Dieser Text für Männer ist nach der Trump-Wahl dringend nötig
Junge Männer haben sich von »Bro-Flüsterern« einlullen lassen und Trump zum Sieg verholfen. Ähnliches droht uns auch in Deutschland. Was wir dagegen tun können? Männer ernster nehmen.
Seit der US-Wahl stellen sich viele Menschen eine Frage: Wie konnte in den USA ein Albtraum von einem Mann, ein
Eine Antwort ist: Ausgerechnet bei jungen Männern unter 30 konnte Trump punkten; sie spielten eine
Ein Schlüssel, um dies zu verstehen, könnte in der Art und Weise liegen, wie Donald Trump diese Wählergruppe angesprochen und umgarnt hat: »Bro-Whispering« ist das neue Wort dafür. Wie das ankommt, habe ich einen Bekannten aus den USA gefragt. Hank wohnt in Denver, ist 26 und Wechselwähler. Er hat 2-mal für die US-Demokraten gestimmt und war Obama-Fan, diesmal wählte er Trump.
Ich bin jung, weiß, männlich. Ständig werde ich dafür kritisiert, an allem soll ich schuld sein, mich ändern! Trump nimmt mich einfach, wie ich bin – für die Demokraten bin ich eher ein Feindbild. Ihr Pech!
Ist das Trotz? Verletzte männliche Eitelkeit? Viele Analyst:innen sagen: »Nicht nur« – junge Männer stecken auch in einer Krise – oder fühlen sich zumindest so.
Junge Männer sind einsam, deprimiert und verunsichert. Das ist es, was sie vor allem zu Trump treibt.
Das Problem ist: Das Phänomen ist längst nicht nur auf die USA beschränkt. Auch hierzulande rücken Männer aller Altersstufen nach rechts, wie mein Kollege Benjamin Fuchs untersucht hat.
Ein wichtiger Take daraus: Junge Männer nehmen die noch existierenden Unterschiede zwischen den Geschlechtern nicht mehr wahr und fühlen sich von Gleichstellungsmaßnahmen bedroht.
Männergefühle und Ressentiments treffen dann auf Populist:innen und Rechtsradikale, die sie aufgreifen – in den USA Trumps MAGA-Bewegung, hierzulande mit ähnlichen Narrativen vor allem die AfD. In den USA zeigt sich gerade, was passiert, wenn sich junge Männer diesen Narrativen hingeben.
Wenn wir bei der kommenden Bundestagswahl kein übles Erwachen erleben wollen, müssen wir genauer hinschauen und ernsthaft verstehen, wo jungen Männern wirklich der Schuh drückt. Zum Wohle aller.
Das Problem: Warum junge Männer so anfällig für Trump sind
Für mich war die Wahl wie ein Statement gegen ein System, das mich ablehnt. – Hank W., 26-jähriger US-Wähler
Nun wirkt es recht eigenartig, dass ausgerechnet junge Männer politisch »rebellieren«. Immerhin profitieren sie von einem System, dem Patriarchat, das sie strukturell klar begünstigt.
Wie passt das zusammen?
Dazu spüren junge Männer viele Probleme, die eigene Sinnkrisen enthalten können.
Junge Männer sind einsamer denn je. […] Die Wahrscheinlichkeit, Single zu sein, ist bei ihnen doppelt so hoch wie bei Frauen in ihrem Alter. Im Vergleich zu jüngeren Männern früherer Generationen ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich an einer Hochschule einschreiben oder erwerbstätig sind, geringer.
Diese Männer, sagt Della Volpe, spürten einen diffusen, wachsenden gesellschaftlichen Druck. Sie suchten sehnsüchtig nach etwas »Größerem«, mit dem sie sich verbinden, nach dem sie sich ausrichten könnten.
Trump nimmt mich einfach, wie ich bin. – Hank W. aus Denver
Und hier kommt der Trick der US-Republikaner um Trump, diese diffusen Gefühle in politische Zustimmung zu verwandeln: Sie behaupten einfach, dass Männer nicht nur unter Druck ständen, sondern grundsätzlich und strukturell »unterdrückt« seien. Diese steile Behauptung zu akzeptieren, hat für veränderungsunwillige Männer viele Vorteile:
- Sie können Probleme externalisieren (»Die anderen sind schuld!«).
- Sie können sich in die männliche Fantasie flüchten, sich gegen Unterdrückung aufzulehnen (»Wir sind hier die Opfer!«).
- Sie könnten dann in der Opferrolle zusammenrücken und Orientierung sowie Sinn finden (»Wir gegen die!«).
- Sie haben eine Entschuldigung für Ressentiments und können Frauenfeindlichkeit ungeniert ausleben (»Frauen unterdrücken uns!«).
Das klingt absurd?
Mag sein, aber es ist nicht neu. Trumps Rhetorik schließt an eine seit den 1970er-Jahren existierende
Während linkere Politik auf Gleichstellung pocht und traditionelle Bilder von Männlichkeit eher infrage stellt, können rechte Demagogen hier punkten. Sie bedienen sich dazu auch der Unterstützung von Influencern am Rand dieser antifeministischen
Wie dahinter Frauenhass schlummert, zeigen Trumps Verbündete in den letzten Tagen. Deren neuer Slogan »Dein Körper, meine Wahl«
Doch wir dürfen uns nicht nur mit Blick auf die USA gruseln, sondern müssen auch den Blick nach Deutschland richten. Hierzulande kopiert die AfD seit Langem schon Trumps Strategie und Slogans: »Echte Männer sind rechts« war etwa die
Das sind Extreme, klar. Doch sie zeigen, wohin diese Ideologien führen, wenn man sie zu Ende denkt. Ihr Erfolg zeigt auch, wie gewillt manche junge Männer sind, sich auf diese Weise manipulieren zu lassen. Denn sie aus der Verantwortung zu nehmen, wäre fahrlässig. »Sie können nicht anders« ist auch nur Teil rechter Rhetorik, eine bequeme Lüge.
Es ist eigentlich sogar ironisch: Sich eben nicht dem erstbesten Einflüsterer (Bro-Whisperer) hinzugeben und die eigene Rolle zu reflektieren, wäre das, was viele Männer für sich als wichtige Werte behaupten – charakterstark und souverän. Man könnte auch sagen: emanzipiert.
Wie helfen wir ihnen dabei?
Die Hintergründe: Welche Probleme (junge) Männer wirklich haben
Lösen wir uns von den USA und schauen auf Deutschland. Auch hierzulande ist jungen Männern nicht geholfen, ihre Gefühle von Druck, ihre Probleme und Perspektiven (mit dem Verweis auf Privilegien) abzutun.
Denn: »Ein bisschen recht haben sie«, meint Satirikerin, Feministin und Moderatorin Sarah Bosetti in ihrer Sendung Bosetti Late Night zum Thema »Der unterdrückte Mann«. Was sie damit meint? Dass auch männliche Deutsche unter dem Patriarchat leiden und auch sie sich das System nicht ausgesucht haben. Sie formuliert:
Dem deutschen Mann geht es nicht gut. […] Alle Probleme, die sie haben, kommen daher, dass das System sie zu Herrschern macht; damit aber auch in die Rolle von Herrschern zwingt, von Versorgern, von Ernährern. Egal ob sie das wollen oder können. […].
Und gerade junge Männer hadern mit dieser Rolle und Erwartungshaltung – aber nicht nur sie: auch unerfolgreiche Männer, arme Männer, kranke Männer oder Männer, die schlechter gestellten Minderheiten angehören. Auch bei ihnen sind Erwartungshaltungen und Rollenbilder tief verankert. Das kann zu ganz eigenen Problemen führen; darauf gibt die deutschlandweite Befragung Spannungsfeld Männlichkeit 2023
71% der befragten jungen Männer glauben, persönliche Probleme selbst lösen zu müssen.
53% ist es unangenehm, über ihre Gefühle zu sprechen.
52% sehen ihre Rolle darin, im Beruf genug Geld zu verdienen und ihre Familie zu versorgen.
Psycholog:innen beobachten schon länger, dass dieser selbstgemachte Leistungsdruck Effekte auf Männer hat. Haben sie Misserfolge im Beruf, werten sie diese mehr als »soziales Versagen«.
Das alles kann dazu beitragen, Probleme schlecht zu bewältigen oder gar psychisch krank zu werden. Doch es kommt noch härter für die deutschen Männer:
Das ist auch kein »Gejammer«, sondern Tatsachen – die medial eben kaum Beachtung finden. Hier haben »Männlichkeitsinfluencer« und »Bro-Flüsterer« dann doch einen Punkt: Im medialen Diskurs wird häufiger über problematische Männer gesprochen als über Männerprobleme oder gar positive Männerbilder. Beispiele gefällig?
5 Lösungsansätze: Was unsere Männer jetzt brauchen
Die Trump-Wahl ist eine gute Gelegenheit, um festzustellen: Junge Männer sind empfänglich für schlechte Ideen – weil vielen Orientierung fehlt und sie echte Probleme haben, über die kaum jemand spricht. Und das geht uns alle an, vor allem, wenn diese Ideen zunehmend politisch werden. 5 Sofortmaßnahmen:
- Weniger generelle Anfeindungen: Die Aussage »Männer sind schuld an fast allem« ist nicht falsch – wenn man miteinbezieht, dass Männer die Weltgeschichte dominiert haben. Doch sie bringt uns auch keinen Schritt weiter. Stattdessen bedient sie nur den
- Männliche Probleme ernst nehmen:
- Kritische Männlichkeit: Viele Männer hängen noch traditionellen Selbstbildern nach und zeigen Verhaltensweisen, die ihnen selbst schaden. Die Generation der heute 40–50-Jährigen ist davon noch stark geprägt. Damit sie negative Muster nicht unbewusst reproduzieren und sich selbst davon befreien können, gibt es etwa das Konzept der »kritischen Männlichkeit«. In Deutschland wird es vor allem vom Kölner Start-up Detox Identity und dem Detox Masculinity Institute von Männerforscher Christoph May vorangetrieben. Sie bieten Workshops und Seminare an, die Männern dabei helfen, ihre Rollenmuster zu hinterfragen.
Der 19. November war internationaler Tag der psychischen Gesundheit für Männer. Hast du einen Mann gefragt, wie es ihm geht?
- Mehr und bessere Vorbilder:
- Männer, die auf Männer achten: Bei all dem Gerede über die Probleme von Männern darf nicht vergessen werden, dass sie auch Verantwortung haben, zu Lösungen beizutragen – etwa beim Thema Gewalt gegen Frauen. Denn das brandneue Lagebild zu Straftaten gegen Frauen muss verstören:
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily