Warum das »Sicherheitspaket« eigentlich »Überwachungs- und Entrechtungspaket« heißen sollte
Das »Sicherheitspaket« der Ampel hält nicht, was es verspricht. Im Gegenteil. Für viele Menschen wird das alltägliche Leben dadurch unsicherer. In unserem neuen Format schlagen wir daher einen Wortwechsel vor.
»Deutschland wird jetzt sicherer!«
So lautet zumindest das Versprechen des »Sicherheitspakets«, das Ende Oktober – noch vor dem Ampel-Aus – zu Teilen in Kraft getreten ist. Es verschärft das Asyl- und Waffenrecht und räumt Sicherheitsbehörden neue Befugnisse ein. Doch dazu gleich mehr.
Das Sicherheitspaket ist die Antwort der Regierung auf den
Regierungsvertreter:innen reagierten prompt: »Unser Sicherheitspaket stärkt die innere Sicherheit unseres Landes«,
Klingt erst mal überzeugend und notwendig, oder? Sicherheit ist ein grundlegendes Bedürfnis, und die Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus ist essenziell. Niemand soll sich bei einem Stadtspaziergang vor Anschlägen fürchten müssen – weder in Solingen noch anderswo. Da sind wir uns wohl alle einig.
Das Problem: Es steckt wenig Sicherheit im »Sicherheitspaket«.
Es ist ein Etikettenschwindel, der vertuscht, wie die neuen Regeln Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchtete unter Generalverdacht stellen und ihre Rechte einschränken – ohne die Sicherheit maßgeblich zu erhöhen. Es ist ein Geschenk für AfD und BSW, die sich ins Fäustchen lachen, wenn demokratische Kräfte den Diskurs immer weiter nach rechts verschieben, in dem aussichtslosen Versuch, migrationskritische Stimmen für sich zu gewinnen.
Es muss ein Wortwechsel her, der das deutlich macht.
Nur durch eine klare Sprache können wir die Maßnahmen kritisch durchleuchten und eine ehrliche Diskussion darüber führen, ob wir diese Regeln wirklich wollen – und ob sie überhaupt die versprochene Wirkung erzielen.
Sicherheit durch Überwachung: Ist das sinnvoll?
Aber noch mal von vorne. Das sogenannte »Sicherheitspaket« enthält 2 Gesetze:
- Asyl- und Waffengesetz: Dieses Gesetz sieht unter anderem ein Messerverbot in Bussen und Bahnen vor und erlaubt es, asyl- und schutzsuchenden Menschen Sozialleistungen zu streichen, wenn ihre Ausreise rechtlich möglich ist.
- Erweiterte Befugnisse für Sicherheitsbehörden: Diese Regelung ermöglicht es den Behörden, biometrische Daten aus dem Internet abzugleichen und dazu alle online veröffentlichten Fotos, Videos, Tonaufnahmen und Gesichtserkennungstechnologien zu analysieren.
Während das zweite Gesetz im Bundestag beschlossen wurde, blockierte es der Bundesrat aufgrund von Widerstand seitens der Union, die es für »unzureichend« hält, um die Sicherheit in Deutschland zu verbessern.
Insofern wäre es treffender, mindestens von einem »Überwachungspaket« zu sprechen, um die Konsequenzen für die Privatsphäre klar zu benennen. So haben Bürger:innen die Chance, zu hinterfragen, wie Sicherheit wirklich gewährleistet werden soll – und Maßnahmen nicht unter einem allgemeinen Sicherheitsversprechen unhinterfragt zu akzeptieren. Das muss nicht bedeuten, dass wir den Gesetzentwurf komplett verwerfen. Aber es ermöglicht, dass wir eine ehrliche Debatte darüber führen können, welche Maßnahmen gerechtfertigt und tatsächlich sinnvoll sind.
Ob das zweite Gesetz letztlich doch in Kraft tritt, bleibt abzuwarten: Bundestag und Bundesregierung könnten den
Unter Generalverdacht: »Mehr Sicherheit« bedeutet nicht mehr Sicherheit für alle
Hier wird besonders deutlich, wie irreführend der Begriff »Sicherheitspaket« tatsächlich ist – für viele Menschen könnte es das genaue Gegenteil bedeuten.
Da ist zum einen das Messerverbot.
Können wir das akzeptieren? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir es klar benennen: Das »Sicherheitspaket« birgt auch ein »Generalverdachtspaket«. Nur wenn wir das erkennen, lässt sich überlegen, welche Maßnahmen wirklich für den Schutz aller Menschen sorgen – und welche nicht.
Menschen werden im Namen von Sicherheit entrechtet
Der wohl fragwürdigste – und womöglich rechtswidrige – Beschluss im Namen von »mehr Sicherheit« ist die Neuregelung im Asylgesetz.
Demnach verlieren asyl- und schutzsuchende Menschen, für die gemäß der
Was hier passiert: Unter dem Deckmantel von »Sicherheit« werden alle geflüchteten Menschen pauschal unter Generalverdacht gestellt. Die Annahme: Sie könnten ja Terrorist:innen sein. Also nehmen wir ihnen lieber ihre Existenzgrundlage weg.
Wie absurd und unbegründet diese Gleichstellung ist, weiß jede:r, der oder die selbst mal geflüchtet ist oder Geflüchtete kennt. Ja, es gibt Ausnahmen und wie im Fall von Solingen mischen sich Extremist:innen unter Geflüchtete – so wie unter den Rest der Bevölkerung auch.
Diese drastische Kürzung der Sozialleistungen
Große Zweifel an der Wirksamkeit der Maßnahmen
Zudem ist fraglich, ob die Maßnahmen überhaupt wirksam sind.
»Weder hätte der mutmaßliche Täter [des Messeranschlags in Solingen] nach den neuen Regeln abgeschoben werden können, noch hätte er seinen Schutzstatus verloren, wäre über einen biometrischen Abgleich aufgefallen oder hätte er sich von den Verschärfungen im Waffengesetz beeindrucken lassen«, sagt Bijan Moini,
Ärztin, Journalistin und Migrationsexpertin Gilda Sahebi warnt darüber hinaus davor, dass der Entzug von Sozialleistungen Menschen in schwierigen Lagen sogar noch weiter in die Isolation treiben und so Radikalisierung fördern könnte.
Denn die Wahrheit ist: Es gibt keine einfache Lösung für mehr Sicherheit. Im Gegenteil. Es bedarf nachdenklicher Analysen und langfristig angelegter Maßnahmen. Dazu gehört auch eine Sprache, die der Komplexität der Thematik gerecht wird, statt sich auf platte »Antimigrationsdebatten« zu stützen.
Beginnen wir damit, das beschlossene »Sicherheitspaket« beim richtigen Namen zu nennen: ein »Überwachungs- und Entrechtungspaket«.
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