Das müssen Städte tun, um nicht das nächste Venedig zu werden
Weil der Meeresspiegel weltweit steigt, könnte 1/5 der Menschheit seine Heimat verlieren. Es sei denn, alle Städte machen es wie Miami Beach.
Auch wenn US-Präsident Donald Trump immer noch
Steigende Pegel bedrohen Menschen auf allen Kontinenten – bis zum Jahr 2100 könnten 2 Milliarden, also jeder fünfte Erdenbürger,
Der steigende Meeresspiegel bedroht Städte überall auf der Welt. Deshalb entstehen immer mehr Netzwerke, in denen sie voneinander profitieren und gemeinsam lernen, wie man sich an die
Kaum ein anderer Ort der Welt ist bei den Maßnahmen gegen die Folgen des Klimawandels bereits so weit wie Miami Beach im Süden des US-Bundesstaats Florida: In einem gigantischen Bauprojekt wird gerade die komplette Stadt angehoben. »Rising Above«, frei übersetzt »darüber hinauswachsen«, ist der vielleicht größte Feldversuch der Welt, wie Küstenstädte den Kopf über Wasser halten können, statt zum nächsten Venedig oder gar Atlantis zu werden.
An einem sonnigen Augusttag war ich vor Ort – nachdem der Hurrikan Irma abgezogen ist, habe ich noch einmal nachgehört, ob das Konzept auch im Ernstfall funktioniert.
Vor Miami Beach liegt Meer, soweit das Auge reicht
Miami Beach ist die nördlichste Insel der Florida Keys, einer Gruppe von gut 200 aus Kalkstein bestehenden Inseln, die wie eine Perlenkette vor Floridas Südküste liegt. Miami Beach wurde mit dem Aushub einer Lagune noch weiter vergrößert – die gesamte Stadt liegt nur rund
Tropisch warm, flach und nass war es an der
Der Trend ist also klar erkennbar – aber wie sieht Florida eigentlich aus, wenn die Pegel weiter steigen?
Gut 13 Millionen US-Amerikaner müssen bis Ende des Jahrhunderts in höherliegende Gebiete umsiedeln,
Aber bereits bevor ein Gebiet dauerhaft unter Wasser liegt, wird es zunehmend ungemütlich: Seit 2006 gab es in Miami Beach 33% mehr Überflutungen durch Starkregen – die Zahl der
So wächst Miami Beach übers Meer hinaus
Das sind keine schönen Aussichten, wenn man auf einer flachen Insel im Ozean sitzt. Und weil die »King Tides«, die besonders hohen Fluten im Spätsommer, regelmäßig die Straßen unter Wasser setzten, war 2013 der politische Wille da, die Straßen einfach noch ein Stückchen höher zu legen. Das passiert im Bauprojekt
Als der Initiator des Programms, Bürgermeister Philip Levine, 2 Jahre nach Baubeginn für seine Wiederwahl warb, drehte er
- Straßen anheben: Wichtigster und namensgebender Bestandteil ist, die Insel wortwörtlich anzuheben: Stück für Stück soll der öffentliche Raum, also insbesondere das 170 Kilometer lange Straßennetz, aufgeschüttet und neu gemacht werden. Dadurch werden Erdgeschosse zu Kellergeschossen – aber wenn Häuser abgerissen werden, sollen die Flächen verfüllt und das neue Haus wieder auf Straßenhöhe gebaut werden. Die Straßen in Sunset Harbour, bis vor Kurzem eines der am tiefsten liegenden Stadtviertel, wurden bereits komplett um etwa 75 Zentimeter angehoben.
- Kanalisation ausbauen: Damit die jetzt tiefer liegenden Vorgärten und Terrassen nicht bei jedem Regen volllaufen, werden Gullys und Rohre verlegt, die es mit den Wassermassen eines tropischen Regenschauers aufnehmen können. Mehrstufige Filter sortieren Trümmer, Geröll und Schlamm aus, sodass das System nicht verstopft. Das Wasser wird direkt in die tiefer liegende Lagune abgepumpt, Rückstauklappen machen das System zur Einbahnstraße. Wenn »Rising Above« fertig ist, sollen 80 Pumpen im ganzen Stadtgebiet das Wasser zielgerichtet wegbefördern.
- Ufer befestigen: Mit jedem Zentimeter, den der Meeresspiegel ansteigt, kommt das Wasser auch stärker von der Seite. Es ist allerdings nur ein kleiner Teil der Uferfläche in städtischen Händen – also ruft Miami Beach seine Einwohner auf, selbst ihre Uferabschnitte zu befestigen: Ganz natürlich mit Mangroven, deren Wurzeln die Erde festhalten, mit Betonmauern oder einer Kombination beider Ansätze.
Bislang müssen die Bürger die Anpassungen auf ihrem Grundstück
Ein Versuchslabor mit 92.000 Bewohnern
»Rising Above« ist Neuland für alle Beteiligten: Wie das Bauprojekt ohne weitere
- Jede Branche ist betroffen: Vor einem Jahr machten
- Regionale Unterschiede: Zur Konzeption von »Rising Above« hat die Stadt sich zwar Rat in den Niederlanden geholt, die ihrerseits viel Erfahrung mit dem Zurückhalten des Meeres haben. Aber schnell war klar: Den größten Teil des Konzepts muss Miami Beach selbst entwerfen, denn hier kommt das Wasser nicht nur von der Seite, sondern vor allem auch von oben.
- Energieversorgung ist entscheidend: Erst Anfang August hatte Miami Beach eine wertvolle Lektion gelernt. Der Tropensturm Emily hatte heftige Regenfälle mit sich gebracht, und die Pumpen hatten gut zu tun. Dann unterbrach jedoch ein Kurzschluss die Stromversorgung – die Pumpen fielen aus und Teile der
Irma zu Besuch in Miami Beach
Als Hurrikan Irma Miami Beach erreichte, hielten die Generatoren das
Der Hurrikan hat uns gezeigt, dass es der richtige Weg ist, wichtige Infrastruktur anzuheben. Wenn der Meeresspiegel ansteigt und solche Stürme immer häufiger werden, müssen wir in der Lage sein, uns schneller von ihnen zu erholen. Wir werden niemals in der Lage sein, unsere Stadt 100% Hurrikan-sicher zu machen, aber wir können sie widerstandsfähiger machen.
Was in Miami Beach sicher vieles einfacher macht, ist das ziemlich großzügige Budget. Eine Stadt wie Bangkok könnte es sich schlicht nicht leisten, alle Straßen Stück für Stück anzuheben. Das erlaubt Miami Beach auch, im Bauprozess immer neue Erkenntnisse zu gewinnen – und zum Beispiel, nachdem die Stromversorgung als Schwachstelle erkannt ist, vor dem nächsten Sturm ein paar Generatoren zu kaufen.
Wir können nicht für jede Eventualität planen – was wir eher als Ziel verfolgen, ist eine allmähliche Anpassung. Und wenn die Pegel dann weiter steigen, werden wir alles noch mal anheben.
Titelbild: David Ehl - copyright