Bei diesem Trend zählt Deutschland zu den Spitzenreitern
Eine neue Studie zeigt: Einstellungen zu Geschlechterrollen sind hierzulande egalitärer geworden. Luft nach oben gibt es trotzdem noch.
Der Mann leistet Lohnarbeit, die Frau kümmert sich unbezahlt um die Kinder und den Haushalt – bis vor rund 50 Jahren war dieses Modell der Standard in der Bundesrepublik Deutschland.
Nicht nur, weil es alle so am liebsten hatten. Bis zum Jahr 1976 war im Westen Deutschlands gesetzlich festgelegt, dass sich Frauen um Haushaltsführung und Kindererziehung zu kümmern haben, Männer für den finanziellen Unterhalt sorgen müssen. Frauen durften nur dann mit der Erlaubnis ihres Ehemannes arbeiten, wenn es mit ihren Pflichten vereinbar war. Die weit verbreitete »Hausfrauenehe« ging mit einem gesellschaftlichen Rollenbild einher, das Frauen im Vergleich zu den Männern in einer untergeordneten Position sah.
Dieses Bild hat sich in Deutschland über die vergangenen Jahrzehnte gewandelt,
Abgefragt wurde die Einstellung zu Aussagen wie »Männer sollten bei Jobknappheit mehr Recht auf einen Job haben als Frauen«, »Männer sind bessere politische Führungspersonen«, »Universitätsbildung ist für Jungen wichtiger als für Mädchen« oder »Ein Vorschulkind leidet, wenn die Mutter arbeitet«. In gleichberechtigten Gesellschaften ergeben all diese Aussagen keinen Sinn und müssten dementsprechend abgelehnt werden. Und tatsächlich ist das im Verlauf der vergangenen 30 Jahre zunehmend der Fall. So lehnen heute rund 80% der Bevölkerung ab, dass Männer bei der Jobvergabe bevorzugt behandelt werden sollten; im Jahr 1990 waren es nur 55%.
Ein differenzierter Blick lohnt sich allerdings. So heißt es in der Studie: »Die befragten Männer weisen konsistent eine geringere Ablehnung auf als Frauen.« Sie haben sich also noch nicht im selben Maße von den alten Rollenbildern emanzipiert. Und es gibt einen Bereich, bei dem die Antworten seit 2010 wieder zunehmend in Richtung traditioneller Rollenbilder verlaufen: Familie. In den letzten Jahren denken wieder mehr Menschen, dass es Kleinkindern schade, wenn die Mutter arbeiten gehe.
Frauenbilder in der EU und weltweit
Der Titel hat es versprochen: Weltweit gehören »wir« tatsächlich zu den Ländern mit dem modernsten Frauenbild, wie die Daten zeigen. Aus den Einstellungen zu den oben genannten Aussagen wurde für jedes Land ein »durchschnittlicher Frauenscore« im Bereich 0–1 ermittelt, wobei 1 die 100%-ige Ablehnung ungleicher Rollenbilder bedeutet. Deutschland erreicht dabei eine 0,79.
Doch alles ist relativ: Im Vergleich zu den nordeuropäischen Ländern Schweden, Dänemark und Finnland hat Deutschland noch ein wenig Aufholbedarf. Absoluter Spitzenreiter ist Schweden mit 0,9 – dort war man in den 1950er-Jahren schon auf einem Niveau, das Deutschland erst 2013 erreicht hatte.
Und noch eines zeigt die Langzeitbeobachtung: Die »Modernisierung« von Rollenbildern hin zu mehr Gleichheit verläuft weder automatisch noch unumkehrbar. Gesetzgebung beeinflusst den Prozess – wie am deutschen Beispiel deutlich wird.
Zur nächsten guten Nachricht:
Titelbild: Perspective Daily - copyright