In den USA wurde gerade ein verurteilter Straftäter zum Präsidenten gewählt, der nicht gerade dafür bekannt ist, seine Mitmenschen mit Respekt und Freundlichkeit zu behandeln. Gleichzeitig ging die deutsche Regierung im Streit auseinander. In vielen Familien fliegen bei Diskussionen über Politik und aktuelle Entwicklungen in unserer Gesellschaft die Fetzen. Und in den sozialen Medien ersticken Pöbeleien jeden konstruktiven Diskurs. Kurz: Freundlichkeit scheint aktuell nicht sehr hoch im Kurs zu stehen.
Dabei kann sie unser Leben so viel leichter machen. Sie hat die Kraft, aus dem miesepetrigen Nachbarn einen hilfsbereiten Babysitter zu machen und aus der rempelnden Konkurrentin um die letzte Kohlrübe im Supermarkt eine verständnisvolle Leidensgenossin. Sie kann eine langweilige Bahnfahrt in den Beginn einer neuen Freundschaft verwandeln, eine unerbittliche Diskussion in die Suche nach Gemeinsamkeiten, ein Gegeneinander zum Miteinander. Wie wir es schaffen können, die Macht der Freundlichkeit zu nutzen, weiß René Borbonus.
Kristina Gärtner:
Die aktuelle Lage kann einem ganz schön auf die Stimmung schlagen. Ich ertappe mich manchmal dabei, dass ich nur noch unfreundlich durch die Gegend muffele. Sie empfehlen aber genau das Gegenteil.
René Borbonus:
Auf jeden Fall. Durch Freundlichkeit wird alles leichter. Dabei machen wir nicht nur dem Gegenüber eine Freude. Auch unsere eigene Stimmung hellt sich messbar auf, wenn wir zu anderen freundlich sind. Studien zeigen: Wenn wir einen Akt der Freundlichkeit vollziehen, wird unser Belohnungszentrum aktiviert und Glückshormone ausgeschüttet. Besonders wirksam ist übrigens selbstlose Freundlichkeit, also Freundlichkeit, für die wir keine Reaktion oder Gegenleistung erwarten.
Sie schreiben in Ihrem Buch: »Freundlichkeit ist nicht nur schön – sie ist auch sehr klug«. Wie meinen Sie das?
René Borbonus:
Freundlichkeit kann uns Türen öffnen, die vorher verschlossen waren. Je mehr ich davon gebe, desto mehr bekomme ich auch zurück. Ich würde das sogar noch ein bisschen höher hängen. Es gibt die so genannten das sind Regionen, in denen Menschen signifikant viel älter werden als im Rest der Welt. Sie heißen so, weil sie auf der Karte mit einem blauen Punkt markiert wurden. Es gibt sie unter anderem auf Sardinien, Sizilien, Japan und in Costa Rica. An diesen Orten kann man feststellen, welche Faktoren wirklich wichtig sind, damit man im Alter lange gesund und vital bleibt. Und anders, als viele in Europa denken, ist es nicht so, dass wir dafür nur sehr viel Sport treiben und uns gesund ernähren müssen. Die zwei wichtigsten Faktoren, um sehr alt zu werden, sind ein Eingebundensein in die Gemeinschaft und die Möglichkeit, Hilfe geben und annehmen zu können.
Kristina Gärtner hat die Autorinnen und Autoren von Perspective Daily nach ihren positiven und negativen Erfahrungen mit Freundlichkeit gefragt. Ihre Antworten hat sie René Borbonus vorgelegt.
Ist Freundlichkeit nicht eine Art Manipulation?
Ist Freundlichkeit nicht eine Art Manipulation?
Maryline Boudot:
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mit Freundlichkeit weiterkomme. Ich habe vor einer Zugfahrt mal vergessen, mir ein Ticket zu kaufen. Als der Schaffner kam, habe ich ihm meine Lage erklärt und mich entschuldigt. Daraufhin musste ich keine Strafe zahlen, sondern konnte mir einfach nachträglich ein Ticket kaufen. Ich frage mich aber, ob es eine Art Manipulation ist, wenn ich mich auf eine bestimmte Weise benehme, um dadurch zu bekommen, was ich will.
René Borbonus:
Eine Entschuldigung auszusprechen, weil man sein Ticket vergessen hat, finde ich erst einmal nicht manipulativ, selbst wenn es in der Situation weiterhilft. Ich halte die Entschuldigung für eines der mächtigsten Tools in der Rhetorik, wenn sie aufrichtig gemeint ist. Wenn man durch sie die Chance bekommt, einen Fehler wiedergutzumachen, ist das doch in Ordnung. Manipulativ wird sie erst, wenn man sie mit schlechtem Vorsatz einsetzt oder womöglich noch nicht einmal ernst meint.
Freundlichkeit ist also gesund?
René Borbonus:
Auf jeden Fall. Sie senkt nachweislich den Blutdruck, verringert unser Stressempfinden und stärkt das Selbstwertgefühl. Freundlichkeit ist klug und gesund. Diese Botschaft möchte ich unbedingt in die Welt tragen, um mit dem negativen Image der Freundlichkeit aufzuräumen. Es heißt ja oft, Freundlichkeit sei ein Zeichen von Schwäche.
Braucht es nicht manchmal eine gewisse Unfreundlichkeit, um sich durchsetzen zu können?
René Borbonus:
Die Frage ist immer: Zu welchem Preis. Nehmen wir zum Beispiel eine Führungskraft. Es wird ihr sicher leichter fallen, Entscheidungen zu treffen, wenn sie sich nicht ständig fragt, wie es den anderen damit geht. Sie kommt also vermutlich schneller zu Ergebnissen. Die Gefahr besteht allerdings, dass es zu Kündigungen kommt.
Und das können sich Unternehmen in Zeiten des Fachkräfte- und Arbeitskräftemangels nicht mehr leisten. Da sind Führungskräfte gefragt, die auch Respekt, Empathie und Wertschätzung kultivieren können, weil das die Leute eher dazu bringt, im Unternehmen zu bleiben. Es gibt Umfragen dazu, warum Menschen kündigen: Zu den häufigsten Gründen zählt, dass sie nicht genügend Respekt und Wertschätzung erfahren.
Ich bin der Meinung, dass es sich direkt auszahlt, wenn man Freundlichkeit und Respekt im Unternehmen kultiviert. Und ich kann sicher sagen, Freundlichkeit ist also nicht nur ein Wert, sondern erschafft auch Werte. Menschen werden gesünder und Unternehmen produktiver.
Gerade Frauen sind aber doch manchmal eher zu freundlich und wollen es allen recht machen.
René Borbonus:
Wenn man immer zurücksteckt, ist das natürlich nicht sinnvoll. Aber das hat meines Erachtens nichts mit Freundlichkeit zu tun, sondern mit fehlender Selbstbehauptung.
Muss ich mich schlecht fühlen, wenn ich mal nicht freundlich sein kann?
Muss ich mich schlecht fühlen, wenn ich mal nicht freundlich sein kann?
Désiree Schneider:
Wenn ich einen ganz schlechten Tag habe oder von etwas belastet bin, habe ich absolut keine Empathie mehr für die Probleme meiner Freund:innen. Da bin ich manchmal auch etwas unleidlich. Im Nachhinein tut es mir dann leid, dass ich nicht freundlicher war.
René Borbonus:
Das verstehe ich gut. Aber ich glaube hier dürfen wir ruhig etwas weniger streng zu uns selbst sein. Eine gelungene Kommunikation hat viel mit Respekt zu tun. Ich kann den anderen aber nur respektieren, wenn ich auch in der Lage bin, mich selbst zu respektieren. Das impliziert auch, anzuerkennen, dass es Tage gibt, an denen es uns nicht gut geht. Und dann sind Selbstfürsorge und -empathie der erste Schritt. Kommunikation funktioniert ja auch nur dann, wenn beide wirklich wollen. Und manchmal geht das eben nicht.
Wie würden Sie Freundlichkeit definieren?
René Borbonus:
Es gibt da eine sehr schöne Orientierung von Aristoteles, nach der Freundlichkeit zwischen Gefallsucht und Streitsucht liegt. Das finde ich eine perfekte Definition. Weil es eben nicht darum geht, anderen zu gefallen. Es geht vielmehr darum, in der Sache klar zu sein, aber eben herzlich zum Menschen. Das ist Freundlichkeit. Man kann also durchsetzungsstark sein, aber trotzdem freundlich bleiben.
Wie vermeidet man es, dass Freundlichkeit aufgesetzt rüberkommt?
René Borbonus:
Zuallererst: Mir ist eine aufgesetzte Freundlichkeit viel lieber als eine authentische Unfreundlichkeit. Aber grundsätzlich ist es natürlich schöner, wenn hinter dem freundlichen Verhalten auch eine entsprechende Haltung steckt.
Was macht eine freundliche Haltung aus?
René Borbonus:
Dass ich bei meinem Handeln auch ein bisschen das soziale Gefüge um mich herum im Blick habe und den anderen Menschen gegenüber wohlwollend bin. Respekt heißt ja, den anderen zu sehen. Es gibt da eine wunderschöne Formulierung: Wir können Menschen Ansehen verleihen, indem wir sie ansehen.
Wie äußere ich freundlich Kritik?
Wie äußere ich freundlich Kritik?
Dirk Walbrühl:
Ich habe mal in einem Restaurant wirklich schlechte Spaghetti bekommen. Nichts daran schmeckte und unten im Teller war ein See vom Kochwasser. Eigentlich hätte ich mich beschweren sollen. Als der Kellner aber fragte, ob alles in Ordnung sei, war ich lieber freundlich und dankte ihm für seine Aufmerksamkeit. Kritik habe ich nicht geäußert.
René Borbonus:
Das kennt wohl jeder Mensch, der ein bisschen auf Harmonie setzt. Ich finde es sozial auch nicht unbedingt unklug. Schließlich wollen wir niemanden vor den Kopf stoßen. Ich möchte aber empfehlen, es einmal mit freundlicher Kritik zu versuchen. Allgemein ist bei Kritik ganz relevant, welche Zeitform man wählt. Wenn ich in der Vergangenheit spreche und sage »Die Spaghetti waren total verkocht«, dann geht es automatisch um die Schuldfrage. Hat der Koch nicht auf die Uhr geschaut oder hat der Service vielleicht getrödelt? Spreche ich aber über die und sage zum Beispiel »Ich würde mich freuen, wenn die Spaghetti nächstes Mal al dente wären«, ist das deutlich freundlicher.
Kann man eine solche Haltung wirklich lernen oder liegt sie tief in der Persönlichkeit angelegt?
René Borbonus:
Ich glaube, dass nicht nur die Haltung das Verhalten bestimmt, sondern dass umgekehrt auch ein freundliches Verhalten einen positiven Einfluss auf unsere Haltung haben kann. Wenn ich merke, dass Kommunikation gelingt, wird meine Haltung ganz automatisch freundlicher. Kommunikation formt unsere Beziehungen und unsere Beziehungen bestimmen unsere Lebensqualität. Das heißt, wenn ich es schaffe, die Beziehungen zu meinem Lebenspartner, zu den Kindern, Freunden und Eltern zu stärken, kann ich daraus eine Kraft ableiten, die es dann auch zulässt, dass meine Haltung freundlicher wird.
Denn unsere Haltung bestimmt auch, was wir wahrnehmen. Es gibt ja mittlerweile eine ganze Reihe von empirischen Belegen dafür, dass Menschen von ihrem Wesen her auf Kooperation aus sind. Im des Historikers Rutger Bregmann kann man dazu viele Beispiele nachlesen.
Auch der geht davon aus, dass Kooperation in der Evolution des Menschen ein entscheidender Überlebensvorteil war.
René Borbonus:
So ist es. Sie hat sich in unser Erbgut eingebrannt. Diese Erfahrung macht im Alltag aber nur, wer auch hinschaut. Wenn man sich nur noch darauf fokussiert, was gerade alles schiefläuft und wo Menschen Gewalt angetan wird, dann wird es irgendwann schwierig, an das Gute im Menschen zu glauben.
Haben Sie den Eindruck, dass unsere Gesellschaft immer unfreundlicher wird?
René Borbonus:
Wenn man sich die Diskurse und Debatten in den letzten Jahren anschaut, kann man tatsächlich eine leichte Tendenz in diese Richtung sehen. Zumindest seit der Coronazeit nehme ich eine gewisse Gereiztheit wahr. Wir können nicht mehr so richtig miteinander streiten und bezichtigen andere Menschen eher, als sie zu widerlegen. Ich habe das Gefühl, dass wir verlernt haben, anderen mit der Haltung zu begegnen: Ich respektiere das, was du sagst, und doch sehe ich es anders. Dabei könnte genau das viele Debatten wieder entspannen.
Hat Sie diese Beobachtung zu ihrem neuen Buch motiviert?
René Borbonus:
Ja, absolut. Ich arbeite seit etwa zwanzig Jahren als Rhetoriktrainer und durfte auch schon mit Spitzenpolitikern arbeiten. Und ich mache mir tatsächlich ein bisschen Sorgen um unser Diskursklima. Ich glaube, bei den ernsten Problemen, die wir aktuell zu lösen haben, wäre es hilfreich, wenn wir mit einer gewissen Offenheit um die beste Lösung ringen.
Wie kann Freundlichkeit da helfen?
René Borbonus:
Was ich sicher sagen kann: Menschen, die in der
Sache klar sind und zu den Menschen freundlich bleiben können, sind Wenn ich es kombinieren kann, nicht einer Meinung zu sein, aber respektvoll zu bleiben, dann wirkt sich das auf jeden Fall günstig aus. Selbst in harten Verhandlungen erziele ich leichter eine Einigung, wenn ich es schaffe, Respekt zu kultivieren.
Wieso sind wir immer wieder vor allem gegenüber unserer Familie und unseren Freund:innen unfreundlich?
Wieso sind wir immer wieder vor allem gegenüber unserer Familie und unseren Freund:innen unfreundlich?
Katharina Wiegmann:
Aus meinen eigenen Erfahrungen im Servicebereich weiß ich, dass es auch für die eigene Laune zuträglich ist, anderen freundlich gegenüberzutreten. Zu Hause gelingt mir das leider nicht immer.
René Borbonus::
Dieses Phänomen kennen wir sicher alle und ich habe ihm in meinem Buch ein ganzes Kapitel gewidmet: »Mit Freunden sprechen wie mit Fremden«. Das klingt erst einmal ein bisschen verwirrend, denn eigentlich würde man ja davon ausgehen, dass wir mit Menschen, die uns nahestehen, freundlicher umgehen als mit Fremden. Zu Hause gehen wir aber oft Abkürzungen und setzen viel voraus. Wir geben uns nicht mehr so viel Mühe und haben nicht mehr die gleiche Offenheit wie bei neuen Kontakten. Aber alle Menschen haben den gleichen Respekt verdient, auch wenn wir wissen, wie sie vor dem ersten Kaffee aussehen.
In vielen Familien und Freundeskreisen wird momentan hitzig über Politik diskutiert. Wie schafft man es, in solchen Diskussionen ruhig zu bleiben?
René Borbonus:
Es gibt dazu eine uralte Übung, die ich auch gerne in meinen Seminaren mache, weil sie so wunderbar funktioniert: den kontrollierten Dialog. Dabei versucht man, die Meinung des Gegenübers noch einmal in eigenen Worten zu wiederholen. Allein das zeigt dem anderen: Ich habe zugehört, ich habe dich verstanden, irgendwie respektiere ich es auch und doch sehe ich es anders.
Was noch dabei hilft, einen guten Diskurs zu führen, ist, sich klarzumachen, dass man oft das gleiche Ziel hat. Niemand möchte zum Beispiel, dass Arten aussterben oder dass sich eine Pandemie ausbreitet. Meistens geht es ja nur darum, dass die Wege dorthin unterschiedlich ausgestaltet sind. Wenn man versteht, dass es bei komplexen Themen verschiedene Wahrheiten gibt, lassen sich solche Gespräche deeskalieren.
Wenn ich mir das klarmache, kann ich die Meinung von anderen viel besser akzeptieren und respektieren. Und dann kann ich gucken, ob wir eine Lösung finden, mit der alle einverstanden sind.
Und wenn keiner von seiner Meinung abrücken möchte?
René Borbonus:
Dann finde ich es auch in Ordnung, wenn man bestimmte Themen einfach ausklammert. In der Coronazeit hatte ich auch irgendwann zu einem guten Freund gesagt: Ich möchte gerne mit dir befreundet bleiben, lass uns das Thema einfach abhaken.
Eine zunehmende Gereiztheit lässt sich auch in den sozialen Netzwerken beobachten. Was kann man den Pöbeleien entgegensetzen?
René Borbonus:
Bei verbalen Angriffen im Netz, aber auch im realen Leben finde ich es immer ganz hilfreich, betont höflich zu bleiben. Das ist natürlich nicht immer einfach, wenn man wirklich rüde angegangen wird. Aber es lohnt sich, erst einmal durchzuatmen und den Angriff an sich abprallen zu lassen. Wenn ich dann mit gelassener Höflichkeit reagiere, nehme ich dem Gegenüber den Wind aus den Segeln. Außerdem mache ich ihm und allen anderen, die diese Diskussion mitverfolgen, damit deutlich, wer sich hier gerade im Ton vergriffen hat.
Haben Sie noch weitere Tipps?
René Borbonus:
Wenn Sie pauschal angegangen werden, zum Beispiel mit »immer diese Journalisten«, hilft es, interessiert nachzufragen. Nach dem Motto: Wir können gerne in den Dialog gehen, aber vorher möchte ich noch einmal nachfragen, worauf sie sich beziehen. Mit dieser Frage ignorieren Sie die Bewertung, die mit der Äußerung mitschwingt, und fokussieren die Beobachtung. Dann kann man inhaltlich darüber diskutieren, ob Journalisten einseitig berichten, oder was auch immer der Kritikpunkt ist. Das macht natürlich einen Riesenunterschied.
Und wenn das Gegenüber nur auf Krawall aus ist?
René Borbonus:
Das kommt natürlich durchaus vor. Im Moment wäre es fatal, zu ignorieren, dass viele Menschen sehr daran interessiert sind, den Diskurs an die Wand zu fahren oder mit Aggressivität aufzuladen. Aber das Schöne ist: Wenn wir da ruhig bleiben und fragen »Worauf beziehen Sie sich?« und da kommt nichts, dann entlarven wir dieses Spiel.
Ist es nicht besser, Krawallmacher zu ignorieren, um ihnen nicht noch mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen?
René Borbonus:
Ich finde, das haben wir jetzt lange genug versucht und es hat nicht so richtig gut funktioniert. Ich bin der Meinung, dass wir uns ruhig auch diesen virtuellen Raum rekultivieren dürfen. Das geht zum einen, indem wir mutig aufstehen, wenn wir feststellen, dass ein anderer massiv unter Druck gesetzt wird, und zeigen, dass er nicht alleine ist. Zum Beispiel indem wir das Ganze an Hate Aid melden oder eine andere Organisation, die sich gegen Hass im Netz einsetzt. Aber auch indem man mal nachfragt und diskutiert.
Das kann ganz schön anstrengend werden.
René Borbonus:
Bestimmt. Aber die sozialen Medien sind ein öffentlicher Raum, in dem die Meinungsbildung stattfindet. Deutlich wurde das nach den letzten Wahlen, als die jungen Leute vorwiegend rechtspopulistische Parteien gewählt haben. Da sollten wir dringend hinschauen, vor allem die Eltern. Denn wenn jemand in einem realen Zimmer mit Hassparolen auf unser Kind einreden würde, würden wir auch aktiv werden. Aber im virtuellen Raum denken wir offenbar immer noch, dass sich das irgendwie von selbst löst.
Soziale Netzwerke, in denen Menschen freundlich und respektvoll miteinander diskutieren, das ist in der Tat eine schöne Vorstellung.
René Borbonus:
Ja, und die sollten wir nicht so schnell aufgeben. Ich denke, wenn jeder einen kleinen Beitrag dazu leistet, kann es auch gelingen.
Kristina Gärtner studierte in Hamburg Journalistik, Psychologie und Soziologie. Seit 2007 schreibt sie als freie Journalistin über Themen aus Wissenschaft, Psychologie und Medizin.