Was die Wahl für deinen Kontostand bedeutet
Steuern runter für alle? Deutschland ist eine der ungleichsten Demokratien der Welt. Welche Parteien daran etwas ändern könnten.
Die Bundestagswahl 2025 ist eine Richtungsentscheidung: Für die Frage, wie restriktiv Asyl und Migration in Deutschland künftig gestaltet werden und wie wir dem Fachkräftemangel begegnen. Für zentrale Entscheidungen bei der Energiewende und in der Wirtschaftspolitik. Und auch für deinen Kontostand.
Die Frage nach Steuern und Entlastungen ist ein viel debattiertes Thema. Bei manchen sorgt es für einen Gähnreflex, aber hier wird bald bares Geld verteilt. Da ist es wichtig, zu wissen, an wen.
»Deutschland ist eine der ungleichsten Demokratien der Welt«, sagt die Politikwissenschaftlerin und Ungleichheitsforscherin Martyna Linartas.
Deswegen blicken wir heute darauf, was die Parteien mit deinem Geld vorhaben. 4 Wirtschaftsinstitute, das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
Der isolierte Blick aufs Geld ist übrigens nicht rein egoistisch, denn die Verteilung ist ein Faktor, der beeinflusst, in was für einer Gesellschaft wir in Zukunft leben werden. Langfristig kann große Vermögensungleichheit zu einem Problem für die Demokratie werden, wie sich in den noch ungleicheren USA am Beispiel von Elon Musk gerade zeigt.
Dabei geht es in diesem Artikel ausdrücklich nicht um die eine oder die andere Maßnahme, sondern um die Summe der Maßnahmen und wie sie wirken. Also: Wer beschenkt wen und auf wessen Kosten?
Das Prinzip Kamelle – Wer Süßes fängt und wer vom Boden sammelt
FDP-Chef Christian Lindner hat in seiner Rede auf dem
Wer generell Entlastungen in den Wahlprogrammen mit Kamelle vergleichen möchte, stellt fest: Kamelle gibt es in jedem von ihnen. Die Frage ist nur: Für wen?
Um die Art der Entlastung zu ändern, aber im Bild zu bleiben: Manchmal gibt es ein paar Karnevalist:innen, die aufgespannte Regenschirme umgedreht in den Kamelleregen halten. Die Hoffnung ist dann, dass sie ein paar Bonbons durchlassen oder an jene weiterreichen, die keine Schirme haben. Die besten Chancen auf Kamelle haben aber die mit den Schirmen, und darüber ärgern sich alle anderen, die am Zug stehen. Es ist ungerecht, denn sie müssen zusammensuchen, was irgendwie durchkommt.
Während Konservative und Rechte Kamelle sogar direkt in die umgedrehten Schirme werfen, etwa in Form der Abschaffung des
Was der Wal in der Badewanne über Kamelleverteilung erzählt
Bevor wir zu den Studien kommen, ein kleiner Ausflug in die Kamelleverteilungsfrage: Denn
- Direkte Steuern (Einkommen- und Unternehmensteuern) betreffen mittlere und obere Einkommen stärker.
- Indirekte Steuern (zum Beispiel Mehrwertsteuer, Energiesteuern, Tabak- und Alkoholsteuern) betreffen untere Einkommen stärker.
Das veranschaulicht der sogenannte »Wal in der Badewanne«. Diesen Spitznamen hat

Wir sehen in Schwarz- und Grautönen die indirekten Steuern und welche Einkommensregionen sie wie stark betreffen. Rechts unten in Türkis sehen wir die direkten Steuern. Je mehr ein
Aktuell liegt der Mehrwertsteuersatz bei 19%, der ermäßigte Satz (etwa auf Lebensmittel) liegt bei 7%. Die Linke will – wenig überraschend – die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, ÖPNV und Hygieneprodukte abschaffen, das BSW möchte die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel abschaffen. Die SPD will die Steuer bei Lebensmitteln auf 5% senken und die Grünen wollen die Steuer vereinheitlichen, nennen aber keine konkreten Zahlen.
CDU, FDP und AfD wollen lediglich die Mehrwertsteuer in der Gastronomie auf 7% senken. Auch das BSW möchte das. In dem Fall spart jedoch nur, wer es sich leisten kann, auswärts zu essen. Wir sehen erste Konturen eines Musters, das sich fortschreibt. Und damit kommen wir zu den konkreten Auswirkungen der Programme auf dein Konto.
Wer finanziell von welchen Parteien profitiert
SPD, Grüne, Linke und BSW wollen untere und mittlere Einkommen entlasten. Sie würden das über höhere Steuern für Spitzenverdienerinnen und -verdiener finanzieren. Bei Union, FDP und AfD steigen hingegen die Entlastungen mit dem Einkommen.
Holger Stichnoth ist Co-Autor eines Gutachtens,
Eine Grafik dieser Studie zeigt auf einen Blick sehr deutlich den Unterschied zwischen Linken, BSW, SPD und Grünen oben sowie der FDP, Union und AfD unten. Die Grafik teilt das jährliche Bruttoeinkommen in 10 Einkommensklassen auf. Links befinden sich die niedrigsten Einkommen, nach rechts werden sie immer größer. Jede Säule zeigt, wie stark sich die Steuerpläne in Prozent auf das Geld auswirken, das jede Einkommensklasse hinterher rausbekommt. Je weiter die Säule nach oben geht, desto höher die Entlastung. Zeigt sie nach unten, muss diese Einkommensklasse draufzahlen.

Zoomen wir in den folgenden Schaubildern auf die einzelnen Parteien: Die Linke möchte den ärmsten Haushalten etwa 30% mehr Geld geben, während sie den Spitzenverdienenden 27% wegnehmen möchte. Das erreicht sie vor allem durch eine deutlich höhere Einkommensteuer am oberen Ende. Die SPD ist etwas moderater unterwegs, möchte alle entlasten, aber die untere Mitte und die Mitte etwas mehr. Ganz oben will die SPD dagegen Steuern erhöhen.
Hier findest du die Grafiken des Gesamtbildes noch einmal einzeln:


Die Grünen betonen in ihrer Entlastung ein bisschen stärker die unteren und mittleren Einkommen. Ganz oben gibt es auch Abzüge, allerdings sowohl bei Rot als auch bei Grün recht moderat zwischen 3 und 4%. Das BSW gruppiert sich auch grob in diesen Regionen ein. Diese Parteien wollen vor allem niedrige und mittlere Einkommen ent- und sehr Wohlhabende belasten.


Auch Die Linke beginnt mit der richtig hohen Belastung erst bei sehr hohen Einkommen von mehr als 150.000 Euro brutto. Das muss man erst mal haben.
Nun blicken wir von diesem Standpunkt aus nach rechts. Fast alle werden entlastet. Aber das aufsteigende Muster, in dem hier die Säulen angeordnet sind, zeigt das Prinzip: Wer mehr hat, bekommt mehr. Nicht nur in Summe, sondern auch prozentual wollen die Parteien hohe Einkommen stärker entlasten als niedrige und mittlere Einkommen.



Am drastischsten geht die FDP zu Werke, sie will den niedrigsten Einkommen 2,1% weniger zugestehen. CDU und AfD wollen allen mehr geben, Geringverdienenden prozentual aber deutlich weniger als den Wohlhabenderen. 5–10 % mehr ist für Top-Verdienende drin.
Im
Die sozialen Auswirkungen der Programme
Eine Grafik zeigt, wie sich die Pläne der Parteien auf die

Ganz kurz gesagt: Die Linke würde für mehr Gleichheit sorgen, die FDP für den krassesten Sprung in Richtung Ungleichheit beim Einkommen.
Auch der Einfluss auf das
Mit dem Programm der Linken könnte diese Quote um 2,8 sinken, mit der AfD um 2,2 steigen. Die anderen Parteien liegen dazwischen, neben der Linken würden nach den Berechnungen nur die Grünen für ein Absinken der Quote sorgen.

Für die Vermögensungleichheit, die Politikwissenschaftlerin Martyna Linartas ansprach, wurde diese Berechnung allerdings nicht gemacht. Hier ist Deutschland deutlich schlechter aufgestellt und liegt zwischen Großbritannien und den USA. Entsprechend gehen einige Parteien auch diese Fragen an, vor allem mit der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer.
Die Pläne zu Erbschaften und Vermögen
Grüne, Linke, BSW und SPD fordern in ihren Programmen, die 1997 ausgesetzte Vermögensteuer für sehr hohe Vermögen wieder einzuführen. Die Linke möchte, dass die Vermögensteuer ab 1 Million Euro Privatvermögen bzw. 5 Millionen Euro Betriebsvermögen greift. Oma Ernas Reihenhaus bleibt also verschont. Der Fokus liegt auf sehr Reichen, die vermögendsten 0,7% der Bevölkerung sollen eine einmalige Abgabe von bis zu 30% ihres Vermögens zahlen. Alle der Mitte-Links-Parteien und Links-Parteien wollen zudem die Erbschaftsteuer darauf ausrichten, dass größere Erbschaften stärker besteuert werden.
CDU, FDP und AfD lehnen die Vermögensteuer ab. Die AfD lehnt auch die Erbschaftsteuer komplett ab, während die Union höhere Freibeträge für Familien und Eigenheime möchte, die FDP will zusätzlich eine automatische Anpassung der Erbschaftsteuer an die Inflation.
Das Muster, das durch die Wahlprogramme im Bereich der Steuern, Abgaben und Transferleistungen deutlich wird: Wer eher ein geringes bis mittleres Einkommen hat und nur auf die finanziellen Fragen blickt, ist besser beraten, Die Linke, Grüne, SPD oder BSW zu wählen.
Wer wenig verdient und die AfD, CDU oder FDP wählt, stimmt damit klar gegen sein eigenes finanzielles Interesse. Wer eher im mittleren bis oberen Einkommens- und Vermögensbereich rangiert, dessen rein finanzielles Interesse würde eher mit FDP, CDU oder AfD zusammengehen.
Klar, diese Sicht ist verkürzt, denn sie bildet nur einen Teil der umfangreichen Wahlprogramme ab. Wer etwa auf Äußerungen von Unternehmer:innen und Arbeitgeberverbänden schaut, weiß, dass diese sich schon allein wegen der Fragen der Fachkräftezuwanderung, der Position der Partei zu Euro, EU und der Demokratie im Allgemeinen
Eine letzte Frage bleibt noch offen: Wer zahlt eigentlich die Kamelle?
So groß sind die Kamelle-Lücken
Das arbeitgebernahe IW hat festgestellt, dass Die Linke als einzige Partei mit einem Plus von 169 Milliarden Euro aus ihren Steuerplänen kommt, die sie etwa für Mehrwertsteuererleichterungen einsetzen kann. Die SPD und die Grünen kommen auf Beträge von −25 bzw. −51 Milliarden Euro, während die Union bei −94 Milliarden Euro liegt. Am teuersten ist die AfD mit −181 Milliarden Euro unterwegs, dahinter kommen noch FDP (−155 Milliarden Euro) und BSW (−85 Milliarden Euro).

Die Auswertung des ifo kommt zu etwas anderen Zahlen, aber in der Tendenz sind die Lücken ähnlich: Die Linke geht mit einem Plus aus den Maßnahmen, die Grünen kommen ungefähr auf null heraus und die SPD erzeugt ein leichtes Minus. Das ZEW reiht sich hier grob ein. Die Tendenz: Bei den linken Plänen steht ein Plus unterm Strich, in Richtung Mitte schmilzt es ab und ganz rechts klaffen Löcher.
Hier kannst du mehr zur Gegenfinanzierung erfahren
Laut IW könnten SPD und Grüne ihre Entlastungen teilweise mit Steuererhöhungen bei Wohlhabenderen finanzieren, außerdem möchten beide die Schuldenbremse reformieren. Bei der Union, der FDP und der AfD bleiben Fragezeichen. Sie wollen entlasten, aber keine Steuern erhöhen, zugleich soll die Schuldenbremse bleiben. Eine Stellschraube könnte am Ende eine Mehrwertsteuererhöhung sein, die wiederum Menschen mit weniger Einkommen härter träfe.
Einige der Parteien rechnen mit Wachstumseffekten, die dann neue Einnahmen in die Kassen spülen. Allerdings scheint die Höhe dieses Wachstums, etwa bei den Unionsplänen, deutlich überschätzt. Ökonom Jens Südekum sprach etwa vom
Der Volkswirt Stefan Bach vom DIW schreibt: »Wenn nicht bei Kommunen und Investitionen gespart werden soll, wie häufig in der Vergangenheit geschehen, lassen sich solche Größenordnungen nur durch pauschale Kürzungen bei Sozialleistungen und Subventionen erreichen. Dies belastet vor allem die ärmere Bevölkerung und die arbeitende Mitte, aber auch Besserverdienende.«
Klar ist: Keine Partei wird ihre Pläne komplett umsetzen können. Wir blicken also auf eine Art Wunschzettel für die Koalitionsverhandlungen.
Das Wahlergebnis wird entscheiden
Wer mit wie viel Macht und mit wem am Verhandlungstisch sitzt, das werden die Wahlergebnisse zeigen. Dabei spielt auch eine Rolle, welche der kleineren Parteien, also Linkspartei, FDP oder BSW als Fraktionen in den Bundestag einziehen. Am 23. Februar gilt es jetzt also, die Verhandlungsposition für dein Konto zu stärken – wenn dir diese Frage wichtig ist.
Mit Illustrationen von Claudia Wieczorek für Perspective Daily