Wer in Bremerhaven lebt, hat Er kann nach Starnberg umziehen. Denn in keinem anderen werden die Menschen in Deutschland älter als dort, während Bremerhaven bei der Lebenserwartung das Schlusslicht bildet.
In Zahlen: 83,3 Jahre gegenüber 77,6 Jahren Klar, bei Starnberg denkt jeder an Villen, schnelle Autos und schicke Boote, während dir bei Bremerhaven (wenn überhaupt etwas) wohl eher schäbige Mietwohnungen in den Kopf kommen. Und klar ist auch, dass Doch dass die Lebenserwartung nicht nur vom Kleingeld im Portemonnaie abhängt, zeigen Menschen gut 1.000 Kilometer südlich vom Starnberger See.
In einer hügeligen, dörflichen Region der italienischen Insel Sardinien leben die So viele, dass die Bewohner der ersten sogenannten seit Jahren nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Unternehmer und Journalisten anziehen, die versuchen, dem »ewigen Leben« auf die Spur zu kommen.
Die Frage lautet also: Wie weit sind sie gekommen bei der Suche nach den Zutaten für ein langes und gutes Leben?
Crash-Kurs in Sachen Lebenserwartung
Bevor wir munter Zutaten mixen, hilft ein kleiner Crash-Kurs in Sachen »langes und gutes Leben«. Genau das hat im Englischen mittlerweile einen eigenen Namen bekommen: Healthspan.
Für den Crash-Kurs genügt es, folgende 4 Unterscheidungen zu verstehen:
1. Lebenserwartung versus Langlebigkeit sind 2 Konzepte, die häufig durcheinandergeworfen werden. Die Lebenserwartung Meist werden Lebenserwartungen zwischen Regionen oder Gruppen verglichen, zum Beispiel zwischen 2 Ländern oder Männern und Frauen.
Dagegen meint die Eigenschaft, ein besonders hohes Lebensalter zu erreichen. Sie ist der Forschungsgegenstand der Gerontologen, also der Wissenschaftler, die sich vor allem mit dem Altsein und Älterwerden beschäftigen.
International dient die Lebenserwartung als praktischer Vergleichswert für den allgemeinen Gesundheitszustand einer Gesellschaft. Sie hat in den letzten Jahrzehnten eine rasante Entwicklung durchgemacht. Aktuell führt Japan mit 83,4 Jahren die internationale Statistik an, wird aber voraussichtlich in wenigen Jahren Deutschland belegte weltweit Platz 33. Damit sind sowohl Lebenserwartung als auch internationale Platzierung
Starnberg ist übrigens als Spitzenreiter regional gesehen keine Ausnahme: Von den 40 Landkreisen mit der höchsten Lebenserwartung liegen aktuell 33 Aber die neuen Bundesländer im Osten sind auf der Überholspur: Berlin hat in den letzten 18 Jahren mit 6 Jahren mehr auf dem durchschnittlichen Lebenskonto am stärksten zugelegt und ist damit auch keine Ausnahme.
2. Frauen versus Männer: Fast überall auf der Welt werden Frauen durchschnittlich älter als Männer und gibt es mehr 100-jährige Frauen als Männer. Die bisher einzig bekannte Ausnahme ist die besagte »Blue Zone« auf Sardinien, um die es gleich genauer gehen wird: Nur dort leben genauso viele 100-jährige Männer wie Frauen.
Die von Gerontologen untersuchten Grund dafür könnte der um »paarungswillige Weibchen« in dieser Zeit sein. Während sich die Mortalitätsraten danach zunächst annähern, geht die Schere bei den 50-Jährigen wieder auseinander. Sicher auch, weil Alkohol, Rauchen und Fleischverzehr für Männer häufig »zum guten Ton« gehört.
3. Arm versus reich: In der deutschen Todesursachen-Statistik wird der sogenannte nicht erfasst. Trotzdem gibt es Studien, die den Zusammenhang zwischen einzelnen Faktoren wie dem höchsten Bildungsabschluss und dem Todesalter untersuchen. Die Ergebnisse bestätigen unseren oberflächlichen Vergleich zwischen Starnberg und Bremerhaven: Männer sind davon viel stärker »betroffen« als Frauen. Mit anderen Worten: Ein Mann mit Hauptschulabschluss büßt im Vergleich zum Akademiker mehr Lebensjahre ein als eine weibliche Hauptschulabsolventin es im Vergleich zur Uniabsolventin tut.
Natur (in Form von Genen) oder Umwelt – was spielt die größere Rolle für die Frage, ob wir das Zeug haben, 100 Jahre alt zu werden und gesund zu altern? Genau wie bei anderen Fragen, die unseren Körper und unser Verhalten betreffen, gibt es auch bei der Frage nach der Lebenserwartung zahlreiche Studien zur Rolle der Gene im Vergleich zum Einfluss von und Umwelt. Die kompakteste Zusammenfassung der Ergebnisse lautet: So groß – oder klein – ist der genetische Anteil deiner Lebenserwartung.
Verkompliziert wird die Erforschung der Frage nach »Natur oder Umwelt« durch die Tatsache, dass es gibt, die dafür sorgen, dass du 100 Jahre alt wirst. Stattdessen haben alle Gene, die mit Langlebigkeit in Verbindung gebracht werden, auch andere Funktionen. Beispielsweise wird der bekannteste Kandidat, das vor allem im Zusammenhang mit Alzheimer erforscht. Viel wichtiger ist an dieser Stelle aber der Umkehrschluss zu den 20%: Das Alter, in dem du sterben wirst, wird zu 80% durch dein Verhalten, deine Umgebung und bestimmt.
Genau hier kommen die Menschen aus den Hügeln Sardiniens ins Spiel. Allen voran der Mediziner und Wissenschaftler Gianni Pes, der zwar (noch) keine 100 ist, dafür aber seit mehr als 20 Jahren erforscht, warum in einigen Dörfern Sardiniens so viele 100-Jährige wohnen. Gemeinsam mit dem belgischen Demographen hat er die erste »Blue Zone« in seiner Heimat Sardinien »entdeckt«.
Die 4 Zutaten der »Blue Zones«
Besonders alte Menschen gibt es fast überall auf der Welt. Doch als Gianni Pes und Michel Poulain eine Reihe kleiner sardischer Dörfer mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil 100-Jähriger auf einer Landkarte mit einem blauen Filzstift markierten, beeinflussten sie damit maßgeblich die Langlebigkeits-Forschung der kommenden Jahrzehnte. Die war entdeckt und es dauerte nicht lange, bis
Bei der Frage nach einem langen Leben gibt es keine schnelle Lösung, eine Pille oder ähnliches. Vielleicht sind deine Freunde als unsere Langzeit-Abenteuer die wichtigste Zutat, um Lebensjahre zu deinem Leben und Leben zu deinen Lebensjahren hinzuzufügen.Dan Buettner, amerikanischer Extremsportler, Journalist und Gründer des Blue Zones Project
bekannt und erforscht: die südlichste Insel Japans, Okinawa, die Hügellandschaft auf Sardinien, eine Region an der Pazifikküste Costa Ricas auf der Halbinsel Nicoya und die griechische Insel Ikaria. Das Spannende daran: Was haben sie gemeinsam? Welche Zutaten lassen die Menschen älter werden?
Bewegung: Die Menschen in Sardiniens Dorf Villagrande Strisaili, dem Epizentrum der sardischen »Blue Zone«, sind gezwungenermaßen häufig in Bewegung: Als Schäfer, zu Fuß, um Einkäufe zu erledigen, oder auf der Treppe in den schmalen, aber hoch gebauten Häusern. Um und lebenserhaltende Maßnahme zu nutzen, braucht es keinen strengen Trainingsplan oder eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio. Im Gegenteil: Gianni Pes und andere Wissenschaftler zeigen in ihren Studien, dass und die Freude an der jeweiligen körperlichen Aktivität entscheidend sind. Für den einen 100-Jährigen ist es das morgendliche Schwimmen, für den anderen der Gang zum Gemüsegarten – wichtig ist die Regelmäßigkeit.
Ernährung: Die ist ein hoch emotionales Thema, das auch unter Wissenschaftlern heiß diskutiert wird. Gianni Pes und Dan Buettner machen da keine Ausnahme. Während der Amerikaner eine rein pflanzliche, also vegane Ernährung für die gesündeste hält, betont der Italiener die positiven Effekte tierischer Proteine, die dem entgegenwirken. Was alle 4 Blue Zones gemeinsam haben, ist ein großer kaum »Fertigessen« und Nicht nur letzteres hat auch etwas damit zu tun, wie gegessen wird: gemeinsam.
Zusammenhalt: Es klingt ein wenig nach dörflicher Idylle, wenn Gianni Pes von der tiefen Verbindung der Menschen untereinander in den »Blue Zones« spricht: Der starke generationsübergreifende Zusammenhalt sorgt für ein ausgeprägtes Zugehörigkeits- und Sicherheitsgefühl sowie gleichzeitig für eine Viele der sehr alten Menschen Auch Dan Buettner betont die Wenn deine Freunde übergewichtig sind, steigt dein Risiko, es ebenfalls zu werden;
Lebenseinstellung: Wie oft haben wir schon den Vergleich vom »halb vollen« oder »halb leeren« Glas gehört? Die Ergebnisse der Gerontologen deuten tatsächlich darauf hin, dass der Optimist mit seiner Perspektive etwas für seine Gesundheit tut. Hier schließt sich der Kreis der 4 Langlebigkeits-Zutaten: Um sich weniger gestresst und sorgenfreier zu fühlen, benötigen wir den Zusammenhalt (3.), der sich wiederum auf unser Ess- (2.) und Bewegungsverhalten (1.) auswirkt.
Natürlich ist auch klar, dass die Zutaten für ein langes, gesundes Leben kein Kuchenrezept mit Erfolgsgarantie sind – dafür spielen in einem Leben zu viele genetische und Umweltfaktoren eine Rolle, die sich täglich gegenseitig beeinflussen. Während die Gerontologen und Gesundheitswissenschaftler weiter die Rolle der einzelnen Faktoren und Interaktionen erforschen, kündigt Gianni Pes das Aussterben der »Blue Zones« an: Die Abgeschiedenheit, die Teil des Erfolgsrezepts der »Blue Zones« sind, gibt es nicht mehr. Auch in den Bergdörfern Sardiniens und auf Okinawa haben
Gleichzeitig versucht Dan Buettner in Kooperation mit einigen amerikanischen Städten und Gemeinden neue »Blue Zones« einzurichten.
So bauen wir unsere eigene »Blue Zone«
37 Gemeinden, 1.685 Organisationen und mehr als 2.250.000 Menschen – das ist die aktuelle Bilanz des sogenannten das die Erkenntnisse der »Blue Zones« praktisch nutzt.
Wir haben eine nationale Initiative gestartet, die es leichter machen soll, sich bewusst immer wieder für einen gesunden Lebensstil zu entscheiden – und zwar durch dauerhafte Veränderungen in den Bereichen Umwelt, Politik und soziale Beziehungen.Blue Zones Project
Seit 2009 wurden Bürgersteige verbreitert, »wandernde Schulbusse« initiiert, mehr rauchfreie Zonen markiert. Die Essensausgaben in Schulen und Kantinen veränderten sich: mehr Obst und Gemüse, weniger Schokoriegel. Zahlreiche Gruppen treffen sich regelmäßig zum Sport, Handwerken, Kochen oder einfach zum Austausch und stärken den sozialen Zusammenhalt.
Die Ergebnisse sprechen für sich: Die Zufriedenheit ist um 90% gestiegen, die Gesundheitskosten für Mitarbeiter der Stadt sind um 40% gesunken, Fuß- und Radverkehr haben um 40% zugenommen und die Lebenserwartung ist um 3 Jahre gestiegen.
Geht es also am Ende »nur« darum, eine Umgebung zu schaffen, die uns – egal wie banal die Entscheidung sein mag – In jedem Fall kannst du auch im Alltag selbst damit anfangen – lade doch einfach in den nächsten Tagen Freunde zum gemeinsamen Kochen und Essen ein.
Maren ist Neurowissenschaftlerin und Professorin für Nachhaltige Transformation an der FH Münster. Nach dem Studium der Kognitions- und Neurowissenschaften in Deutschland, Kanada und den Niederlanden wurde sie am University College London promoviert. 2016 gründete sie Perspective Daily mit und war bis 2019 Chefredakteurin und Geschäftsführerin.