»Kein einziger Vers im Koran rechtfertigt die Überlegenheit der Männer über die Frauen«
Frauenbewegungen im »Westen« sehen oft nicht, dass auch bekennende Muslimas für Gleichberechtigung eintreten. Nur argumentieren islamische Feministinnen nicht mit westlichen Werten. Sondern auch mit dem Koran.
Das Café Paul Prestigia im Universitätsviertel von Rabat ist bekannt für seine Baguettes und feinen Patisserien. Asma Lamrabet hatte dieses französische Ambiente für unser Treffen vorgeschlagen. Fast alle Tische sind besetzt; Männer sitzen plaudernd vor einem Espresso, Frauen starren auf ihre Handys, Studentinnen unterhalten sich kichernd. Ich halte Ausschau nach einer Frau mit Kopftuch, habe mir die Bilder von Asma Lamrabet aus dem Internet eingeprägt. Doch als sie kommt, erkenne ich sie zunächst nicht. Mit ihrer großen Sonnenbrille, schwarzem Pullover und Seidentuch um den Hals verströmt sie eine zurückhaltende, selbstbewusste Eleganz. Ihre schwarzen Haare sind lose um den Kopf geschlungen. Kein Kopftuch.
Das überrascht mich, denn auf vielen Bildern war sie mit dem Tuch zu sehen; schließlich sieht sie sich als islamische Feministin. Später erklärt sie mir, sie trage das Kopftuch nun nicht mehr, weil es ihr nicht mehr passend erscheine. Ob eine Frau das Kopftuch trägt oder nicht, sei ihre freie Entscheidung. Die Medizinerin und Autorin, 1961 in Rabat geboren, gehört zu den führenden Vordenkerinnen eines liberalen, reformorientierten und feministischen Islam für ganz Nordafrika. Mit ihrem Mann, einem Diplomaten, hat sie in Spanien, Mexiko und Chile gelebt und immer wieder als Ärztin, teilweise auch ehrenamtlich, gearbeitet und ihre übrige Zeit statt für Cocktailpartys zum Schreiben ihrer Bücher verwendet.
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