Merkst du was? Vor diesen 3 wichtigen Themen drücken sich die Parteien gerade
Eine dringend nötige Debatten-Korrektur.
Achtung, Achtung! Eine wichtige Durchsage: In 2 Wochen ist Bundestagswahl. Das haben sicher die meisten mitbekommen – doch so richtig fühlt es sich nicht danach an.
Warum? Weil diejenigen, die in Zeiten des Wahlkampfs eigentlich im Wettbewerb der Ideen mit Programmen, Lösungen und Visionen um unsere Unterstützung werben sollten, ihre Arbeit verweigern.
Und das, obwohl wir im Angesicht einer zunehmend aus den Fugen geratenen Welt vor Weichenstellungen stehen, die so bedeutend sind wie seit Langem nicht mehr.
Wohin steuern wir als Nation, als Gesellschaft – und als Demokratie in Zeiten des globalen Aufstiegs von Autokraten?
Statt in der ohnehin außergewöhnlich kurzen Wahlkampfzeit über die lange Liste an Herausforderungen und über mögliche Lösungen zu debattieren, verengen viele Spitzenpolitiker:innen und reichweitenstarke Medien den Blick auf ein einziges Thema: Migration.
Die Gründe: Bequemlichkeit und Kalkül.
Uns bleiben nur noch 2 Wochen, um über echte Inhalte zu sprechen. Doch vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte müssen wir zunächst die Strategie hinter diesem Angstwahlkampf entlarven.
Warum wir uns fürchten sollen, statt über Inhalte zu diskutieren
Hier eine (mehr oder minder) mutige These: Der Alltag der überwiegenden Mehrheit der Menschen in Deutschland wird nicht von der Frage bestimmt, wie viele Polizist:innen welche Grenzen kontrollieren.
Wesentlich wahrscheinlicher ist es, dass sie sich fragen, warum eine dicke Nachzahlung für Heizkosten im Briefkasten liegt.
Warum die Kita oder die Schule wegen Personalnotstand schon wieder geschlossen ist.
Warum es wegen Stau und Zugausfall unmöglich ist, pünktlich zur Arbeit zu kommen.
Warum die Wohnung viel zu klein und trotzdem frech teuer ist.
Warum der Rentenbescheid für Angstschweiß sorgt, weil es am Ende nicht für einen anständigen Lebensabend reicht.
Was steckt hinter dem Angstwahlkampf?
Auf all diese Fragen verweigern die großen Parteien aktuell Antworten – und damit sind explizit
Was genau vorgefallen und warum das so besorgniserregend ist, erklären wir hier:
Doch warum machen alle großen Parteien mit beim Angstwahlkampf, statt echte Lösungen für Probleme anzubieten? Weil es bequem ist.
Komplizierte Probleme verlangen nach tiefgehenden Diskussionen, doch populistische Strategien greifen lieber auf einfache Slogans zurück. Dabei wird nicht etwa der tatsächlichen Problematik Rechnung getragen, sondern ein Sündenbock konstruiert: Der »böse Ausländer«, der seinen aktuell weniger gefragten Vorgänger, den »faulen Bürgergeldempfänger/Arbeitslosen« abgelöst hat. Das gilt in erster Linie für die AfD, aber leider
All das ist nicht neu und begann schon vor den schrecklichen Morden in Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg – Taten, die durch bereits geltendes Recht hätten verhindert werden können und müssen.
Nicht zufällig hat CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz diese Gewässer bereits vielfach getestet, etwa wenn er ganz bewusst populistische Verunglimpfungen wie »kleine Paschas« oder »Sozialtouristen« nutzt oder von Geflüchteten schwadroniert,
Warum einige Politiker:innen der Bevölkerung immer die gleichen Feindbilder wie einen Köder vor die Nase halten, hat
Heißt: Sie vergleichen sich mit den Menschen, mit denen sie täglich konfrontiert werden. Deshalb waren gut bezahlte Fabrikarbeiter damals zufriedener als schlecht bezahlte Büroangestellte – weil sie im ersten Fall mehr verdienten als die Menschen um sich herum, und im zweiten Fall weniger.
Und deshalb springen heute viele Menschen, die arm sind und sich angesichts von Inflation, Wirtschaftskrise und Mietenwahnsinn vom sozialen Abstieg bedroht fühlen, schnell auf den Köder an, den Populist:innen ihnen immer wieder vor die Nase halten. »Vorsicht! Die wollen dir was wegnehmen!« Die Probleme, die im Alltag wirklich drücken, geraten dabei im Strudel aus Angst und Wut schnell in Vergessenheit.
Und die Medien spielen das Spiel fleißig mit. Wie stark dieser Sog der Aufmerksamkeit wirkt, zeigt sich sogar an diesem Text. Schließlich wollte ich eigentlich nur beispielhaft 3 Themen anmahnen, über die wir wirklich im Wahlkampf debattieren sollten.
Da ich nun unwillkürlich selbst in diese Falle getappt bin, habe ich mich dazu entschieden, die wichtigen Informationen über die Hintergründe hier im Text zu lassen, sie aber nicht ins Zentrum des Artikels zu stellen.

Die gute Nachricht: Überall liegen Lösungsansätze bereit. Wir müssen sie nur aufsammeln, sie thematisieren und über sie streiten, statt uns von rechts außen vor den Karren spannen zu lassen. 3 Beispiele für große Probleme, die endlich angegangen werden müssen:
1. Wohnen
Bundesweit fehlen einer aktuellen Studie zufolge 550.000 Wohnungen. Ein stringenter Plan mit konkreten Zielmarken, um diese Lücke zu schließen und Wohnen in Ballungsräumen nicht zum Luxus verkommen zu lassen? Fehlanzeige.
Keine der großen Parteien hat in ihrem Wahlprogramm einen konkreten Plan, um das Problem zu lösen, kritisiert das
Keine der Parteien (macht) klare Zusagen für die Finanzierung von neuem Wohnraum. Das wird der dramatischen ›Wohn-Not‹, die wir in Deutschland haben, nicht gerecht.
Es müssen nicht nur dringend neue Wohnungen her, sondern vor allem auch bezahlbare. Laut einer Studie des Pestel-Instituts im Auftrag des Bündnisses müssten bis 2030 mindestens 2 Millionen Sozialwohnungen gebaut und damit der aktuelle Bestand verdoppelt werden.
Eines der Hauptprobleme liegt hier –
Also: Wohnungen klotzen, und zwar langfristig und bitte die richtigen, sprich: die bezahlbaren. Und dazu am besten gesetzlich die
Ein Blick in die jüngere Geschichte hilft bei der Suche nach Antworten: Nach der Wiedervereinigung sah sich die Republik schon einmal mit einer Wohnungskrise konfrontiert. Auch damals hieß die Antwort: Sozialer Wohnungsbau.
2. Infrastruktur
54,8 Milliarden Euro für Schulen, 48,3 für Straßen, 12,7 für Kitas – und viele weitere Milliardenposten mehr. Schätzungen zufolge summiert sich der
Dabei stehen die Städte und Gemeinden am unteren Ende der Nahrungskette des Föderalismus. Sie sind darauf angewiesen, dass Bund und Länder sie mit ausreichend Geld ausstatten,
Die Spielräume für Investitionen werden immer kleiner. Dabei steht nicht weniger als die Zukunftsfähigkeit Deutschlands auf dem Spiel. Die deutsche Wirtschaft ist auf gute infrastrukturelle Standortbedingungen angewiesen. Eine gute kommunale Bildungs- und Verkehrsinfrastruktur sowie Zukunftsinvestitionen unter anderem in den Bereichen Energie und Klima sowie Digitalisierung sind für die wirtschaftliche Entwicklung unabdingbar.
Das Problem ist komplex, aber nicht unlösbar. Ein erster Schritt könnte sein, die Schulden auf Länder und Bund zu verlagern, um Städte und Gemeinden wieder handlungsfähig zu machen.
Aktuell wird in Nordrhein-Westfalen, wo die Verschuldung der Kommunen mit Abstand am höchsten ist, genau das diskutiert. Der Plan: Die Altschulden der NRW-Kommunen in Höhe von 22 Milliarden Euro sollen zu 1/3 vom Land und 2/3 vom Bund übernommen werden. Aktuell
Doch es geht hier um mehr als um eine reine Geldfrage. Um wirklich an die Ursachen zu gehen, müsste sich die nächste Bundesregierung an eine grundlegende Föderalismusreform wagen, die teure Aufgaben wie Klimaschutz und -anpassung neu verteilt
Im Zuge einer solchen Reform könnte das angegangen werden, was nahezu alle Parteien immer so leidenschaftlich fordern:
Genau dies
3. Rente
Bei diesem Thema ist die Drückebergerei der Parteien noch am ehesten verständlich. Denn wer sich an eine dringend nötige, grundlegende Reform trauen will, kommt um einige unangenehme Wahrheiten nicht herum. Wahrheiten, die Wählerstimmen kosten könnten.

Daher zunächst die Fakten: In Deutschland erhielten 2023
Aufgrund der prognostizierten demografischen Entwicklung und der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft ist es wahrscheinlich, dass das System weiter ins Wanken gerät.
Doch der gefürchtete demografische Wandel ist kein Naturgesetz. Das Schlüsselwort lautet hier »prognostiziert«. Denn Prognosen kann man mit aktiver Politik begegnen – wenn man es denn wollte.
Wenn wir gegensteuern wollen, wäre es naheliegend, für mehr Menschen in möglichst guten Jobs zu sorgen, die in die Rentenkasse einzahlen. Das kann aber nur im ausreichenden Maße gelingen, wenn sich Deutschland nicht noch weiter abschottet und nicht ausreichend junge Menschen zuwandern.
Dazu bräuchte Deutschland eine Willkommenskultur, wie etwa die Vorsitzende der sogenannten Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer fordert. Also so ziemlich das Gegenteil von dem,
Deutschland braucht 1,5 Millionen Zuwanderer im Jahr, wenn wir abzüglich der beträchtlichen Abwanderung jedes Jahr 400.000 neue Bürger haben und so die Zahl der Arbeitskräfte halten wollen.
Rein normativ sollten zuwandernde Menschen natürlich nicht nach ihrem »Wert« für die Gesellschaft beurteilt werden. Aber auf einem Politikfeld, worauf es auf den ersten Blick für die politischen Parteien nicht viel zu gewinnen gibt, können pragmatische Argumente nicht schaden.
So eröffnen sich auf den zweiten Blick Chancen, je nachdem, wie man sich dem Thema nähert. Schon allein deshalb, weil hier auch ganz nebenbei dem
All das heißt freilich nicht, dass das Rentensystem nicht an vielen Stellen eine gründliche Generalüberholung bräuchte. Unabwendbar dem Untergang geweiht ist es aber sicher nicht.
Du willst mehr Hintergründe zu unserem Rentensystem? Hier habe ich einige Informationen zusammengetragen:
Dringliche Themen gibt es genug, sie müssen nur gesetzt werden
Bei den 3 Punkten handelt es sich nur um eine kleine Auswahl einer viel längeren Liste: Da wäre die Frage nach einem fairen und bezahlbaren Gesundheitssystem und guter Pflege für alle, nach mehr Chancengleichheit und Deutschlands außenpolitischer Rolle in der aufgeheizten Weltlage. Und über allem schwebt die Frage der Zukunft unserer Lebensgrundlagen angesichts des Klimawandels.
Klar ist: Die schlechteste Option ist es, diese Inhalte gar nicht erst zum Thema zu machen und stattdessen einen reinen Angstwahlkampf zu führen – und damit ein Narrativ in der demokratischen Mitte zu pflegen, das seit Jahren von Extremist:innen gesetzt wird.
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily