Warum wir uns nicht zwischen Wohlstand und Klimaschutz entscheiden müssen
Der Club of Rome warnt seit Jahrzehnten vor den »Grenzen des Wachstums«. In seinem neuen Buch macht er gemeinsam mit dem Wuppertal Institut konkrete Vorschläge für Deutschlands Kampf gegen die Klimakrise.
2022 ist Earth for All erschienen. Das Buch ist das Ergebnis einer Initiative und eines Kollektivs von führenden Forschenden, koordiniert vom
Irgendwie wissen wir es ja: Wie viele Klimagase ein Mensch emittiert, wie viel Fläche er verbraucht, wie groß sein ökologischer Fußabdruck insgesamt ist – das alles hängt sehr maßgeblich mit der Höhe seines Einkommens und Vermögens zusammen. Damit müsste allen Wohlhabenden mit ökologischem Bewusstsein klar sein: Ich bin irgendwie auch Teil des Problems. Selbst dort, wo die ökologische Überzeugung fehlt, ist mittlerweile angekommen, dass es da möglicherweise ein Problem gibt mit dem Klimawandel, dem Artensterben und vielem mehr. Dabei müssen sich viele, die dieses Buch schreiben und lesen, bewusst machen: Wir gehören vermutlich durchaus zu denen, die beim Giant Leap auf ein paar Annehmlichkeiten verzichten müssen. Global betrachtet, gehören wir sowieso zu den Wohlhabenden. Aber auch in Deutschland bedeutet eine faire Verteilung bei gleichzeitiger Einhaltung der planetaren Grenzen nicht nur, dass Superreiche abgeben müssen.
Gleichzeitig fühlen sich viele, und zwar in allen Schichten der Gesellschaft, gefangen in ihren nicht nachhaltigen Mustern: Die einen würden gerne mehr tun, wissen aber nicht, wie sie dies bewerkstelligen sollen. Wie kommen sie zum Beispiel ohne Auto zur Arbeit? Oder wie können sie sich bei der Inflation die Biolebensmittel noch leisten? Die anderen sind gefangen im Statuskonsum: Sie wollen den Erwartungen ihrer gesellschaftlichen Schicht entsprechen und kaufen daher Dinge, die sie eigentlich gar nicht brauchen.
Deshalb ist es wichtig, auch auf die individuelle Verantwortung zu schauen. Gleichzeitig lassen sich Muster verändern und Zwänge reduzieren, wenn manche Konsumgewohnheiten schlicht nicht mehr möglich sind, weil die Formulierung von ökologischen Standards auf nationaler oder europäischer Ebene dies verhindert oder weil Einkommen und Vermögen gerechter verteilt sind. 2022 haben Wilkinson und Pickett in einem
- Das ökonomische Wachstum kann auf einem begrenzten Planeten nicht ewig weitergehen. Es steht als Alternative zu einer fairen Verteilung also nicht zur Wahl. Wenn der Kuchen nicht permanent wächst, müssen wir ihn anders verteilen!
- Die Menschen werden die Maßnahmen für eine nachhaltige Entwicklung ablehnen, wenn sie das Gefühl haben, dass die Lasten des Wandels unfair verteilt sind.
- Der ökologische Fußabdruck der Reichen ist so groß, dass wir ihn zwingend reduzieren müssen.
- Reduziert sich die Ungleichheit, verringert sich auch der Statuswettbewerb zwischen den Menschen, der zu unnötigem Konsum führt.
- Mehr Gleichheit wirkt sich positiv auf Gesundheit und soziales Wohlergehen aus. Regierungen sollten also Wohlergehen als Ziel haben, nicht ökonomisches Wachstum.
- Mehr Gleichheit macht Menschen kooperativer, sie unterstützen sich gegenseitig. Dies wird in ökologischen Krisen bald notwendig sein oder ist es schon.
Ungleichheit auf ein verträgliches Maß abzubauen, ist also nicht nur gerecht. Es ist überlebenswichtig. Das macht den Giant Leap so existenziell.
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily