Kaum 2 Monate ist US-Präsident Donald Trump im Amt. Von Beginn an hat er es darauf abgesehen, Wissenschaft zu diskreditieren – das ist offensichtlich. Per Dekret kürzte Trump kurzfristig staatliche Förderungen an Hochschulen sowie Behörden und zwang diese somit zu Entlassungen.
Diese bekommen immer mehr US-Forscher:innen zu spüren, und zwar gezielt in Bereichen von Forschung, die Trump ideologisch nicht passen. Das hat auch internationale Auswirkungen: Der Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen und das Kappen der Finanzierung der Weltgesundheitsorganisation bedrohen globale Gesundheits- und Umweltprogramme.
Doch der Widerstand wächst. Forschende, Studierende und Aktivist:innen kämpfen für eine faktenbasierte Politik. Eine von ihnen ist Colette Delawalla. »Trump zielt darauf ab, den kompletten Wissenschaftsbetrieb der USA einzustellen«, sagt die Doktorandin der klinischen Psychologie an der Emory University in Atlanta. Wegen einer Liste »unerwünschter« Begriffe, die Trumps Regierung Ende Januar erstellt hat, ist die Finanzierung ihrer Doktorarbeit und damit auch ihre Forschung gefährdet. Die Liste enthält Begriffe wie »multikulturell«, »inklusiv« oder »transgender«. Forschungsprojekte, die die Begriffe nutzen, können ihre staatliche Finanzierung verlieren oder gar nicht erst bekommen.
Eine Zeichnung der Forscherin Colette Delawalla.
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Illustration:
Frauke Berger
Gegen diese Wissenschaftsfeindlichkeit hat Delawalla die Graswurzelbewegung »Stand Up for Science« mitgegründet, die am 7. März Tausende Forschende in den ganzen USA mobilisierte, gegen Trumps Politik auf die Straße zu gehen.
Désiree Schneider:
Wie genau gefährdet die Liste der für die Forschung unerwünschten Begriffe Ihre Arbeit?
Colette Delawalla:
Ich bin Suchtforscherin und bereite momentan meine Doktorarbeit zum Thema zwanghafter Alkoholkonsum vor. Seit Juni 2024 arbeite ich an einem Antrag für ein staatliches Dissertationsstipendium. Es geht um rund 150.000 US-Dollar. Eigentlich wollte ich den Antrag am 1. Februar einreichen, dazu gab es ein Treffen an meiner Universität. Doch das wurde 2 Tage vorher abgesagt, weil kurz vorher die Liste mit den verbotenen Forschungsbegriffen veröffentlicht wurde. »Frauen« stand zu der Zeit auch noch drauf. Frauen gehören aber zur Stichprobe meiner Dissertation. Ich durfte also nicht einmal mehr meine Stichprobe beschreiben.
Nach einem medialen Aufschrei wurde das Wort »Frauen« wieder von der Liste genommen. Haben Sie nun noch Probleme?
Colette Delawalla:
Ja, viele. Und das, obwohl sich meine Forschung nicht einmal im Bereich Diversity, Equity and bewegt. Das sind die Bereiche, die Trumps Regierung mit in Verbindung bringt, von der er die Forschung angeblich befreien will. Doch es stehen viele wichtige Begriffe auf der Liste, die sich nicht so einfach umgehen lassen.
Das Wort kann ich in meiner Dissertation nicht vermeiden. Wie denn auch? Ich muss meine Daten doch auf Fehler überprüfen, wenn ich belastbare Ergebnisse will.
Forschung auf systematische Fehler, also bias, zu untersuchen, sollte doch Bestandteil jeder seriösen Forschungsarbeit sein …
Colette Delawalla:
Das ist mein Punkt. Trumps Regierung sagt zwar, sie hätten es nur auf eine Art der Forschung abgesehen – doch auch das stimmt nicht. Trump hat es auf jegliche Forschung abgesehen, er will jegliche Forschung einstellen.
Ich arbeite zwar immer noch darauf hin, meinen Stipendiumsantrag bis zum Stichtag im Juni einzureichen. Doch ob es etwas wird? Das weiß ich nicht.
Warum passiert das jetzt gerade in den USA?
Colette Delawalla:
Das kann ich dir genau sagen. Es ist eine autoritäre, faschistische Machtübernahme wie aus dem Lehrbuch. Deutsche kennen das sicherlich. Ich unterhalte mich jeden Tag mit Kolleg:innen und immer wieder merken wir an: Wow, das ist wie Deutschland 1933.
Während der Covidpandemie hatte Trump auf einer Pressekonferenz gefragt, ob man nicht Desinfektionsmittel gegen die Viren trinken oder sich injizieren könnte, wenn es doch beim Händewaschen die Viren tötet. Später sagte er, es sei Sarkasmus gewesen.
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Inwiefern?
Colette Delawalla:
Das Erste, was Hitler im nationalsozialistischen Deutschland getan hat, war, Forscher:innen zu entlassen und die Forschung gleichzuschalten. Unabhängige Wissenschaft ist ein Kernmerkmal von funktionierender Demokratie. Denn sie liefert fundiertes Wissen für die Politik und die Öffentlichkeit, auf dem sie ihre Entscheidungen treffen können. Dieses Wissen und den Zugang zum Wissen wegzunehmen, ist eine strategische Methode, um einem Volk seine eigene Wahrheit auf sehr autoritäre Weise aufzudrücken.
Trump hatte das bereits in seiner ersten Amtszeit während der Covidpandemie demonstriert: Gibt es keine Forschung zum Klimawandel oder zur Diskriminierung mehr, existieren sie auch nicht.
Wie reagieren die Menschen in Ihrem Umfeld auf Trumps Politik?
Colette Delawalla:
Wir sind, glaube ich, alle etwas verblüfft. Ich und viele andere haben unsere Demokratie für selbstverständlich gehalten. Wir haben nicht mitbekommen, wie fragil sie wirklich war und dass sie darauf angewiesen war, dass Generationen von Menschen sich an die Regeln gehalten haben. Und nun hast du Trump, Musk und eine Gruppe von Menschen, die sich nicht an die demokratischen Regeln halten. Es ist reines Chaos.
Auch uns in Deutschland erreicht das mediale Dauertheater mit immer neuen Entgleisungen und Tabubrüchen. Wie halten Sie sich über Wasser?
Colette Delawalla:
Ich mache mir bewusst, dass das, was Trump macht, Taktik ist. Er will die Menschen verängstigen. Er will, dass wir uns überwältigt und isoliert fühlen, als ob wir nichts tun können. Deswegen schaue ich momentan kaum Nachrichten. Das, was wirklich wichtig für mich ist, erreicht mich auch. Stattdessen genieße ich momentan bewusst die kleinen Dinge, die mir Kraft geben – wie meine Tasse Kaffee am Morgen, und ich kuschele bei jeder Gelegenheit mit meinem Baby.
Und Sie wurden politisch aktiv. Sie mobilisieren Forschende dazu, für eine unabhängige Wissenschaft einzustehen und auf die Straße zu gehen.
Colette Delawalla:
Genau. Denn wir sind nicht allein und isoliert, wir können etwas tun. Wir können uns zusammenfinden und gemeinsam lachen und schreien, um uns nicht von diesem sintflutartigen Regenguss des Chaos beeinflussen zu lassen. Das ist Widerstand. Zu diesem Widerstand habe ich Forschende am 7. März aufgerufen. In den ganzen Vereinigten Staaten sind tatsächlich rund 50.000 Menschen auf die Straße gegangen. Das ist schon ziemlich gut.
Inwiefern? Für die Dimensionen der USA und nach europäischen Maßstäben ist das ja eher eine kleine Zahl.
Colette Delawalla:
Für viele Wissenschaftler:innen, die ich getroffen habe, war es das erste Mal, dass sie überhaupt protestieren gegangen sind. Oder es war das erste Mal, dass sie seit dem March for Science im Jahr 2017 auf der Straße waren. Wissenschaftler:innen halten sich ansonsten lieber im Hintergrund und wollen nicht als politisch wahrgenommen werden, da es ihrem Ruf schaden kann.
Was hat es mit den Protesten im Jahr 2017 auf sich?
Der March for Science wurde nach der ersten Amtseinführung von Trump im Jahr 2017 organisiert, als Reaktion auf seine Haltung zur Wissenschaft. Trump bezeichnete die globale Erwärmung als »Schwindel« und kündigte an, Umweltschutzgesetze zurückzunehmen und für die Wissenschaft wichtige Stellen in nationalen Behörden abzubauen. In seiner zweiten Amtszeit setzt er diese Drohungen nun um. Stand Up for Science ist eine Wiederbelebung der Proteste von 2017, jedoch mit neuen Organisator:innen und einer Vision.
Und, wie sehen Sie das?
Colette Delawalla:
Wissenschaft ist politisch, wie wir nun sehen. Wenn uns staatliche Finanzierungen gekürzt werden, wird unabhängige Forschung stillgelegt. Wir sind von vielen politischen Entscheidungen abhängig, also dürfen wir auch politisch sein und auf die Straßen gehen. Doch wir sind nicht parteiisch. Das ist der springende Punkt.
Wie haben Sie die Proteste in Washington, D.C., am 7. März erlebt?
Colette Delawalla:
Sie waren großartig. Sie haben Spaß gemacht, Menschen vernetzt und ihnen Mut gegeben. Es hat mir auch sehr gutgetan, meiner Wut einen Raum zu geben. Dazu kam es bei uns auch zu keinerlei gewaltvollen Ausschreitungen, es war alles sehr friedlich. Auch die darauffolgende internationale Berichterstattung und Solidaritätsbekundungen waren toll.
Warum haben Sie den Protest eigentlich mitorganisiert? Wie ist es dazu gekommen?
Colette Delawalla:
Ich habe geschaut, ob es Proteste in meiner Umgebung gibt. Es gab Proteste für die Demokratie, doch keine für die Wissenschaft. gepostet. Ganz nach dem Motto: Sei die Veränderung, die du in der Welt sehen willst.
Daraufhin hat sich eine Gruppe angehender Forscher:innen bei mir die sich ähnlich fühlen. Zusammen haben wir in kürzester Zeit eine Website eingerichtet und Stand Up for Science ins Leben gerufen. Ich habe wirklich nicht viel darüber nachgedacht, sondern habe den Drang verspürt, nach meinen Werten leben zu wollen, und gehandelt.
Denken Sie, dass die Proteste etwas bringen werden?
Colette Delawalla:
Ich hoffe es. Die Regierung Trumps setzt auf Passivität, auf passive Akzeptanz. Ich denke, dass sie damit nicht durchkommt, wenn die Mehrheit der Menschen wirklich auf Veränderungen drängen und dagegenhalten. Denn es gibt einen großen Unterschied zwischen Deutschland 1933 und den USA 2025: Selbst sind momentan nicht sonderlich glücklich über Trumps Politik.
Es gibt mir viel Hoffnung, dass wir Menschen, die einst oder noch für Trump sind, begreiflich machen können, dass seine Politik schädlich für uns alle ist.
Die Organisator:innen des March for Science schätzen, dass 2017 rund 100.000 Teilnehmende auf dem Hauptmarsch in Washington, D.C., waren.
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Quelle:
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Wie wollen Sie das machen?
Colette Delawalla:
Wir planen noch weitere Aktionen für April. Wir wollen mit anderen Bewegungen noch größere Proteste aufbauen und versuchen, mehr Leute zu mobilisieren. Unter anderem planen wir einen Aktionstag und Streiks. Details kann ich dir noch nicht verraten.
Unser größter Brückenbauer ist im Moment das Gesundheitswesen. Beispielsweise wurde jegliche Krebsforschung eingestellt. In den Vereinigten Staaten finden momentan keine klinischen Studien statt, was entsetzlich ist. Das ist ein großes Problem, das vielen jedoch nicht klar ist. Darüber wollen wir reden, damit noch mehr von uns begreifen, was auf dem Spiel steht.
Und es gibt noch etwas, das mir Hoffnung gibt …
Wissenschaftlicher Aktivismus ist im Aufwind
Wissenschaftsaktivismus galt lange Zeit als Tabu, da Forschende befürchten, dass die Politisierung der Wissenschaft ihre Objektivität untergräbt. Das ändert sich langsam, schreiben die Soziologen Scott Frickel und Fernando Tormos-Aponte in The Conversation. So haben Wissenschaftler:innen bisher etwa gegen die Atombombe, Pestizide, Kriege in Südostasien und Gentechnik protestiert – oft sei es ihnen dabei gelungen, die politische Landschaft in den USA dadurch zu beeinflussen.
Was ist es?
Colette Delawalla:
Alle Wissenschaftler:innen haben so etwas wie einen Erzfeind. Also jemand, der in deinem Themengebiet einfach genau das Gegenteil von dir erforscht. Doch nun sehe ich, dass alle zusammenkommen. Auch wenn sie sich jahrzehntelang über Themen gestritten haben, kommen sie nun zusammen, um die Forschung zu verteidigen, damit sie ihre Streitereien danach fortsetzen können. Ich hasse die Umstände, unter denen es passiert. Doch diese Einheit und Solidarität gibt mir Zuversicht.
Wie kann die internationale Gemeinschaft Sie jetzt unterstützen?
Colette Delawalla:
Erst einmal ein riesiges Dankeschön für all die Unterstützung, die wir bereits bekommen – internationale Kundgebungen, Demonstrationen und Universitäten, die ihre Türen für Forschende öffnen, die auswandern wollen. Letzteres finde ich toll, da es hier auch besonders gefährdete Wissenschaftler:innen gibt. Es ist wichtig, dass wir in Kontakt bleiben und zusammenarbeiten, um Druck auf die US-Gesetzgeber auszuüben, damit die Verwaltung den Druck intern und extern spürt.
Stand Up for Science fordert nicht nur, dass der Status quo der Forschung auf den Stand vor dem 31. Januar 2025 wiederhergestellt wird. Warum haben Sie diese politischen Ziele mitaufgenommen?
Colette Delawalla:
Es ist eine Vision, wie die Forschung noch besser werden kann. Die Wissenschaft in den USA war vor dem 1. Februar 2025 sicherlich nicht perfekt. Es gab Bereiche, in denen wir Reformen brauchten, aber mit chirurgischer Präzision – und nicht nach dem Motto: »Jetzt kommen wir mit der Abrissbirne.« Im Moment steht unser Haus in Flammen und wir versuchen, das Feuer zu löschen. Wenn das Feuer gelöscht ist, sollten wir danach streben, unser Haus besser wiederaufzubauen!
Die Finanzierung der Wissenschaft in den USA hat nicht mit der Inflation Schritt gehalten, sodass die Wissenschaftler:innen bereits mehr Forschung mit weniger Mitteln betreiben. Wir wollen ein System, das die Institution der Wissenschaft in den USA nicht nur toleriert, sondern sie als eine Bastion des Fortschritts und der Demokratie schätzt und respektiert. Das ist doch der Kern des wissenschaftlichen Strebens, oder? Auf eine bessere Realität hinzuarbeiten.
Mit Illustrationen von
Frauke Berger
für Perspective Daily
Der Klimawandel hat bereits viele Kipppunkte erreicht. Die gute und die schlechte Nachricht zugleich: Er ist menschengemacht. Wir können also etwas dagegen tun. Als Umweltjournalistin geht Désiree folgenden Fragen nach: Wie können wir unseren Konsum nachhaltiger gestalten? Was müssen Firmen tun? Und wo muss sich das System ändern? Denn jeder Mensch und jedes Unternehmen kann Teil des Problems sein – oder der Lösung.