Dieses Geld will fast keiner haben – und das ist auch gut so
Warum sollte man Geld benutzen, das kaum ein Laden annimmt und das automatisch an Wert verliert? Ganz einfach: Weil Regionalwährungen unser Wirtschaftssystem verbessern können.
Für die Fischsuppe und den gemischten Salat wandern 7 Mark in Scheinen über die Ladentheke: Ein 2er, bedruckt mit einem goldgelben Rapsfeld und ein 5er mit einer sattgrünen Weinrebe. Lächelnd nimmt die Verkäuferin beide Scheine entgegen und legt sie in eine Kasse unter dem Tresen. Dann sucht sie in einer zweiten Kasse das Wechselgeld zusammen, 60 reguläre Euro-Cent. »Das stimmt so«, sagt Walter Grambusch und geht mit Suppe und Salat nach draußen.
Walter Grambusch ist zufrieden mit seiner Fischsuppe und die Verkäuferin mit den bunten Scheinen. Dass dem so ist, daran trägt ihr Kunde maßgeblichen Anteil. Walter Grambusch, Mitte 60, pensionierter Berufsschullehrer und passionierter Jazz-Kontrabassist, hat die Regionalwährung »RegioMark« aus der Taufe gehoben. Mit den bunten Scheinen im Wert von 1 bis 50 RegioMark kann man in 92 Läden in der Region Koblenz bezahlen. Die »Salatbar« in der Nähe des Koblenzer Hauptbahnhofs ist einer davon. Bei einem kurzen Spaziergang zeigt Walter Grambusch Läden, die beim Regionalgeld mitmachen: Die Bandbreite reicht von Restaurants über Elektroläden bis hin zu Copyshops und Buchhändlern.
Regionalgeld ist wie Kirmes
Die Koblenzer RegioMark ist eine von rund
»Da entsteht eine andere Form von Wirtschaft. Wir Regionalgeld-Initiativen haben Kritik an unserem Wirtschaftssystem«, sagt Frank Jansky. Der Rechtsanwalt ist ehrenamtlich Vorsitzender des Fachverbands
Das sei, so Grambusch, auch die Hauptidee hinter der RegioMark gewesen: »Wir haben gesehen, dass nicht nur in der Stadt Koblenz, sondern insbesondere in der umliegenden Region die Infrastruktur immer mehr zusammenbricht. Ich will mir nicht von meinen Enkeln vorwerfen lassen, ich hätte nichts dagegen getan.« In immer weniger Dörfern gibt es noch einen eigenen Bäcker, ein eigenes Lebensmittel-Geschäft – in diesem Punkt unterscheidet sich das nördliche Rheinland-Pfalz nicht von anderen Regionen Deutschlands. Und selbst in einem
Bei der RegioMark dürfen deshalb nur lokale Betriebe mitmachen und vom Netzwerk profitieren: Seitdem in der »Salatbar« jeden Mittag 2-3 Gäste mit RegioMark bezahlen, kommen mehr Zutaten direkt aus der Region – von Händlern, die sich ebenfalls in RegioMark bezahlen lassen. So bleibt das Geld und damit die Kaufkraft vor Ort erhalten, die sonst im Zuge der Globalisierung abwandern würde.
Wer hat’s erfunden?
Dieses einfache Prinzip praktizieren die Schweizer bereits seit 1934: Als während der Weltwirtschaftskrise zeitweise nicht genügend Geld im Umlauf war, haben sich einige Schweizer untereinander zinslose Kredite vergeben – nicht in Franken, sondern in der an den Franken gekoppelten Buchwährung WIR. Daraus hat sich über die Jahrzehnte ein stabiler Tauschring und schließlich eine Bank entwickelt, die mittlerweile eine Geldmenge von rund
»Vielfalt selbst macht den Unterschied«
Wie können Systeme wie die WIR-Franken oder die Koblenzer RegioMark innerhalb eines
Das »Wunder von Wörgl«
Ganz Griechenland mit einer Parallelwährung zu versorgen, wäre ein Experiment gigantischen Ausmaßes gewesen – im Kleinen hat genau das jedoch bereits funktioniert. Die Weltwirtschaftskrise der 1930er machte auch vor den Tiroler Bergen nicht Halt und bewegte den Bürgermeister des Örtchens Wörgl zu einer ungewöhnlichen Maßnahme: Er ließ Geld drucken, das die Dorfbewohner zum Handel untereinander nutzen konnten – und praktisch sogar mussten, denn zum Ende jedes Monats wurden sämtliche Scheine zunächst ungültig. Um sie wieder benutzen zu können, musste der Besitzer für 1% des Scheinwerts eine
Eine solche Grätsche des Staats müssen die meisten modernen Regionalwährungen wie die Koblenzer RegioMark nicht befürchten: Sie sind als Verein organisiert, dessen Mitglieder Geschäfte mit Gutscheinen untereinander abwickeln. Die RegioMark ist, wie viele ähnliche Projekte auch,
In Bristol ist die Politik im Boot, im Chiemgau nicht
Regionalgeld ist in Deutschland eine rein private Sache. Würde der Staat das alternative Zahlungsmittel in öffentlichen Kassen anerkennen, wäre das ein echter Quantensprung. Das zeigt ein Beispiel aus der britischen Stadt Bristol, wo der Bristol Pound dank
In Deutschland sei die lokale Politik oft noch ein Hindernis, sagt der Vorsitzende des Chiemgauer-Vereins Christophe Levannier: »In der ganzen Welt wird über den Chiemgauer als erfolgreiches Regionalgeld gesprochen, doch die Politik vor Ort bekennt sich nicht dazu.« Tatsächlich gilt der Chiemgauer als deutsches Aushängeschild: Über 3.200 Verbraucher und 560 Unternehmen sind involviert, insgesamt sind mehr als eine Million
Regionalgeld als sozialer Schmierstoff
Für den Koblenzer Regionalgeld-Verein ist das
Ist Regionalgeld also auch ein Mittel, den Bürgern ganz praktisch etwas über wirtschaftliche Zusammenhänge beizubringen? Es geht dabei viel um Bildung, meint Ökonom Bernard Lietaer: »Die Menschen lernen mehr über Geld als je zuvor – es ist bemerkenswert, wie wenig sie wissen.« »Die Menschen lernen mehr über Geld als je zuvor – es ist bemerkenswert, wie wenig sie wissen.«
Um die Eignung von Regionalgeld als sozialen Schmierstoff zu unterstreichen, nennt Lietaer das Beispiel aus Takoma Park, wo eine
Ganz nebenbei: Werbung und Wohltätigkeit
Im konkreten Fall heißt das: Händler knüpfen neue
Eine weitere Motivation ist der gute Zweck: Wenn Händler ihre RegioMark-Bestände in Euro umtauschen, fällt eine Gebühr an. Auch die Schwundmarken des Umlaufimpulses bringen
Werbung und Wohltätigkeit sind für ortsansässige Betriebe oft Gründe für Regionalgeld – manche schrecken jedoch vor dem Mehraufwand zurück. Um diesen zu minimieren, denken auch Grambusch und seine Kollegen über die bargeldlose RegioMark als Ergänzung zu den selbst entworfenen Banknoten nach. Das Buchungssystem der Chiemgauer könnten die Koblenzer mit entsprechender Lizenz mitnutzen. Wann das System eingeführt werden könnte, ist noch nicht abzusehen – Grambusch ist einer, der die Dinge lieber gewissenhaft und gründlich als möglichst schnell angehen will.
Wichtiger als Geld sind die Menschen dahinter
Die Koblenzer RegioMark ist seit Februar 2014 im Umlauf. Davor hat Grambusch mit den anderen Vereinsmitgliedern zweieinhalb Jahre recherchiert und abgewogen, welches Konzept am tragfähigsten und am sinnvollsten für die Region ist. Die Koblenzer haben mit anderen Regionalgeld-Vereinen gemein, dass sie komplett ehrenamtlich arbeiten. Falls der Koblenzer Verein irgendwann zu groß wird, kommt für Grambusch auch ein
»Das wichtigste Erfolgskriterium ist die Qualität der Führung«, sagt auch Bernard Lietaer. »Wie eine Regionalwährung genau aufgezogen ist, ist weniger entscheidend.« Das gilt nicht nur auf lokaler Ebene, sondern auch für einen ganzen Sprachraum: Heute ist Großbritannien (siehe
Viele Kunden sagen aus Gewohnheit »4 Mark 80!«
In Koblenz verteilen sich die Händler ausgewogen auf sehr unterschiedliche Branchen, sodass die RegioMark für den Kunden auch wirklich alltagstauglich wird. Dass die Scheine nicht gefälscht werden, gewährleisten übrigens nicht nur Sicherheitsmerkmale wie ein Wasserzeichen: »Das wichtigste Kriterium ist, dass die Scheine nur in der Region ausgegeben werden können«, sagt Walter Grambusch.
Die Region Koblenz hat, anders als der Chiemgau, übrigens keinen einheitlichen Namen. Deshalb hat der Verein lange über einen Namen für die Währung gegrübelt. Ein Kunstwort wollte man nicht, also lag ein alter Währungsname nahe. »Es gibt Kunden, die sich schon so sehr an die RegioMark gewöhnt haben, dass sie sagen: 4 Mark 80!«
Der Spaziergang mit Walter Grambusch ist fast zu Ende. Gerade hat er auf das RegioMark-Logo an der Tür des Buchhändlers hingewiesen, jetzt überquert er die Straße und geht auf ein Café zu. Er bestellt Cappuccino und fragt die Kellnerin: »Kann man hier auch schon mit RegioMark zahlen?« – »Nein, kenn’ ich nicht«, antwortet die junge Frau, sichtlich irritiert. – »Na ja, vielleicht bald.«
Titelbild: David Ehl - copyright