Bist du bereit, ein wenig Freiheit aufzugeben für ein wenig mehr Sicherheit?
Eine alte Idee aus der Psychologie kann uns helfen, die Anziehungskraft von Trump, Erdoğan und Putin zu verstehen.
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Also: Los geht’s! Wenn du dich nicht entscheiden kannst, wähle einfach die Option: »gleich wichtig«.
Je näher dein Ergebnis bei den maximal erreichbaren 4 Punkten liegt, desto höher die Chance, dass du dich von einem
Die tieferliegende Frage jedoch ist: Was treibt Massen (zu bestimmten Zeiten) an, einem autoritären Führer oder gar Diktator zu folgen? Und vor allem: Gibt es Persönlichkeitseigenschaften, die einen Teil der Bevölkerung anfälliger für autoritäre Führungsstile macht? Der Eingangs-Test ist Teil dieser Forschungsfrage. Gerade weil er die entsprechende Neigung indirekt untersucht, ist er besonders interessant: Denn jeder, der schon mal einen Mitmenschen direkt nach einer negativ besetzten Überzeugung oder Einstellung gefragt hat, weiß, dass die entsprechenden Antworten oft den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen: Wie viele Menschen würden auf die Frage »Findest du es in Ordnung, Gewalt gegen Minderheiten einzusetzen?« tatsächlich mit »Ja« antworten?
Das Phänomen Trump
Während die Demokratie in den vergangenen Jahrzehnten ihren Siegeszug an vielen Orten hat fortsetzen können, erlebte sie in der jüngeren Vergangenheit einige Rückschläge: Autokratien stärken sich. Wir brauchen nur einen Blick auf die EU-Nachbarn Türkei und Russland zu werfen. Aber auch innerhalb der EU haben sich zum Beispiel in Ungarn und Polen Regierungen gebildet, die sich von einer liberalen Demokratie entfernen. In einer liberalen Demokratie werden Minderheiten und individuelle Unterschiede berücksichtigt – im Vergleich zu einer eher nationalistisch geprägten Demokratie, in der Abweichungen von der nationalen Norm oder Identität weniger toleriert werden.
Der Aufstieg Donald Trumps zum Präsidentschaftskandidaten ist Teil dieser Entwicklung und zeigt, dass die Betonung national geprägter Aussagen und Gefühle wie
Zum autoritären Führungsstil gehört die Unterdrückung von Minderheiten und politischen Gegnern. Aktuell sehen wir dies beispielsweise bei den Maßnahmen in der Türkei,
Warum folgen so viele Menschen Trump, Putin und Erdoğan? Erklärungen hierfür können ganze Bücher füllen, inklusive mindestens einem Buch pro Land und Subkultur. Das psychologische Profil des autoritären Anhängers wäre ein Kapitel in dieser Buchreihe: »Willkommen bei den autoritären Anhängern«.
Wie ticken autoritäre Anhänger?
Die Forschung zum autoritären Anhänger entstand vor allem durch den Wunsch, das tiefschwarze Kapitel im Buch der deutschen Geschichte – den Nationalsozialismus – zu verstehen. Der Beginn war holprig: In den 1950er-Jahren stellten Wissenschaftler, angeführt von
Seitdem hat sich einiges getan und wir wissen, dass bestimmte Eigenschaften bei autoritären Anhängern häufiger vorkommen als beim Rest der Bevölkerung.
1. Negative Haltung gegenüber anderen
Gruppen-Zugehörigkeit ist das zentrale Stichwort: Autoritäre Anhänger haben in der Regel eine negativere Haltung gegenüber sämtlichen Gruppen, die sich von der eigenen Gruppe unterscheiden. Herrschende Normen sind für autoritäre Anhänger besonders wichtig. Diese Normen können von Instanzen wie der Regierung, einem Diktator, einem Religionsführer oder einem ideologischen Führer kommen.
2. Vorliebe für Recht und Ordnung
Autoritäre Anhänger sehen die Welt eher als gefährlich und chaotisch an und sehnen sich nach mehr Recht und Ordnung: »Soziale Normen« sollten stärker eingehalten werden, um so Ordnung zu schaffen. Gruppen, die von den eigenen sozialen Normen abweichen, also für autoritäre Anhänger zum Beispiel chaotisch oder unangemessen wirken, werden negativ bewertet (siehe Punkt 1.). Wie negativ diese Einschätzung ausfällt, hängt von den landestypischen sozialen Normen ab.
Um die fehlende Ordnung herzustellen, können auch gewaltsame Methoden genutzt werden: Autoritäre Anhänger befürworten im Unterschied zum Rest der Bevölkerung eher den Einsatz von gewaltsamen Strafen; besonders gegenüber Menschen, die »anders sind«, also nicht zur eigenen Gruppe dazugehören.
3. Angst vor Ambiguität und Unsicherheit
Die Abneigung gegenüber dem »Anderen« und dem Abweichen von Normen hängt mit einer weiteren Eigenschaft zusammen: Der Angst vor Unsicherheit und mehrdeutigen Situationen. Ein Aspekt, den populistische Politiker erfolgreich ausnutzen: »Die Welt ist komplex, aber keine Sorge, wir haben deutliche, klare und vor allem einfache Antworten.« Autoritäre Anhänger sehnen sich nach klaren Antworten
Autoritäre Anhänger sehnen sich nach klaren Antworten.
4. Starke Überzeugung, Recht zu haben
Die vierte Eigenschaft erschwert Kommunikation – und lässt sie in manchen Fällen unmöglich erscheinen: Die starke Überzeugung, im Recht zu sein – und damit gleichzeitig Fakten abzulehnen, die nicht in das eigene Weltbild passen. Das erschwert einen Dialog, der auf logischen Argumenten basiert. Es erklärt auch, warum Donald Trump trotz der vielen
Dieses Phänomen ist in der Psychologie übrigens als
Wer diese 4 Eigenschaften in sich vereint – beziehungsweise eine hohe Punktzahl im Test erreicht – fühlt sich in der Regel stärker von autoritären Führern angezogen. Gleichzeitig sind die Eigenschaften der ideale Nährboden für Vorurteile und im Extremfall für Diskriminierung und Rassismus.
Das klingt alles sehr negativ und vielleicht auch ein wenig bedrohlich. Es gibt aber auch ein »aber«. Denn autoritäre Anhänger haben auch zahlreiche positive Eigenschaften: Sie arbeiten hart und zeigen besonders hohen Einsatz für eine Sache, mit der sie sich identifizieren. Sie sind besonders treu und zuverlässig. Gegenüber Menschen, die zu ihrer Gruppe gehören, zeigen sie sich meist sehr hilfsbereit und offen. Auch hier gilt (wie immer): Es geht um durchschnittliche Werte.
»Ich bin Han und könnte ein autoritärer Anhänger sein«
Hat sich während des Lesens bei dir auch ein leicht mulmiges Gefühl eingeschlichen? Ich beschreibe einen Teil der Bevölkerung mit teils sehr negativen Eigenschaften, scheine mich selbst aber sehr von dieser Gruppe zu distanzieren. Oder?
Nicht so schnell: »Hallo, ich bin Han und ich könnte ein autoritärer Anhänger sein!« Wir tragen alle Eigenschaften der autoritären Anhänger in uns, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Die Menschen, die diese Eigenschaften stärker mitbringen, sind auch empfänglicher für autoritäre Führer.
Nur weil ich selbst 0 Punkte beim Test hatte, heißt das nicht, dass ich die beschriebenen Neigungen nicht auch in mir trage beziehungsweise empfänglich für sie bin. Wir alle tendieren dazu, Dinge, die unser Weltbild bestätigen,
1. Die Trennung zwischen Gruppen innerhalb der Bevölkerung: Die sogenannte »In-Group« (»meine Gruppe«) und »Out-Group« (»alle anderen«). Wer diese anderen sind, ist egal. Das vielleicht Überraschende: Unterschiedliche Gruppen und damit die Aufteilung werden schnell eingeteilt. Die einzige Voraussetzung dafür ist ein verbindender Faktor: ein Gruppenname, das gleiche Kleidungsstück, eine Geste.
2. Angst –
Folgendes Experiment aus dem Jahr 1954 zeigt, wie schnell
Wie aus Kameraden Gegner werden
24 12-jährige Jungen in einem Sommer-Camp. Für das bekannte
Phase 1: Gruppenbildung
Während der ersten Tage wissen die »Eagles« nichts von den »Rattlers« und umgekehrt. Parallel erhalten beide Gruppen Aufgaben, die sie innerhalb der Gruppe planen, diskutieren und bearbeiten müssen. Die jeweils andere Gruppe bleibt dabei nicht länger unbemerkt. Es entstehen erste Situationen, die das Gruppengefühl stärken: Spekulationen darüber, ob die andere Gruppen die Waschräume dreckig hinterließ oder die »eigenen« Sportanlagen nutzte. Die Camp-Leitung wird immer öfter gebeten, doch eine Art Wettkampf gegen die andere Gruppe zu organisieren.
Phase 2: Wettkampfphase
Genau das geschieht in Phase 2. Wettkämpfe werden geplant und es kommt auf beiden Seiten zu Frustration: Als sie das erste Mal im Speisesaal aufeinandertreffen, entstehen direkt Konflikte. Es folgen Beschimpfungen und verachtende Lieder. Es werden Witze über den Namen und die Flagge der anderen Gruppe gemacht. Beim eigentlichen Wettkampf kommt es zum Streit, Trophäen werden geklaut und die Unterkünfte der anderen Gruppe attackiert.
Angst ist hierbei ein wichtiger Katalysator. Sie treibt uns an, um nach einem Ausweg zu suchen, einer Realität ohne Angst. Und auch hier sind wir wieder alle empfänglich für diese Gefühle, vor allem, wenn wir mit der eigenen Vergänglichkeit konfrontiert werden. Schauen wir Nachrichten über Krieg und Totschlag,
Haben wir mehr Angst – ausgelöst durch schreckliche Videos oder andere Reize – erhöht sich auch unsere
Bezogen auf die Rhetorik von Donald Trump ist das Versprechen eines von Sicherheit: Er verspricht, eine Mauer zu bauen, um vor gefährlichen Einwanderern zu schützen. Muslime passen nicht in die USA, also sollen sie vorerst nicht einreisen dürfen. Der IS soll mit Gewalt bekämpft werden, auch indem die Familien von Terroristen gezielt in einem Racheakt getötet werden. Er bietet Schutz vor der bösen Welt da draußen und macht Amerika wieder zu dem, was es einmal war: Großartig. Fakten und Komplexität sind dabei unwichtig.
Klar ist also: Es gibt diese Neigungen in der Gesellschaft, in jedem von uns. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um?
Ein gemeinsames Ziel verbindet
Die kurze Antwort lautet: Angst nicht wachsen lassen und im besten Fall verringern. Keine einfache Aufgabe,
Klar ist auch, dass die Darstellung von Fakten in ihrer Komplexität nicht immer der beste – oder einzige – Weg ist. Wenn wir in der Lage sind, die Ängste von anderen Gruppen (»Out-Groups«) zu akzeptieren, signalisieren wir, dass wir auch für jene ein Stück weit »In-Group« sein können. Es kann natürlich nicht alle Probleme lösen, sich diese Dynamiken zu verdeutlichen, erscheint mir aber sehr sinnvoll.
Und es gibt noch mehr Grund zur Hoffnung: Das Experiment mit den »Eagles« und den »Rattlers« ist nach Phase 2 noch nicht beendet:
Phase 3: Friedenspfeife rauchen
Um Frieden zwischen den beiden Gruppen zu stiften, planen die Versuchsleiter zunächst weitere Treffen. Dabei sollen die Teilnehmer einander »wirklich« kennenlernen und so soll die Aggressivität eingedämmt werden. Der Versuch scheitert. Die Jungen bekämpfen sich weiter und tragen Essenskämpfe aus.
Plan B muss her: Eine gemeinsame Aufgabe, die für beide Gruppen wichtig ist.
Nach einem langen, heißen Tag haben beide Gruppen kein Trinkwasser mehr. Sie müssen zusammenarbeiten, um den Wassertank des Camps zu reparieren. Nach gemeinsamen Anstrengungen beider Gruppen können alle Beteiligten ihren Durst löschen. Weitere solcher Aufgaben folgen und das Kriegsbeil wird begraben, die beiden Gruppen gehen ineinander auf. »Eagles« und »Rattlers« wollen im gleichen Bus zurück nach Hause fahren. Einige der Jungen müssen sich beim Abschied die Tränen verkneifen.
Eine gemeinsame Aufgabe, ein übergeordnetes Ziel kann nicht nur die »Eagles« und »Rattlers« zusammenbringen, sondern auch bereits existierende Gruppen in Deutschland, Europa und weltweit. Die große Frage ist nur: Was könnte dieses Ziel sein?
Titelbild: Kaiserkrönung Napoleons I. in Notre Dame (1804) - CC0 1.0