umgekehrt wäre Anpassung selbst dann nötig, wenn die Menschheit die Notbremse einlegte und der CO2-Ausstoß von heute auf morgen komplett heruntergefahren würde. »Manche Extremereignisse hat es immer schon gegeben, Starkregen etwa, und man hätte sich schon immer dafür wappnen sollen«, erklärt Mitautor Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie. Doch durch die bisherige Erwärmung treten Starkregen, Hitzewellen und Dürren bereits häufiger auf. Natürliche Klimaschwankungen und Klimawandel können sich zudem addieren. In Zukunft können extreme Wetterereignisse auch in Kombination und gebündelt auftreten.
Eine erfolgreiche Anpassung an die Folgen des Klimawandels ist ähnlich schwierig und herausfordernd wie die Abkehr von allen Emissionen – und keine der beiden Aufgaben darf vernachlässigt werden.
Die Studie identifiziert 10 sozioökonomische Treiber, die Klimaschutz maßgeblich fördern oder hemmen.
Der Anteil der erneuerbaren Energien entwickelt sich zwar rasant, es fließt derzeit allerdings auch wieder mehr Geld in fossile Industrien. »Es wird wieder massiv in Öl, Gas und Kohle investiert. Die Wette auf den Finanzmärkten müsste aber entgegengesetzt laufen. Die Menschen müssten überzeugt sein, dass sich Investitionen in fossile Energien auf lange Sicht einfach nicht mehr rentierten«, sagt Anita Engels. Auch viele Unternehmensstrategien und das Konsumverhalten der Menschen wirken nach wie vor als Hemmnis.
Gemischte Kritik übt die Studie an der Rolle der Medien. Auf der einen Seite gebe es einen Trend zu umfassenderer Berichterstattung über den Klimawandel und nötige Lösungen, der als positiver Treiber wirke. Auf der anderen Seite verharmlosten einige mediale Akteure die Folgen des Klimawandels nach wie vor, nutzten Proteste wie die der Letzten Generation, um die Klimabewegung insgesamt abzuwerten, oder verbreiteten gar Desinformation.
Du fühlst dich machtlos? Das kannst du tun
Die ernüchternde Schlussfolgerung der Autor:innen: Eine vollständige Dekarbonisierung bis 2050 ist Stand heute nicht plausibel.
Demgegenüber stehen zumindest 6 positive Treiber, die Klimaschutz vorantreiben – bislang allerdings noch nicht stark genug: Die Klimapolitik der Vereinten Nationen, transnationale Zusammenarbeit, neue Klimaschutzgesetze, soziale Bewegungen und Proteste, Klimaklagen sowie das wachsende Wissen um die Mechanismen des Klimawandels. »Auch wenn Gesellschaften sozial gerechter werden, erhöht sich damit die Chance auf erfolgreichen Klimaschutz wie auf erfolgreiche Anpassung«, ergänzten die Autor:innen bei der Vorstellung der Studie.
Über gesellschaftliche Treiber hat Chris Vielhaus in diesem Artikel ausführlich geschrieben:
Als Privatperson hat man nur bedingt Einfluss darauf, wie sehr das Thema Klimaanpassung am eigenen Wohnort priorisiert wird. Das Gespräch mit Stadt- und Gemeinderäten zu suchen, lohnt sich aber allemal. Abgesehen davon ist es hilfreich, sich selbst über mögliche Risiken und Möglichkeiten zu informieren. Hier einige Beispiele:
- Steht mein Haus in einem Überschwemmungsgebiet?
- Sind für einen solchen Fall alle nötigen Vorkehrungen getroffen?
- Wie weit ist der nächste Wald entfernt, sollte es dort zu einem Brand kommen?
- Kann ich Flächen auf meinem Grundstück entsiegeln?
Und auch wenn es ermüdend ist, bleibt es die Priorität 1, sich beharrlich für einen möglichst raschen Ausstieg aus fossilen Energieträgern einzusetzen. Also beispielsweise (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) im Kleinen das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen, die Augen aufzumachen bei privaten Geldanlagen und Organisationen zu unterstützen, die sich
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