Auf das Ausbleiben des Klimawandels zu setzen, ist eine ziemlich beschissene Wette
Lieber Onkel Bob, du hast ja Recht! Vielleicht wird beim Klimawandel maßlos übertrieben. Aber würdest du darauf wetten? Und sollte die Menschheit darauf wetten? Werfen wir doch einmal einen Blick auf die Risiken.
Wie sicher bist du dir, Onkel Bob? 100%, Irrtum ausgeschlossen? Eine lästige Fangfrage! Natürlich nicht. Was wissen wir schon sicher über den morgigen Tag, geschweige denn über die Welt im Jahr 2100. Zukunftsprognosen sind nicht nur häufig ungenau, sondern schlichtweg
Onkel
Zu oft endeten diese Diskussionen in einem Sumpf aus »Fakten« oder in wilden Verschwörungstheorien. Zu einem konstruktiven Ergebnis führten sie eigentlich nie. Das betrifft nicht nur Gespräche mit Onkel Bob. Es ist zum Heulen.
Heute versuche ich es mit einem anderen Ansatz als dem erhobenen Zeigefinger und der Wissenschaft auf meiner Seite:
Ich schlage dir eine Wette vor, Onkel Bob. Die Voraussetzungen für eine spannende Wette könnten kaum besser sein: Wir sind uns beide sehr sicher. Gibt es einen menschengemachten Klimawandel, so gewinne ich. Gibt es ihn nicht, so gewinnst du. Der Verlierer schert sich den Kopf kahl. Top, die Wette gilt!
Für uns beide ist es eine harmlose Wette – vor allem aus meiner Sicht, denn Bob hat im Gegensatz zu mir Haare auf dem Kopf. Eine ganz andere Frage ist es aber, wie die Menschheit angesichts des ungewissen Klimawandels »wetten« sollte. Denn
Wie sollte die Menschheit auf die Zukunft wetten?
Wir haben 2 Wettoptionen auf die Zukunft:
- Option »Mainstream«: Wir unternehmen große Anstrengungen,
- Option »Klimaskepsis«: Wir unternehmen nichts und machen weiter wie bisher. Möglicherweise mit fatalen Folgen: Vielleicht gibt es einen menschengemachten Klimawandel. Falls dem so ist, würden wir, rein wirtschaftlich betrachtet,
Für welche Wettoption sollen wir uns angesichts der Ungewissheit entscheiden? Für die »vernünftigere« Option, da sind sich Onkel Bob und ich einig. Und da wir beide Zahlenmenschen sind, bedeutet »vernünftig« für uns, das geringere Risiko zu wählen. Welches Risiko ist das? Ein Werkzeug für die Beantwortung dieser Frage liefern Institutionen, die sich mit Risiken auskennen: Banken, deren Zins vom
Risikokosten beziffern den durchschnittlichen Gewinn (oder Verlust) einer Entscheidung. Bei der Berechnung werden mögliche Kosten ins Verhältnis zu ihrer jeweiligen Eintritts-Wahrscheinlichkeit gesetzt. Dafür müssen 2 Fragen beantwortet werden: Wie wahrscheinlich ist ein Szenario? Und: Wie hoch ist der Gewinn oder Verlust im jeweiligen Szenario?
Das klassische Beispiel ist der Wurf mit der Münze: Setze ich auf Kopf, gewinne ich mit einer Chance von 50%. Wenn ich 1 Euro setze und 2 Euro gewinnen kann, multipliziere ich 2 Euro mit 50% und habe mein Ergebnis: Im Durchschnitt gewinne ich 1 Euro, also genau meinen Einsatz. Ein klassisches Nullsummen-Spiel, da die
Diese Herangehensweise können wir auf die komplexe Frage nach dem menschengemachten Klimawandel übertragen.
Es ist ein 10-mal höheres Risiko, nichts gegen den Klimawandel zu tun
Wir haben für unsere 2 »Wettoptionen« alle Zahlen zum Rechnen beisammen: Die Wahrscheinlichkeiten, die Höhe des Wetteinsatzes und der mögliche Gewinn – beziehungsweise Verlust.
- Option »Mainstream« (wir unternehmen Anstrengungen, um das 2-Grad-Limit einzuhalten): Laut
- Option »Klimaskepsis« (wir machen weiter, wie bisher): Wir setzen auf die 2,5% Wahrscheinlichkeit, dass es keinen menschengemachten Klimawandel gibt. Unser Wetteinsatz beträgt 0 Euro pro Kopf, da wir nicht in die Verhinderung des Klimawandels investieren. Unser potenzieller Gewinn ist in diesem Fall negativ:
- Option »Mainstream«: Werden wir tätig, bedeutet das in Zahlen Folgendes: In jedem Fall investieren wir pro Jahr 700 Milliarden Euro, um auf das Ziel einer CO2-neutralen Wirtschaft hinzuarbeiten und das 2-Grad-Limit einzuhalten. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 2,5% erreichen wir damit nichts. Das kann 2 Gründe haben. Szenario 1: Der Klimawandel fällt aus. Szenario 2: Er ist nicht menschengemacht, kostet uns aber trotzdem dasselbe wie Nichtstun – plus unsere überflüssigen Investitionen, die wir hinterherwerfen. Halten wir diese beiden Szenarien
- Option »Klimaskepsis«: Wir tun nichts. Sehr wahrscheinlich (97,5%) büßt unsere Weltwirtschaft dann künftig jedes Jahr 1.250 Euro pro Kopf ein. Die verbleibenden 2,5% verteilen sich auf 2 alternative Szenarien. Szenario 1: Der Klimawandel fällt aus, keine Kosten entstehen. Szenario 2: Er ist nicht menschengemacht, sodass die Kosten unabhängig von unserem Verhalten anfallen. Messen wir beiden Szenarien die gleiche Wahrscheinlichkeit bei, betragen unsere Risikokosten für die Option »Klimaskepsis« pro Kopf etwa 1.230 Euro pro Jahr.
Die Bilanz: Untätigkeit ist unter Risikogesichtspunkten mehr als 10-mal so teuer wie Bemühungen, den Klimawandel zu verhindern. Übertragen auf den Münzwurf würde ich für »Zahl« 20 Euro erhalten, während Onkel Bob sich im Falle von »Kopf« mit 2 Euro begnügen müsste. Ein eindeutiges Ergebnis. Auch für Onkel Bob? Wie würde er reagieren, wenn ich ihm das Ergebnis vorrechne?
Warum ich in Zukunft nur noch über Wahrscheinlichkeiten spreche
Meine Erfahrung sagt mir, dass er nicht überzeugt wäre. Er traut den Forschungsergebnissen der weltweiten Vereinigung von Klimaforschern nicht.
»Tausende Wissenschaftler kommen zum gleichen Ergebnis wie ich – und nur eine Handvoll vertreten deinen Irrweg. Tausend sind mehr!«, könnte ich sagen. Vielleicht würde ich noch ein paar Quellen aufzeigen, aus denen hervorgeht, dass einige der wenigen Klimaskeptiker aus der Wissenschaft von der
Deswegen komme ich ihm jetzt entgegen und orientiere mich am
Ach, Onkel Bob, einigen wir uns in der Mitte. Sagen wir »Fifty-fifty«.
Was bedeutet das für unsere Risikokosten? Zunächst bedeutet es, dass Onkel Bob bezogen auf den Klimawandel mit einer 20-mal so hohen Wahrscheinlichkeit recht hat: Statt 2,5% betrüge die Wahrscheinlichkeit eines nicht stattfindenden oder nicht menschengemachten Klimawandels 50%. Im Umkehrschluss hätten sich fast alle Forscher mit einer höheren Wahrscheinlichkeit geirrt; die Wahrscheinlichkeit eines menschengemachten Klimawandels beträgt in diesem Gedankenexperiment nicht 97,5%, sondern ebenfalls 50%.
Und ich komme Onkel Bob noch weiter entgegen und stelle auch den Stern-Review, der die Kosten des Klimawandels berechnet, infrage. Die Wahrscheinlichkeit, dass Stern richtig gerechnet hat, reduziere ich ebenfalls auf 50%. Bei dem Alternativszenario, das zwecks Veranschaulichung ebenfalls zu 50% eintritt, werde ich etwas kreativ: Untätigkeit angesichts des Klimawandels kostet keine 1.250 Euro pro Kopf, sondern: nichts. Maßnahmen, um das 2-Grad-Limit einzuhalten, kosten nicht 100 Euro pro Kopf und Jahr, sondern das Doppelte: 200 Euro.
Die Zahlen in diesem Rechenspiel entsprechen nicht dem aktuellen Forschungsstand. Sie sind ein salomonisches Gedankenexperiment, um Onkel Bob entgegenzukommen (und ihn dadurch zu überzeugen).
Da wir jetzt 4 Szenarien haben, wird die Mathematik etwas komplizierter.
Auch wenn wir diese salomonischen, aber dem Stand der Wissenschaft nicht entsprechenden Zahlen zugrunde legen, betragen die jährlichen Risikokosten im Szenario »Klimaskepsis« pro Kopf etwa 780 Euro gegenüber knapp 430 Euro im Szenario »Mainstream«.
Immer noch fast das Doppelte.
Auch dieses Ergebnis ist eindeutig.
Hier kann jeder selbst einmal probieren, welche Annahmen zu welchem Ergebnis führen. Tragt eure Annahmen in die Felder ein und schaut, welche Handlungsoption aus mathematischer Sicht vernünftiger ist:
Die Wette gilt?
Habe ich dich überzeugt, Onkel Bob? Ich bin mir nicht sicher.
Zumindest hoffe ich, den ein oder anderen Klimaskeptiker zum Grübeln bringen zu können und dem ein oder anderen Leser ein neues Argument mitgeben zu können. Eines, das eine scheinbar festgefahrene und oft ideologisierte Diskussion um den komplexen Klimawandel von einer anderen Perspektive beleuchtet. Ein Argument, das nicht mit dem Schicksal unserer ungeborenen Kinder emotionalisiert, sondern nüchtern Risiken für Kosten gegenüberstellt.
Ein Argument, das mit einem Eingeständnis beginnt: Wissen können wir es alle nicht. Ich habe die Thermometer nicht aufgestellt. Aber auch Onkel Bob hat die arktischen Eisberge nicht vermessen.
Vernünftig ist es angesichts dieser Unsicherheit, die Risiken abzuwägen. Das Ergebnis ist eindeutig.
Anders als beim Münzwurf haben wir beim Klimawandel nur einen einzigen Versuch.
Also, Onkel Bob: Die Wette steht?
Titelbild: conorwithonen - CC BY 3.0