Willkommen in der neuen Weltordnung. Das kannst du tun
Die USA rasen in eine Verfassungskrise, Superreiche üben einen sanften Staatsstreich und schielen schon auf Europa. Und deutsche Medien hinken hinterher.
Wer dieser Tage Nachrichten aus den USA mitbekommt, stößt auf viel Verstörendes. Hier sind einige Beispiele in Form eines Quiz: Weißt du, welche der folgenden Nachrichten Fake News sind, also nicht wahr sind?
- US-Präsident Donald Trump will das Geburtsortprinzip abschaffen – das Recht, dass ein in den USA geborenes Kind automatisch die US-Staatsbürgerschaft erhält, unabhängig von der Nationalität der Eltern.
- Der US-Vizepräsident J.D. Vance nutzt seine erste Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz, um Europa mangelnde Redefreiheit vorzuwerfen und
- Der reichste Mann der Welt, Elon Musk, arbeitet seit Neuestem in einem Team zur Modernisierung der staatlichen Software und Bekämpfung angeblicher Geldverschwendung im Regierungsapparat der USA. Das Team nennt sich DOGE.
- US-Präsident Trump postet auf seinem eigenen sozialen Netzwerk Truth Social einen Satz von
Na, hast du es erkannt?
Genau. Alle sind wahr.
Alles ist passiert – und nicht nur europäische Politiker:innen sind darüber entsetzt. Immerhin sind die USA traditionell Europas transatlantische Partnerin.
Doch was in den USA passiert, folgt einem Plan. Und der findet hierzulande bereits erste Nachahmer:innen und Bewunderer. In diesem Text will ich dir erklären, worum es wirklich geht und was du in so unruhigen Zeiten tun kannst.
Nein, das ist nicht »normal«
Es ist ein Versagen vieler deutschsprachiger Medien, dass sie über die ersten Wochen der Trump-Präsidentschaft berichten, als sei alles »business as usual«. Dies klingt dann etwa so: Ein demokratisch gewählter Präsident drücke den USA eben seinen eigenen Stempel auf und sei dabei einfach »unwirsch«, werfe halt ein paar Regeln über den Haufen.
Doch daran ist nichts »normal«.
Nehmen wir etwa die nachweisliche Einmischung in den deutschen Wahlkampf als Beispiel: Dass sich ein verbündeter Staat in einen Wahlkampf direkt einmischt, ist diplomatisch ein ungeschriebenes Tabu. Als das deutsche Außenministerium im Jahr 2024 eine
Das ist schon ein starkes Stück, gleich mehrere Tabubrüche.
Doch genau das ist ein Schema, das wir immer wieder bei Donald Trump gesehen haben und das sich auch in seiner neuen Regierungszeit schon deutlich zeigt: Normen und Gepflogenheiten werden absichtlich verletzt. Das wirkt auf die eigenen Anhänger:innen als Geste politischer Souveränität, denn diese glauben nicht an »soft power«, sondern nur an das Recht des (Willens-)Stärkeren.

Dabei testet die Trump-Regierung aus, wie weit sie gehen kann, und verschiebt das, was Menschen als »normal« akzeptieren. Genau mit solchen Taktiken, gezielten Provokationen, Tabubrüchen und Normverschiebungen, haben Trumps
Das bedeutet aber auch: Wer krampfhaft versucht, dies als neue Normalität einzuordnen, spielt das Spiel der Tabubrechenden mit und hilft ihnen dabei.
Genau das sollten wir aber nicht tun, betont etwa der US-Historiker Timothy Snyder von der Yale-Universität. In seinem viel beachteten Buch
Fokus ist eine Grundsubstanz der Demokratie, insbesondere wichtig für jede Form von Opposition.
Aber was will Donald Trump denn wirklich? Und was hat das (auch) mit Europa zu tun?
Was in den USA gerade passiert
Zunächst geht es Donald Trump stets darum, seine eigene Stärke darzustellen. Das betont auch Trump-Experte Ezra Klein. Darin ähnelt Trump ganz autokratischen Machthabern. Nicht umsonst ist das Drehbuch für die ersten 100 Tage von Trumps Amtszeit – das heftig umstrittene »Projekt 2025« der Heritage Foundation –
Beispiel gefällig?
Staugebühren sind tot. Manhattan, und ganz New York, ist gerettet. Lang lebe der König!

In die Kategorie »Stärke darstellen« dürfte auch Donald Trumps Alleingang in den Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland fallen. »Donald Trump, der Friedensstifter« ist eine Rolle, die er nur zu gern spielt, zumal er mit seinen angeblichen Kompetenzen auf dieser Ebene während des Wahlkampfes geprahlt hat.
Wenn Trump dabei sogar noch Vorteile für die USA herausschlägt, wie die Rechte an wertvollen Ressourcen der Ukraine, kann er sich zusätzlich noch als »starker Verhandlungspartner« vermarkten. Dass die Ukraine schon eine strategische Partnerschaft mit der Europäischen Union über die für Mikrochips so wichtigen Seltenen Erden hat, dass es ein diplomatisches Tabu ist, hier reinzugrätschen, oder dass Trumps groteske Tatsachenverdrehung (Die Ukraine sei schuld am Krieg)
Doch was will Donald Trump noch mehr, als Marke und Image von Donald Trump zu verkaufen?
Nun, Trump hat ein Problem, das für viele US-Republikaner:innen sehr wichtig ist: Die Schulden der USA sind sehr
Anstrengungen zum Schuldenabbau gab es in den USA schon früher, etwa während der Finanzkrise im Jahr 2010 durch Barack Obama. Dass die USA sparen sollten, ist kaum umstritten. Doch unter diesem Vorwand passiert weit mehr. Was genau, habe ich hier aufgeschlüsselt:
- Ideologische Projekte finanzieren: Der Populist Donald Trump hat im Wahlkampf ganz auf weißen Nationalismus gesetzt und einen Wahlkampf gegen Minderheiten (vor allem Migrant:innen) geführt. Damit liegt Trump
- Erodieren der Gewaltenteilung: Das radikale Kürzen beim Staat geht mit einem Abbau seiner Funktionen einher. Diese Funktionen werden nicht ohne Grund von unabhängigen Behörden wahrgenommen – etwa um Verbraucher:innen zu schützen oder Superreiche und Politik zu kontrollieren. Da ist es absolut kein Zufall, dass sich die Sparwut
Musk will den Staat kapern, das ist sein Ziel. Der Staat soll erobert werden, damit er seinen Interessen dient. […] Das ist alles sehr, sehr gefährlich.
- Finanzgeschenke für Unternehmende und Superreiche: In einem Land, in dessen Medien Steuern für Reiche als »Sozialismus« gelten, ist es wenig verwunderlich, dass sich viele Sparmaßnahmen hauptsächlich gegen Institutionen richten,
Letztlich geht es Trump damit um die Festigung von politischem Einfluss, vor allem bei den Reichen und Mächtigen seines Landes. Das lässt er sich, wie schon in der letzten Amtszeit, etwas kosten. Nur hat er diesmal mit dem Kulturkampf »Woke« und »Gendern« sowie der Einwanderung wirksame Narrative gefunden, die die Menschen ablenken.

Doch um die USA derzeit zu verstehen, müssen wir uns auch klarmachen, dass Trump und sein MAGA-Kult keine singulären Erscheinungen sind. Ebenso wenig sind es die politische Frustration der Bürger:innen oder die Bereitschaft zu radikalen Maßnahmen, die an der liberalen Demokratie sägen.
Vergessen Sie nie, dass Trump der Höhepunkt von 40 Jahren stagnierender Löhne, wachsender Ungleichheit, Korruption, hemmungsloser Politik und wirtschaftlicher Gewinne für die Reichen war.
Doch helfen können wir den USA von Übersee aus gerade kaum und sollten lieber auf unser eigenes Land schauen. Denn auch in Deutschland lassen sich einige Ansätze des Trumpismus erkennen – und noch aufhalten, indem wir gegenhalten.
Auch du, Deutschland …
Machen wir eines an dieser Stelle ganz klar: Deutschland funktioniert anders als die USA. Die Union ist nicht zu vergleichen mit den US-Republikanern – und der zivilgesellschaftliche Gegenwind gegen Ungeheuerlichkeiten
Robin Hood, nur umgekehrt: Die Union will bei den Armen nehmen und den Reichen geben.
Die FDP träumt von einem Kahlschlag bei Staat und Bürokratie.
Die Springerpresse übernimmt ganz offen Trumps Propaganda und Perspektive
Dass die Springerpresse schon immer rechts liebäugelte, dürfte niemanden mehr verwundern.
Manche deutsche Politiker:innen sehnen sich nach dem Bruch mit dem Rechtsstaat.
Friedrich Merz tönte im Wahlkampf, er wolle beim Thema Migration »von Tag eins an« seine Richtlinienkompetenz nutzen, und Einreiseverbote durchsetzen. Das Starke-Mann-Gehabe passt genau zu Trump und seinen Dekreten
Dazu kommt ein geschäftiges Netzwerk rund um die AfD – von rechtspopulistischen Blättchen wie Tichys Einblick, NIUS oder Junge Freiheit oder das mittlerweile verbotene, rechtsextreme Compact. Sie haben die Narrative längst vorbereitet, die FDP, Springer und Union nun tiefer ins Bürgertum tragen – alles abgeschaut von den USA, von Trump, von Musk.
6 Lektionen aus dem Widerstand: Was du jetzt tun kannst
Klammern wir an dieser Stelle einmal geostrategische Überlegungen aus. Die realistische Gefahr für Deutschland ist, dass ungenierte Populist:innen auch hierzulande auf Trumps Erfolg schielen und das nachahmen – oder sich Trump sogar direkt anbiedern wollen. Um das zu bekämpfen, können wir gerade jetzt viel von denen lernen, die es jenseits des Atlantischen Ozeans mit Trumps Politik und Narrativen aufnehmen. Hier einige Lektionen aus dem sich formierenden Widerstand, von denen wir lernen können:
- Alexandria Ocasio-Cortez: »Kenne deine Rechte«. Trumps Herrschaft zeichnet sich auch dadurch aus, dass Menschen gegenüber Rechtsbrüchen einknicken – weil zu wenige ihre eigenen Rechte kennen. Das ist ein wichtiger Punkt, den die US-Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez in ihren Onlinegesprächsrunden macht. In diesen versucht sie, vor allem Minderheiten in den USA vor Verfolgung zu schützen. Fragen, die sie beantwortet:
- Ezra Klein: »Glaube ihnen nicht«.
- Robert Reich: »Konzentriere dich aufs Wesentliche. Es geht im Kern um Arm und Reich«. Der frühere US-Arbeitsminister der Clinton-Regierung ist heute ein Aktivist für Gewerkschaften und eine sozialere Wirtschaft. Er benennt den eigentlichen Konflikt, den Trump und Co. mit Kulturkampf-Rhetorik überspielen wollen: »Eine Handvoll Milliardäre hat mittlerweile eine beispiellose Kontrolle über das Bankwesen, die Lebensmittel, die wir essen, unsere Gesundheitsversorgung und die Informationen, die wir erhalten. […] So sieht Oligarchie aus.«
- Michael Sandel: »Vernetze dich«. Der Philosoph und Harvard-Professor warnte bereits früh in seinen Büchern vor dem, was gerade in den USA passiert. Er sieht die Entwicklung als eine Konsequenz des Neoliberalismus und einer Politik, die Menschen frustriert hat, weil sie sie nicht mehr gegen Finanzinteressen verteidigt. Sandels Lösung ist einfach: Sich zusammenschließen und gemeinsam politische Macht bündeln; in Gewerkschaften, auf Demonstrationen, in Netzwerken – nur eben in echt und nicht online.
- Timothy Snyder: »Verteidigt die Institutionen«. Der US-Historiker Timothy Snyder zieht Parallelen zwischen dem Aufstieg von MAGA und dem der NS-Diktatur.
- Danielle Sassoon: »Beweise Rückgrat«. Es ist schwer, andere zu kritisieren, wenn man deren Überzeugungen teilt. Doch genau das tun derzeit einige US-Jurist:innen, die eigentlich den Republikanern nahe sind, etwa Danielle Sassoon. Als die junge, von Trump handverlesene Staatsanwältin angewiesen wurde, Anklagepunkte in einem politisch brisanten Verfahren fallenzulassen, weil die Politik dies so wollte,
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily