3 Dinge, die bei der Deutschen Bahn gut laufen? Von wegen
Mit dieser Recherche wollte ich zeigen, wo es bei der Bahn vorangeht. Das Ergebnis war ernüchternd. Es zeigt, wie tief die Probleme sitzen – aber auch wo echte Lösungen ansetzen müssen.
Ich kann das ganze Bahn-Bashing nicht mehr hören.
Verspätungen, Ausfälle, Personalmangel, verstopfte Toiletten, fehlende Barrierefreiheit, steigende Ticketpreise, ein veraltetes und überlastetes Schienennetz. Wir alle kennen die Probleme der Deutschen Bahn (DB). Medien erinnern uns fast täglich daran: Der Konzern ist ein Desaster, das Sorgenkind der Nation, eine Blamage für Deutschland, die von einer Dauerkrise in die nächste rutscht und Milliardenverluste schreibt. Hoffnung auf Besserung? Fehlanzeige.
Doch ist das wirklich so? Ist alles, was die Bahn macht, zum Scheitern verurteilt? Arbeiten Vorstand und Mitarbeitende nicht gerade daran, eine zuverlässigere Bahn und Infrastruktur aufzubauen?
Diese Fragen stellte ich mir,
Dieser Text sollte eine Antwort auf den (berechtigten) Frust liefern und zeigen, wo es bei der Bahn vorangeht. Er sollte – entgegen der Schwarzmalerei – konstruktiv aufzeigen, wo die Bahn bereits jetzt die Weichen gut gestellt hat, wie es die
Doch je tiefer ich recherchierte, desto mehr begann die Fassade der Aufbruchsstimmung zu bröckeln. Was zum Vorschein kam, will ich nun ungeschminkt mit dir teilen.
Märchen 1: Die Rückkehr zum deutschen Kerngeschäft
Das Versprechen: Die DB reduziert ihre Auslandsaktivitäten, damit sich ihr Vorstand wieder auf sein Kerngeschäft in Deutschland fokussieren kann. Also auf die Instandhaltung und den Ausbau des deutschen Schienennetzes sowie Zuganbindungen und andere Angebote, die dem Allgemeinwohl zugutekommen.
Der Hintergrund des Versprechens ist, dass die DB nicht nur für das Bahngeschäft in Deutschland zuständig ist, sondern Hunderte Tochterunternehmen hat, die weltweit aktiv sind. Diese modernisieren, planen, bauen und betreiben Bahnhöfe und Zugstrecken in anderen Ländern, lassen Schiffe und Lkw Güter transportieren.
Offenbar hat die andauernde Kritik
Mit dem Verkaufserlös kann die DB einen Teil ihres Schuldenberges abtragen. Doch wird der DB-Vorstand sich, wie versprochen, aus dem Auslandsgeschäft zurückziehen, um sich um seine Probleme in Deutschland zu kümmern?
Die Realität: »Nein«, so lautet die trockene Antwort von Christian Böttger.
Im Hintergrund macht die Deutsche Bahn weiter wie gehabt. Geschäfte im ausländischen Nahverkehr, die sie vorher mit Arriva abgewickelt hat, übernimmt die DB nun mit einer eigenen Gesellschaft, DB International Operations.
Die Einnahmen und das Wissen aus den Auslandsgeschäften der Eisenbahn sollten stets Deutschland zugutekommen,
Dabei kann es eine Teillösung sein, wenn die DB schon Auslandsgeschäfte betreibt. Jedenfalls solange eine kontinuierliche und langfristige Finanzierung für die Instandhaltung und den Ausbau des deutschen Zugsystems seitens der Politik nicht gewährleistet ist. Dass das nicht der Fall ist, zeigt der nächste Punkt.
Märchen 2: Zuverlässigere Züge dank Generalsanierung und Netzausbau
Das Versprechen: Die Sanierung von 41 besonders belasteten Bahnstrecken bis 2031 soll viele Züge wieder pünktlicher und zuverlässiger werden lassen.
Hierfür möchte die DB unter anderem Gleise, Weichen, Oberleitungen, Bahnübergänge und Sicherheitsvorkehrungen erneuern und neue Lärmschutzwände errichten.
Statt die Bauarbeiten wie bisher während des laufenden Betriebs durchzuführen, werden die entsprechenden Streckenabschnitte komplett gesperrt – begonnen mit der Riedbahn zwischen Frankfurt am Main und Mannheim diesen Sommer. Für Fahrgäste richtet die DB Ersatzverkehr per Bus ein. Das kann das Bahnfahren in den nächsten 6–7 Jahren noch etwas chaotischer machen. Also zuerst einkalkulierte Verschlimmerungen, um danach endlich befreit aufatmen zu können. Klingt vertretbar, oder?
Die Realität: Die DB ist chronisch gut darin, sich zu überschätzen und zu verschätzen – das gilt auch für Finanzierungskosten. Ein Beispiel hierfür ist die zuvor genannte Riedbahn. Noch vor einem Jahr wurden die Kosten der Sanierung auf 500 Millionen Euro geschätzt.
»Die Verkehrspolitik liegt in Trümmern. Wie schwer, hat die Öffentlichkeit jedoch noch nicht begriffen«, sagt Böttger im Videogespräch.
Nun hat die Bundesregierung der Deutschen Bahn für die Sanierung zwar mehr Geld als zuvor zur Verfügung gestellt. Doch wenn wir plötzlich doppelt so viel von allem brauchen wie bisher, steigen auch die Baukosten dramatisch an; die massiven zusätzlichen Mittel erzielen unterproportionale Wirkung.
Da das Geld und die Kapazitäten fehlen, nimmt der Umfang der einst versprochenen Generalsanierung bereits immer weiter ab.
Doch damit die Bahn genügend Finanzierung hat, ihre Pläne umsetzt und aufhört, sich Dinge schönzureden, braucht es doch nur eine bessere Planung, Kontrolle und strengeres Durchgreifen seitens ihrer Eigentümerin, der Bundesregierung. Oder? Genau das dachte sich Verkehrsminister Wissing und versuchte sein Glück.
Märchen 3: Eine Regierung, die mehr Kontrolle und Verantwortung übernimmt
Das Versprechen: Die DB gehört zu 100% dem Bund. Dieser investiert Milliarden an Steuergeldern in den Konzern. In nächster Instanz ist das Bundesministerium für Digitales und Verkehr dafür zuständig, dass diese Mittel an die Stellen gelangen, wo sie am meisten Wirkung entfalten. Dazu gehört, eine funktionierende Zuginfrastruktur und -angebot zu gewährleisten – was offensichtlich seit Jahren nicht funktioniert. Das will der amtierende Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) ändern. Er bekannte sich immer wieder öffentlich dazu, Verantwortung für den miserablen Zustand der DB zu übernehmen.
Dafür hat er 2022 eine Steuerungsgruppe für die Deutsche Bahn eingerichtet, welche die Erneuerung des Netzes überwachen soll. Und er hat sich nach eigenem Bekunden für nicht weniger als »die größte Reform des Eisenbahnsektors in Deutschland seit der Bahnreform vor 30 Jahren« eingesetzt: Ende 2023 wurden das Schienennetz und die Bahnhöfe aus den bestehenden Strukturen des DB-Konzerns genommen
Die Erwartung war, dass auf diese Weise bestehende Strukturen entschlackt werden und das Verkehrsministerium mehr Einfluss auf die Instandhaltung, Sanierung und Planung der Infrastruktur ausüben kann. Damit Züge wieder zuverlässiger werden.
Die Realität: »Das war ein reiner Marketing-Gag«, sagt Böttger. Denn bis auf die Türschilder bliebe bei der Infrago bislang alles unverändert. Reformen in der Verwaltung seien vorerst auch nicht erwartbar, sagt der Bahnkenner. Das Management der Infrago habe mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) Vereinbarungen getroffen, die entsprechende Reformen auf Jahre ausschließen.
Keine von Wissings Maßnahmen hat den Einfluss des Verkehrsministeriums auf die DB verstärkt. Die DB gibt weiter den Ton an, während die Politik danebensteht und zuschaut.
Wie das sein kann,
Im Gutachten bemängeln die Prüfenden die fehlende Transparenz in der Kommunikation zwischen Verkehrsministerium und DB-Vertretenden. Insbesondere bei wichtigen Gesprächen um strukturelle Entscheidungen und hohe finanzielle Unterstützung. Weder der Verlauf von Verhandlungen noch deren Ergebnisse seien nachvollziehbar dokumentiert worden. Das Interesse der DB steht für den Bundesrechnungshof fest: »Mehr Bundesgeld mit weniger Kontrolle zu erlangen«. So lautet auch das Urteil der Rechnungsprüfer:innen: Die Verkehrspolitik sei gescheitert.
Verlierer sind der Bund, die Steuerzahlerinnen und -zahler sowie die Reisenden, denen weiterhin nur ein reformbedürftiges System Eisenbahn zur Verfügung steht.
Lösungen? Diese 6 Maßnahmen lassen sich umsetzen, ohne die DB auseinanderzunehmen
Die Entwicklungen sind alles andere als »gut«. Sie verdeutlichen nochmals, wie strukturell die Probleme der DB sind. Gleichzeitig zeigen sie mit einem blinkenden LED-Leuchtpfeil auf genau die Baustellen, welche für eine Verbesserung der Bahn in Angriff genommen werden müssen.
Hier ist eine Reihe von Lösungen, die schon jetzt umgesetzt werden können, um die 3 Märchen zumindest teilweise zu entzaubern – und ohne die DB komplett umzustrukturieren. Denn eine komplette Umstrukturierung des DB-Konzerns wird angesichts der vielen Baustellen, die momentan und in den nächsten Jahren anstehen, im »laufenden Betrieb« nur schwer möglich sein.
- Prioritäten setzen. Die DB muss ihre Auslandsgeschäfte nicht komplett aufgeben. Wie es Bahnkritiker:innen fordern, sei es jedoch ratsam, wenn der Vorstand seine Planungen und Gedankenkraft hauptsächlich auf den Standort Deutschland fokussiere. Das ist eine Prioritäten-Frage.
Noch viel wichtiger ist es laut Böttger allerdings, dass sich DB und Bund eingestehen, dass die Mittel nicht ausreichen, um alle versprochenen Baumaßnahmen umzusetzen. Auch hier gilt es nun, Prioritäten zu setzen, damit wenigstens die wichtigsten Engpässe im Bahnnetz behoben werden können. - Mehr Transparenz. Dieser Punkt betrifft sämtliche Tochterunternehmen der DB. Es ist nicht transparent, wohin Steuergelder im Konzern fließen und wie diese genau eingesetzt werden. Ebenso wenig einsehbar ist, wie der Bund die DB steuert. Doch das ließe sich mit klaren Kommunikationsstrukturen und definierten Transparenzanforderungen ändern. So könnte der Bund etwa einfordern, dass die im Ausland tätigen Tochterunternehmen der DB gegenüber ihrem Eigentümer transparent kommunizieren, wofür etwaige Steuergelder eingesetzt werden. Erzielt eine Auslandstochter entsprechend viel Gewinn, könnte ein prozentualer Anteil davon in die Bahninfrastruktur investiert werden.
- Mehr Kontrolle seitens der Bundesregierung.
- Ein neues Personalmanagement für die DB.
Ob der Plan wohl aufgeht? Laut Christian Böttger hat die DB AG in den letzten Jahren mehrfach eine Verschlankung der Verwaltung angekündigt, tatsächlich aber das Gegenteil getan. An anderen Stellen habe sich das Personalmanagement der DB verkalkuliert: - Weniger Zugverbindungen, vor allem im Regionalverkehr in den überlasteten Knoten. Das ist eine wenig populäre Maßnahme, würde jedoch das überlastete Zugnetz direkt entlasten und zumindest einige Züge zuverlässiger fahren lassen.
- Gesicherte, regelmäßige Investitionen. Das ist eine der größten Stellschrauben. Es braucht keine Sparpolitik, sondern kontinuierliche Investitionen, damit die Schieneninfrastruktur in Deutschland saniert und ausgebaut werden kann. Sie ist das Rückgrat der Verkehrswende. Ohne gesicherte Finanzierung (über den politischen Neuwahlen-Turnus hinaus) lassen sich mittel- und langfristige Projekte wie die Generalsanierung oder der Deutschlandtakt nicht durchführen.
Um all diese Maßnahmen durchzusetzen, braucht es jedoch von beiden Seiten den Willen zu unpopulären Entscheidungen und Durchhaltevermögen: seitens der Bundesregierung den politischen Willen durchzugreifen und seitens der Deutschen Bahn die Bereitschaft für echte Reformen.
Tut sich hier etwas, lässt sich auch eine Finanzierung sicherstellen und gemeinsam an Plänen arbeiten, um die Bahn auf das Gleis Richtung Zukunft zu stellen. Auf dem Weg dorthin wird die DB noch von einigem Bahn-Bashing begleitet werden – zu ihrem eigenen Wohl.
Denn so gern ich in diesem Text eine Lanze für die Bahn gebrochen und auf bereits stattfindende Verbesserungen gepocht hätte – abgesehen vom teilweise sehr hilfsbereiten Bahnpersonal und der veganen Currywurst im Bordbistro, sieht die Realität anders aus.
Das zeigt einmal mehr: Beim Konstruktiven Journalismus geht es nicht ums Rosinenpicken, sondern darum, den Finger so lange kritisch in die Wunde zu legen, bis wir auf echte Lösungen hinarbeiten können, die ihren Namen auch verdienen.
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