Auf diesen 5 Baustellen entsteht die neue EU
Der Finanzminister für alle, eine gemeinsame Armee, die Vereinigten Staaten von Europa: Wenn du im Jahr 2018 mitreden willst, solltest du diese Pläne kennen.
Dass Deutschland noch keine neue Regierung hat, liegt auch an Europa.
Jamaika ist an einer FDP gescheitert, die bei der Europäischen Integration
Für das politische Spitzenpersonal führt kein Weg an der EU vorbei. Merkel, Seehofer und Schulz müssen über die EU reden, weil für die Mitgliedstaaten keine Politik ohne Brüssel zu machen ist. Umgekehrt gilt aber auch: Ohne die Mitgliedstaaten gibt es keine Politik in Brüssel. »Brüssel«: Das ist nicht irgendjemand, keine abgehobene Autorität, die unseren Bauern Vorschriften macht. Brüssel – das sind wir alle. Warum reden wir dann eigentlich nicht mit?
Viele meckern über die EU, aber kaum jemand lässt sich auf eine Debatte ein. Vielleicht auch weil viele das Gefühl haben, dass ihnen die Basics fehlen, das Grundlagenwissen. Wer arbeitet den
Wir brauchen eine informiertere, lautere, bessere Europa-Debatte. Und dabei sollten möglichst alle mitreden:
Das Spannende an der EU: Schon in ihren Gründungsverträgen ist vorgesehen,
Klar, irgendwo muss die Debatte anfangen. Meine Prognose: Diese 5 Themen werden 2018 wichtig für die EU – und damit auch für dich.
1. Die EU-Armee steht in den Startlöchern
PESCO. Schon einmal gehört? Das Akronym steht für Permanent Structured Cooperation, auf Deutsch:
Im Grunde ist PESCO ein erster Schritt hin zu einer europäischen Armee.
Minister aus
Seit Jahren wissen wir, dass sich Investitionen mit einem rein nationalen Fokus nicht mehr lohnen. Milliarden Steuergelder gehen jährlich zum Fenster raus für Verteidigungsausgaben, die den Anforderungen in einem drastisch veränderten Sicherheitsumfeld nicht gewachsen sind.
Die neuen Projekte der PESCO sind aber nur ein Teil der neuen europäischen Sicherheitsstruktur. Schon im Jahr 2005 wurden EU-Gefechtsverbände geschaffen, bislang aber

Der Schritt zu einer EU-Armee ist gerade jetzt ein wichtiges Signal. Denn bisher wurde
Die neue europäische Sicherheitsstruktur – sie bedeutet auch eine Neuordnung des transatlantischen Verhältnisses mit den USA.
2. Das Aus für die Flüchtlingsquote?
Wenn eine Krise kommt, dann muss Europa bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. […] Die NATO wird immer Landes- und Bündnisverteidigung bleiben. Aber es gibt eine Vielzahl von Themen, wo ich nicht die NATO sehe, sondern wo Europa gefragt ist.
Eines der Themen, von denen Ursula von der Leyen da ein wenig verklausuliert spricht, ist der Umgang mit Geflüchteten. Der Streit um die
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker spricht
Umso überraschender kam die folgende Nachricht: Jüngst erklärte
Interessant ist sein Framing: Es gehe darum, Blockaden zu durchbrechen und Einigkeit zu bewahren. Donald Tusk hat als Pole möglicherweise ein feineres Gespür dafür, wie sehr die Debatte der letzten Jahre das Verhältnis zwischen alten und neuen Mitgliedstaaten, zwischen »dem Westen« und »dem Osten« wirklich belastet hat. Dabei ging es längst nicht nur um die Frage, welches Land wie viele Geflüchtete aufnehmen soll.
Eine Abkehr vom Zankapfel »Quote« ist nicht die schlechteste Idee.
Es ging auch um
Denkt man all das mit, ist eine Abkehr vom symbolischen Zankapfel »Quote« – obwohl sie ihre Aufgabe erfüllt hat – vielleicht nicht die schlechteste Idee. Zumal es Tusk eher um Begrifflichkeiten zu gehen scheint – denn
Diese »Faszination« bescherte der EU einen Präzedenzfall: Die Kommission leitete gegen die polnische Regierung im Dezember 2017 das erste Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge in der Geschichte der Gemeinschaft ein.
3. Was tun, wenn jemand aus der Reihe tanzt?
Die Europäische Kommission sieht in Polen die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit. […]
Ohne zu tief in die Details einzusteigen: Auch im Jahr 2018 wird es wieder darum gehen, auf welche Art die Europäische Union interne Konflikte löst. Wie sollen die Mitgliedstaaten mit Ländern umgehen, die sich durch den Beitritt eigentlich dazu verpflichtet haben, nationalstaatliche Egoismen in den Hintergrund treten zu lassen – aber nicht danach handeln? Insbesondere die
In Brüssel und zwischen den einzelnen Ländern wird nicht erst seit 2015 gestritten. Seit dem Gründungsvertrag im Jahr 1951 befinden sich die Mitgliedstaaten in einem ständigen Verhandlungs- und Verständigungsprozess über eine gemeinsame Vision von Europa – und darüber, wie viele Kompetenzen sie an die
Ein paar Beispiele gefällig?
- 1960er-Jahre: Die erste große Krise erlebte die Europäische Gemeinschaft zu Beginn der 1960er-Jahre. Für den 1. Januar 1966 war der Übergang vom Einstimmigkeitsprinzip zum Mehrheitsprinzip bei Entscheidungen vorgesehen, um die junge Union, die damals noch aus nur 6 Mitgliedern bestand (Deutschland, Frankreich, Italien und die Beneluxstaaten), handlungsfähiger zu machen. Frankreich war dagegen – und nahm ab Juli 1965 für 6 Monate gar nicht mehr an den Ratssitzungen teil. Die erste große Krise, in der die Zukunft der Europäischen Integration ernsthaft auf der Kippe stand, ging als
- 2005: Eigentlich war schon alles in trockenen Tüchern: Ein Europäischer Konvent hatte einen
- seit 2010: Die
- 2017: Hier reicht ein Wort: Brexit. Die Briten entschieden sich mit knapper Mehrheit dafür, die Europäische Union zu verlassen.
Nationalstaat vs. EU: Immer wieder tarieren die Mitgliedstaaten aus, wie viel Souveränität sie an die Union abgeben wollen. – Quelle: George Hodan
Die Liste ließe sich um viele Punkte erweitern. Doch die EU gibt es immer noch. Vielleicht ist es wie in einer guten Beziehung: Streiten ist gesund. Man muss nur wissen, wie – und das wird eine der großen Fragen im Jahr 2018.
4. Geld und Macht: Reform der Eurozone
Die gute Nachricht vorweg: Im Euroraum liegt die Arbeitslosenquote jüngsten Zahlen zufolge bei 8,7%. Das ist die niedrigste Quote, die
Der Teufel steckt allerdings im Detail: Während die Tschechische Republik (2,5%), Malta und Deutschland (je 3,6%) im November 2017 die niedrigsten Arbeitslosenquoten registrierten, kämpfte Europas Süden weiterhin um Jobs. Griechenland und Spanien führen die Negativ-Liste an: im September 2017 mit 20,5% (Griechenland) beziehungsweise 16,7% (Spanien). Während beim Thema Migration Konflikte zwischen Ost und West zu lösen sind, prallen bei den Finanzen Erwartungen der Länder des Südens und des Nordens aufeinander.
All das wirst du wahrscheinlich nicht hören, wenn es im Jahr 2018 um die Reform der Eurozone geht. Dass Einkommen, Perspektiven und Chancen innerhalb der Union noch immer sehr ungleich verteilt sind, solltest du aber mitdenken.

Denn die Begriffe, die du hören wirst, klingen erst mal wieder sehr kompliziert: Zur Debatte stehen schon jetzt ein Europäischer Finanzminister, ein Europäischer Währungsfonds (EWF) sowie ein Eurozonen-Parlament. Dass die Reform kommt, steht so gut wie fest. Im Juni soll sie beschlossen werden, im März wollen sich Frankreich und Deutschland abgestimmt haben.
Hinter den Vorschlägen dazu steckt immer auch ein Entwurf, eine Idee, eine Ideologie. Was ist wichtiger: die Stabilisierung der Finanzmärkte oder Lösungen für die soziale Ungleichheit auf dem Kontinent? Sollen finanzielle Risiken von der Gemeinschaft getragen werden – und wenn ja,
5. Kommen jetzt die Vereinigten Staaten von Europa?
Einer, der in dieser Debatte seine Stimme erhebt, ist der französische Präsident Emmanuel Macron, der derzeit als
Aber wie soll das neue Europa aussehen?
Am Beispiel der Eurozone gewinnt es an Kontur. Hier sind 3 Personen, die für 3 Positionen stehen, die im Jahr 2018 wichtig werden:

- Emmanuel Macron will einen eigenen Haushalt für die 19 Länder der Eurozone – um gemeinsam zu investieren, aber auch, um einzuspringen, falls ein Land des Clubs wirtschaftliche Probleme bekommt. Dazu soll es einen gemeinsamen Finanzminister geben, der über das Budget entscheidet. Dieser wiederum soll von einem neu zu schaffenden Eurozonen-Parlament kontrolliert werden. Diejenigen, die gemeinsam voranschreiten, sich in Sachen Sicherheit und Verteidigung abstimmen, in der Handelspolitik mit einer Stimme sprechen oder eben gemeinsam ein neues Euro-Parlament gründen wollen, sollen das tun. Ein Europa der 2 Geschwindigkeiten ist für ihn kein Problem – Hauptsache, es geht voran! Wer nicht mitzieht, ist selbst schuld.
- Etwas anders sieht das Jean-Claude Juncker, der als Kommissions-Präsident ja so etwas wie der Regierungschef der EU ist. Unermüdlich hat er in den letzten 12 Monaten
- Mit Martin Schulz schickte die SPD einen überzeugten Europäer als Kanzlerkandidaten ins Rennen: In den Jahren 2012–2017 war Schulz der Präsident des Europäischen Parlaments. Seine Rückkehr in die Bundespolitik bietet der SPD die Chance, sich als
Im Rennen um Aufmerksamkeit gegen den jungen französischen Präsidenten verlieren die Polit-Dinosaurier Schulz und Juncker haushoch. Deshalb ist Emmanuel Macrons Initiative für Europa tatsächlich die größte Chance für die EU im Jahr 2018. Endlich können wir den argumentativen Werkzeugkasten für Europa neu ordnen: Den Hammer einmal wegpacken, um mit Maßband und Wasserwaage den Umbau für die Zukunft zu planen. Die französischen Ideen für Europa verlieren sich nicht im tagespolitischen Klein-Klein und öffnen genau deshalb Raum für die ganz großen Fragen.
Es sieht so aus, als kämen aus Deutschland nun endlich Antworten. Das
Jetzt müssen wir nur noch mitreden.
Mit Illustrationen von Adrian Szymanski für Perspective Daily