Warum ich grün gewählt habe? Damit die FDP das Klima rettet
Bei der Klimapolitik nehme ich nur den Grünen den unbedingten Willen ab. Doch die FDP könnte das beste Werkzeug liefern.
Die Bundestagswahl ist vorbei. Jetzt wird es also Jamaika.
Ich finde das super! Vor allem für den
Es gab da diesen speziellen Moment …
Ich fand Jamaika schon cool, als es noch out war. Das ist
Für mein schwarz-gelb-grünes Herz gab es da diesen einen
Minute 46: Der spezielle Moment zwischen Katrin Göring-Eckardt und Christian Lindner in der Elefantenrunde am Wahlabend.
Während die beiden Parteichefs sich anschließend einmütig den Zielen des Pariser Klimavertrages verpflichtet erklärten, freute ich mich für den Klimaschutz – das für meine Wahlentscheidung
Ein Blick in die Wahlprogramme veranschaulicht inhaltliche und kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede:
- Die Grünen haben den Klimaschutz auf die Plätze Nummer 1 und 2 ihres
Ihre Werkzeuge: die Energiewende beschleunigen, die Deckelung für den Ausbau Erneuerbarer Energien abschaffen, einen nationalen Mindestpreis für Klimaverschmutzung einführen, die Stromsteuer durch eine aufkommensneutrale CO2-Bepreisung ersetzen, der schnelle Kohleausstieg (die 20 schmutzigsten Kraftwerke wollen die Grünen sofort abschalten), ein baldiges Verkaufsverbot für Autos mit Verbrennungsmotoren und die Abschaffung des steuerlichen Dienstwagen-Privilegs, die Integration eines - Die FDP hat auch ein Kurzwahlprogramm. Es heißt
Dafür aber im
Gemeinsam können sie es schaffen
- Der Emissionshandel – oder Carbon Trading – schafft die beste Synthese aus Umwelt und Wirtschaft, indem er den Klimawandel als ein Marktversagen betrachtet. Ein Kohlekraftwerk beispielsweise verursacht heute durch seine Emissionen Schäden,
- Mit CO2-Zertifikaten brauchen wir keine langwierigen und im Ergebnis oft wenig »gerechten« branchenspezifischen Moraldebatten mehr. Es würde stets dort CO2 eingespart, wo es am günstigsten ist. Auch müsste sich zumindest unter Klimaschutzgesichtspunkten niemand für den Verzehr eines – dann deutlich teureren – importierten argentinischen Rindersteaks rechtfertigen.
- Carbon Trading ermöglicht eine von politischen Wechseln unabhängigere und dadurch langfristigere und präzise Steuerung der CO2-Emissionen.
Obwohl die FDP also das aus meiner Sicht beste Mittel vorschlägt, habe ich sie nicht gewählt. Ganz einfach, weil ich es ihr nicht abnehme, es ernst zu meinen. In einer schwarz-gelben Koalition hätte sich die FDP viel leichter dahinter verstecken können, dass wirklich effektiver Emissionshandel wegen europäischer oder internationaler Partner angeblich nicht möglich sei.
Das dürfte mit den Grünen nun schwer werden. Die haben zwar einen viel zu unübersichtlichen Werkzeugkasten an Maßnahmen. Aber sie haben das Herz und den Willen, beim Wähler in Sachen Klimaschutz zu liefern. Und diesen Willen braucht es. Ihr Vorschlag einer CO2-orientierten Kfz-Besteuerung zum Beispiel fußt ja bereits auf einem ähnlichen Prinzip wie Carbon Trading. Aber warum eine im Straßenverkehr ausgestoßene Tonne Treibhausgas anders behandeln als eine, die aus einem Kohlekraftwerk oder einem Kuhmagen stammt?
Wenn die Grünen auf die Zieleinhaltung pochen und die Gelben sich inhaltlich durchsetzen, dürfen wir berechtigt auf echte Fortschritte in der Klimapolitik hoffen. Natürlich nur, wenn die Ausgabemenge der Zertifikate den Emissionszielen des Vertrages von Paris entsprechen. Dann würde es teurer werden, Treibhausgase zu emittieren. Ein Preis von 30 Euro pro Tonne sei die Mindestschwelle für effektiven Klimaschutz, so eine
Ein herausforderndes Unterfangen. Und Grüne und FDP sind ja nicht die einzigen Parteien, die zustimmen müssten.
Und die Schwarzen?
Obgleich nur Juniorpartner, dürften Grüne und FDP das Feld der Klimapolitik dennoch weitgehend abgesteckt haben. Von den
- Die CSU wird – wie 2013 bei der Maut – ihre Ressourcen bei den Koalitionsverhandlungen vermutlich auf ihr Prestigeprojekt legen: die »Obergrenze« für Geflüchtete. Erfahrungsgemäß so lange, bis sie von Merkel irgendetwas Ähnliches bekommt, was einen anderen Namen hat. Beim Klimaschutz dürfte die CSU das Feld den Juniorpartnern überlassen, zumal sie sich zumindest offiziell klar zu den (mittlerweile extrem ambitionierten) Klimaschutzzielen bis 2020 bekennt.
- Und die CDU? Wenn ich mir die Bilanz von 12 Jahren Merkel anschaue, bekomme ich von Atomausstieg über Mindestlohn bis zur Homoehe ein wenig den Eindruck, als bestünde ihre Politik des Konsenses nicht selten darin, die Vorhaben ihrer Koalitionspartner umzusetzen, soweit diese gerade dem Zeitgeist entsprechen. Als Nebenjob muss sie mit der unionsinternen Opposition in Gestalt eines angeschlagenen Horst Seehofer fertig werden und ein Parteienspektrum von der CSU bis zu den Grünen zusammenhalten. Angela Merkel werde jede Konzession machen, um in einer Jamaika-Koalition regieren zu können, prophezeite der unterlegene Martin Schulz in der Berliner Runde nach der Wahl. Und in Richtung Grüne und FDP: »Sie kriegen alles durch!« Unwahrscheinlich, dass sich die Klima-Kanzlerin prinzipiell gegen einen Kompromiss stellen würde, mit dem FDP und Grüne leben können. Das Jahr der Abrechnung, 2020, fällt außerdem in diese Legislaturperiode. Ob die Klima-Kanzlerin mit dem Erbe leben möchte, in den 15 Jahren davor nicht genug getan zu haben?
Eine Zäsur sei dieses Wahlergebnis, so der dramatische Tenor vieler Kommentatoren im In- und Ausland. Sorgenvolle Analysen der Spaltung der Gesellschaft übersehen aber, dass vor unseren Augen in diesen Tagen und Wochen ideologische Gräben überbrückt werden, die vor gar nicht allzu langer Zeit riesig waren. Wer hätte sich 2005 eine gemeinsame Regierungsbeteiligung von Grünen und FDP vorstellen können?
Gemeinsame Positionen haben die potenziellen Koalitionspartner übrigens eine ganze Reihe.
Warum beim Klimaschutz haltmachen?
- Die Themen
- Grüne und FDP setzen sich außerdem nachdrücklich für Bürger- und Menschenrechte ein. Während Gesichtserkennung per Videokamera ein zentrales Vorhaben der Unionsparteien ist,
- Beide Parteien verbindet
- Schade fast, dass die
Auf manch einem Gebiet wird es schwierig werden zwischen FDP und Grünen, ganz klar. Ganz oben auf der Liste dürfte die Europapolitik stehen – dort verläuft die Konfliktlinie zwischen dem
Trotzdem wollen sie es augenscheinlich alle – gemeinsam regieren. Das wird am besten ohne Feindbilder funktionieren, also ohne Geläster über »realitätsverweigernde, unqualifizierte Öko-Hippies« beziehungsweise »seelenlose, statusfixierte Gelfrisuren«.
Es wird also bunter innerhalb der Regierung. Ich finde, nicht nur, aber vor allem die besseren Chancen für effektiven Klimaschutz sind ein Grund, sich darüber zu freuen.
Mit Illustrationen von Adrian Szymanski für Perspective Daily