Bringt uns dieser Vertrag den Weltfrieden?
Früher waren Kriege an der Tagesordnung, heute sind sie ein Skandal. Für den Juristen Scott Shapiro ist ein fast vergessener Vertrag aus dem Jahr 1928 dafür verantwortlich.
Immer nur Krieg auf dieser Welt. Mit diesen Worten auf der Zunge hat doch sicher jeder von uns schon einmal die 20-Uhr-Nachrichten kommentiert. Fakt ist, dass zwischenstaatliche Konflikte seit Jahrzehnten sowohl immer seltener als auch immer weniger
Liegt dies daran, dass sich immer mehr Staaten zu
Oder hat ein heute weitgehend unbekannter Vertrag vom 27. August 1928 die Lust auf Krieg verdorben? Das zumindest ist die überraschende These von Oona Hathaway und Scott Shapiro, 2 Professoren an der Yale Law School. Etwa 10 Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, so die beiden Forscher, läutete der sogenannte Kellogg-Briand-Pakt eine neue Weltordnung ein.
Folgt man der Argumentation der Staatsrechtlerin und des Rechtsphilosophen und Juristen, dann ist es dem nur etwa 2 Seiten langen
Was der Kellogg-Briand-Pakt mit heutigen Konflikten zu tun hat, habe ich Scott Shapiro im Interview gefragt.
Die Hohen Vertragschließenden Parteien erklären feierlich im Namen ihrer Völker, dass sie den Krieg als Mittel für die Lösung internationaler Streitfälle verurteilen und auf ihn als Werkzeug nationaler Politik in ihren gegenseitigen Beziehungen verzichten.
- Staaten hatten das Recht auf Eroberung. Wenn sie in einem Krieg ein Territorium einnahmen, dann konnten sie sich zum Souverän darüber erklären.
- Es gab eine Lizenz zum Töten, denn wenn Krieg legal ist, muss auch das Töten legal sein. Auch Verbrechen wie Brandstiftung, Diebstahl und Sachbeschädigung waren legal, solange sie im Rahmen von Kriegshandlungen vollzogen wurden.
- Dasselbe galt für die Kriegsdrohung. Staaten konnten anderen Staaten mit Krieg drohen, um sie zur Unterzeichnung von Abkommen zu zwingen. Sogenannte
- Außerdem gab es eine Verpflichtung zur Neutralität. Staaten waren entweder Kriegsteilnehmer oder mussten die Kriegsparteien exakt gleichbehandeln. Wirtschaftliche Sanktionen, wie sie etwa die EU und die USA nach der Annexion der Krim gegen Russland erlassen haben, waren illegal, weil sie das Recht auf Kriegsführung einschränkten.
»Sie haben unseren friedlichen Handel mit allen Mitteln behindert und schließlich alle wirtschaftlichen Beziehungen abgebrochen, was eine schwere Bedrohung unseres Reichs darstellt« – Wirtschaftliche Sanktionen als einer der Kriegsgründe in der Kriegserklärung Japans an die USA und Großbritannien, 1941
Man kann beobachten, wie sich diese Regeln in der Zeit zwischen der Vertragsunterzeichnung und dem Zweiten Weltkrieg änderten. Deutschland, Italien und Japan wollten die neuen Regeln nicht akzeptieren. Eines ihrer Kriegsziele war die Rückkehr zur alten Weltordnung. Die Sieger des Weltkrieges hingegen institutionalisierten die neue Weltordnung und gründeten die
Sollte die Staatengemeinschaft einen Verstoß gegen den Verzicht auf Krieg mit Krieg bestrafen? Das erschien allen Beteiligten absurd.
Die Vereinigten Staaten fanden den ersten Teil der Lösung. Sie erklärten, die Eroberung der Mandschurei durch Japan nicht anzuerkennen. Denn wenn es das Recht auf Krieg nicht mehr gibt, dann gibt es auch nicht mehr das Recht auf Eroberung. Der erste Schritt war also, Eroberungen nicht anzuerkennen und keine Beziehungen zu besetzten Territorien zu unterhalten.
Etwas später kamen noch Kriegsverbrechertribunale wie die Nürnberger Prozesse hinzu. Die Vereinten Nationen schafften schließlich die Möglichkeit, auch militärische Maßnahmen gegen Aggressoren
Die Politiker, die diese neuen Regeln entwickeln, begründen das sehr häufig mit dem Pakt. Das alles passiert also nicht einfach nach 1928, es passiert wegen 1928.
Die amerikanische Regierung wird keine Situation, keinen Vertrag oder Abmachung anerkennen, die mit Mitteln herbeigeführt wurden, die im Widerspruch zu den Zusagen und Verpflichtungen aus dem Pakt von Paris vom 27. August 1928 stehen
Vor 1928 verlor ein Staat im Durchschnitt etwa alle 40 Jahre einen Teil seines Territoriums durch Krieg. Heute passiert das im Schnitt nur noch alle 1.000 bis 2.000 Jahre. Und während früher jedes Jahr rund 250.000 Quadratkilometer durch Besatzung von einem Staat an einen anderen übergingen, sind es heute im Schnitt weniger als 10.000 Quadratkilometer pro Jahr und diese Besatzungen werden, wie im Fall der Krim, international nicht anerkannt. Die wichtigste Trennlinie in dieser Entwicklung, eine »Türangel in der Geschichte«, ist 1928.
Die Geschichte, die wir in »The Internationalists« erzählen, ist darum keine zu 100% glückliche.
Wir müssen die dunkle Seite dieser Entwicklung anerkennen. Dazu gehört auch, dass es durch nachlässige
Wir beobachten darum mit Sorge, dass immer öfter militärisch in schwachen oder gescheiterten Staaten interveniert wird. Auch wenn Bürgerkriege für die Betroffenen eine große Katastrophe darstellen: Wenn Länder wie die USA Gewalt einsetzen, um Bürgerkriege zu beenden, macht das nur weitere Bürgerkriege und zwischenstaatliche Kriege wahrscheinlicher. Das kann man im Nahen Osten beobachten: Die Region ist noch einmal instabiler geworden, seit die USA 2003 den Irak angegriffen haben. Dasselbe gilt für Libyen.
Darum kann kein Staat internationales Recht oder Menschenrechte durch Krieg oder durch die Androhung eines Krieges durchsetzen. Wir müssen vielmehr daran arbeiten, andere Mechanismen zu entwickeln. Die vergangenen 70 Jahre haben einen enormen Einfallsreichtum dahingehend gezeigt, wie wir Konflikte beilegen und die Regeln durchsetzen können, ohne Gewalt anzuwenden. Das
Ich glaube, niemand ist glücklich mit der Situation im Sicherheitsrat der
Mehr als alles andere geht es aber zurzeit darum, die gemachten Fortschritte zu bewahren. Einige Länder scheinen alles daran zu setzen, die neue Weltordnung wieder abzuschaffen. Die Rolle des Kellogg-Briand-Pakts und des Verzichts auf das Recht auf Krieg wird von den meisten nicht verstanden. Für uns geht es also in erster Linie darum, dass das aktuelle System erhalten wird.
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