Diese ex-obdachlose, HIV-positive Transsexuelle macht die Welt besser
Nachdem sie angeschossen wurde, nahm Ruby Corado das Schmerzensgeld und baute damit einen Rückzugsort für Menschen wie sich selbst.
Maya Nicholsons Kopf wird gehalten von einer metallenen Apparatur: ein Ring um ihre Stirn, verbunden mit Streben, die auf ihren Schultern ruhen, 2 links, 2 rechts. Sie will ihre Geschichte erzählen und von dem Angriff, der dazu geführt hat, dass sie dieses Gestell tragen muss. Also geht sie voran in den Hinterhof der Casa Ruby, wo wir ungestört sitzen können.
Binnen 5 Jahren ist die Casa Ruby zu einer wichtigen Anlaufstelle für eine doppelt ausgegrenzte Gruppe in Washington, D.C. geworden: lesbische, schwule, bisexuelle, trans-, und intersexuelle
Auch im hyper-liberalen Washington, wo Jeder dritte wohnungslose LGBTI-Jugendliche wird Opfer von Hassverbrechen
2 Wochen später wurde eine transsexuelle Frau in Washington ebenfalls
Es beginnt, sanft zu regnen, also gehen wir doch zurück in den niedrigen Aufenthaltsraum der Casa Ruby. Maya nennt den Unfall, der ihr die Kopfstütze und Tausende Dollar Krankenhaus-Schulden eingebracht hat, einen »Weckruf«: Seitdem geht sie in der Casa Ruby, einem unscheinbaren Haus an der Georgia Avenue, wieder ein und aus. Schon fast ihr halbes Leben findet in Unterkünften oder eben auf den Washingtoner Straßen statt: »Ich bin mit 13 von zu Hause weg, weil meine Mutter etwas gegen Homosexuelle hatte.« Jetzt will Maya etwas aus ihrem Leben machen, sie träumt davon, Tänzerin zu werden oder Schauspielerin. »Was die Casa Ruby für mich tut, ist, mir als Person Selbstvertrauen zu geben.«
Um das zu verstehen, unterhält man sich am besten mit Ruby selbst.
Wer ist eigentlich Ruby?
Ruby Jade Corado ist einer dieser Menschen, von denen jeder zweite Satz so bedeutsam ist, dass er wahlweise in einem Poesiealbum, einer Rede oder auf einem Kalenderblatt stehen könnte. »Ein großer Teil von dem, was wir hier tun, ist, den Menschen ihre Würde zurückzugeben«, sagt die 47-Jährige und klatscht im Rhythmus der Worte in die mit
Ich bin indigen. Als ich jünger war, nannten mich die Leute eine ›hässliche, braune Indianerin‹. Und dann dachte ich mir: Super, ich bin nicht so weiß wie viele Leute. Ich bin nicht so schwarz wie viele Leute. Ich bin ich, und ich bin anders als viele Leute. Also bin ich einzigartig, und das liebe ich.
Ruby Corado selbst kam mit 16 Jahren als Flüchtling aus
Mit 10.000 Dollar Startkapital vom Schmerzensgeld ihrer Schussverletzung gründete Ruby Corado ihre Casa, das war vor 5 Jahren. Seitdem ist ihr Projekt zu einem stattlichen Sozialunternehmen mit etwa 50 Mitarbeitern geworden. An 5 Standorten stehen insgesamt 50 Betten bereit, außerdem werden täglich 200 Mahlzeiten gekocht und verteilt. Ein weiterer Baustein der Casa Ruby sind
Auch in dem Raum, in dem Ruby das alles erzählt, sind Feldbetten aufgebaut, auf ihnen liegen Schlafsäcke, Wolldecken oder Steppdecken. Mittlerweile ist der sanfte Regen draußen zu einem tosenden Gewitter geworden und auf meinem Handy warnt eine Push-Nachricht vor Springfluten.
Drinnen, im Trockenen, lässt Ruby Corado ihren Blick quer durch den Raum schweifen, um zu erzählen, dass alles vom Fernseher bis hin zu den Decken gespendet wurde. »Heute haben wir Tausende von 1-Dollar-Spenden. Die sind mir auch wesentlich lieber als einmal 10.000 Dollar, aber auch die würde ich nicht ablehnen«, lacht sie. Wenige Wochen nach unserem Treffen erhielt sie
Das Weiße Haus ist 4 Kilometer entfernt – und doch liegen Welten dazwischen
Die Spende kommt gerade zur rechten Zeit, während die Trump-Regierung im kommenden Haushaltsjahr
Räumlich trennen nur 4 Kilometer Fußweg das Weiße Haus und die Casa Ruby. Weltanschaulich könnten sie nicht unterschiedlicher sein, sagt Ruby Corado: »Die haben eine Agenda, die uns von der Erdoberfläche tilgen soll. Das ist, was die wollen. Sie wünschen, es gäbe uns nicht. Unsere Agenda ist, jene Menschen zu unterstützen, die sie zerstören wollen, sie aufzurichten und ihnen zu helfen. Und der Unterschied zwischen denen und uns ist: Die Arbeit, die wir leisten, ist bedeutsam.«
Diese Regierung kann den Menschen ihre Rechte nehmen. Sie kann ihre Green Cards nehmen. Sie kann sogar Gesetze aufheben, die es Trans-Menschen gestatten, das richtige Geschlecht im Ausweis anzugeben.
Ein Ort für Menschen wie Ruby
Für die LGBTI-Community und letztlich für soziale Gerechtigkeit in Washington kämpft Ruby sowieso. »Ich kenne keinen anderen Ort auf der Welt«, sagt Ruby, »wo eine farbige Transgender-Frau, die obdachlos war, in Armut aufgewachsen ist, auf dem Strich gearbeitet hat, HIV-positiv ist, die so viel mitgemacht hat, einen Traum haben kann, etwas für Menschen zu bauen, die gar nichts haben – und dabei auch noch unterstützt
Gerade hat sie eine Außenstelle der Casa Ruby in Hyattsville eröffnet, einer Vorstadt von Washington, die jedoch bereits im Nachbar-Bundesstaat Maryland liegt. Außerdem steht ein
Plötzlich klingelt Rubys Handy, sie entschuldigt sich und nimmt den Anruf entgegen. »Was ist passiert?« Der Anrufer sitzt im Gefängnis, ein Schützling der Casa Ruby ist wahrscheinlich in Schwierigkeiten. »Sei ehrlich zu mir … lüg’ mich nicht an!« Solche Sachen passieren immer wieder, sagt sie, nachdem das Telefonat vorüber ist. Sie habe schon manche mit einer Kaution aus der Haft geholt.
Bei der Casa Ruby hat der Regen mittlerweile nachgelassen. Nach einem langen Gespräch muss Ruby zurück an die Arbeit, Gehälter auszahlen, Leute aus dem Knast holen und so weiter. Die regennasse Welt draußen vor der Tür ist in ein intensives, goldenes Licht getaucht, die untergehende Sonne strahlt die letzten stürmischen Wolkenfetzen über den Washingtoner Häusern an.
»Ich bin in einer Stadt aufgewachsen«, sagt Ruby, »in der es keinen Ort gab, wo ich hingehen und einfach ich sein konnte. Und ich träume davon, dass es eines Tages ganz selbstverständlich Orte für Menschen wie mich gibt, wo sie einfach hingehen und sie selbst sein
Titelbild: flickr / Ted Eytan - CC BY-SA 3.0