Was tun, wenn der Regen ausbleibt?
Im »Obstkorb Südafrikas« wachsen unsere Birnen. Aber seit Jahren regnet es dort kaum noch. Ihre Not macht die Farmer erfinderisch.
Gespenstisch still hier unten. Alles ist so weit weg: Die aus der Ferne zwitschernden Vögel, meine Reporterkollegen an der Straße, der stahlblaue Himmel sowieso. Durch meine Sohlen spüre ich die Schollen des hellen, lehmigen Sandbodens, von der afrikanische Sonne festgebacken und zerrissen. Aus den Furchen recken sich vereinzelt grüne Grastriebe, hier und da liegen Kieselsteine. Ich stehe inmitten eines Sees, der bis auf einen kümmerlichen Rest vollkommen ausgetrocknet ist. Die sanft ansteigenden Flanken in alle Richtungen um mich herum lassen erahnen, wie viel Wasser hier hineinpassen würde.
Eine Plage wie im Alten Testament
Trockenen Fußes über einen See zu laufen, das ist eine Geschichte aus dem Neuen Testament. Aber die Plage, mit der die Westkap-Region in Südafrika derzeit zu kämpfen hat, ist schon eher alt-testamentarischen Ausmaßes: 3 Winter in Folge hat es kaum geregnet. Und der nächste Winter, der auf der Südhalbkugel gerade beginnt, bringt bislang auch kaum Wasser mit sich.
Für die Bauern hier bei Ceres, eine gute Autostunde nördlich von Kapstadt, ist die endliche Ressource Wasser unverzichtbar fürs wirtschaftliche Überleben. Ceres, benannt nach der römischen Göttin des Ackerbaus, wird auch der »Obstkorb Südafrikas« genannt. Die Früchte mit den »Südafrika«-Etiketten, die die nächsten Monate über in unseren Supermärkten liegen, sind größtenteils hier gereift. Damit sie auch in der nächsten Saison Früchte zum Exportieren haben, ziehen die Bauern jetzt alle Register.
Die Krise am Kap
Schon seit gut einem Jahr ist Kapstadt im
Ob diese Extremlage auf den Klimawandel zurückzuführen ist, auf das Klimaphänomen
In diesem Text beschreibt Peter Dörrie, wie es so weit kommen konnte.
Desinfektionsmittel statt Händewaschen
In Kapstadt gilt aktuell Wasserspar-Level 6B. Das heißt, dass jeder Bürger maximal 50 Liter am Tag verbrauchen darf; Rasen sprengen, Pools füllen und Autos waschen ist verboten. Auf
Geht das Wasser zur Neige, trifft das die Ärmsten besonders
In Südafrika gibt es eine 50 Liter müssen reichen – jetzt auch für die Reichen
In den Townships, den einstigen Ghettos, in die die schwarze Bevölkerungsmehrheit während der Apartheid zwangsweise umgesiedelt wurde, leben viele Menschen seit Jahren
Dass nun auch die Besitzer der großen Villen mit einer ähnlichen Wassermenge auskommen müssen, sorgt durchaus für Genugtuung bei manchen Township-Bewohnern.
Gleichzeitig lassen die Wohlhabenderen jedoch auch den
Bevor der nächste Sommer kommt, will Kapstadt sich zumindest ein bisschen unabhängiger von den Regenfällen machen und nutzt dazu das Wasser, das in rauen Mengen vorhanden ist: Meerwasser. Kapstadt ist die einzige Metropole mit Zugang zu 2 Weltmeeren, dem Atlantik und dem Indischem Ozean. Die erste Entsalzungsanlage ist seit ein paar Tagen in Betrieb
Erst Ende Mai ging die
Weiter im Landesinneren, in Ceres, ist entsalztes Meerwasser ohnehin keine Option mehr. Aber die Farmer nutzen andere Techniken, um auch noch den letzten Tropfen aus jeder Regenwolke herauszuholen.
Natur schützen heißt Pflanzen töten
Steven Versfeld beschäftigt auf seiner Farm in Ceres zur Hochsaison rund 150 Mitarbeiter, seine Birnen landen hauptsächlich in Europa. Er zeigt mir ein 9 Sekunden kurzes Handyvideo: Darin steht er im Karohemd an einem Berghang und fährt mit der Motorsäge durch den massiven Stamm einer Pinie. Er hastet ein paar Schritte zurück. Im Hintergrund jubelt jemand, als der etwa 15 Meter hohe Baum zu Boden geht.
Pinien stammen eigentlich aus Mittel- und Südeuropa – in Südafrika sind sie eine invasive Pflanze, die heimische Gewächse verdrängt. Die Nadelbäume nehmen bei Regenwetter viel Wasser auf, das dann gar nicht mehr im Fluss oder im Grundwasser ankommt – und das den Farmern so verloren geht. Pinien aus Europa machen in Südafrika Probleme
Südafrikanische Biologen haben in der Nähe von Ceres dokumentiert, wie Pinien bei einem Fluss binnen 2 Jahrzehnten den Wasserfluss um 55% verringerten – in einem
Steven Versfelds Handyvideo zeigt nicht etwa ein Ceres Chainsaw Massacre auf eigene Faust, sondern eine Aktion, die Teil eines größeren Programms ist. Vor 5 Jahren hat der World Wildlife Fund (WWF) in der Westkap-Provinz gemeinsam mit Farmern sein erstes
Neben Pinien und Eukalyptusbäumen betrifft das noch einige andere Bäume und Sträucher, die in den Talsohlen und in Flussnähe stehen. Weil Regen vorausgesagt war, ist Peter Rooi nicht bei der Arbeit, sondern hat Zeit, uns zu erklären, was er normalerweise macht: Im Team mit seinen Kollegen sägt er die invasiven Pflanzen ab und bestreicht die übrig gebliebenen Stummel mit einem Pflanzengift. Stattdessen sollen endemische Pflanzen wie
Was die Bauern mit dem Grundwasser anstellen
Ein Kilogramm Birnen aus der Westkap-Provinz braucht zum Reifen rund
Er ließ ein Bohrloch in die Erde treiben, um ein Grundwasser-Reservoir anzuzapfen – jedoch war an der Stelle, zu der Geologen geraten hatten, nichts zu holen. Also musste ein zweiter Tiefbrunnen gebohrt werden, diesmal mit Erfolg. Insgesamt kostete Steven Versfeld die Aktion 170.000 Rand, umgerechnet knapp 12.000 Euro.
Wo das Grundwasser zu finden ist, hängt von der Beschaffenheit des Untergrunds ab. In sandigen Böden versickert das Wasser, härtere Gesteinsschichten halten es auf – man spricht von sogenannten Grundwasserleitern, im Englischen »Aquifer«. In hügeligen Gegenden wie bei Ceres sind auch solche Gesteinsschichten zerklüftet. Deshalb bilden sie mancherorts unterirdische Wannen, die von allen Seiten von Gestein umschlossen sind. Diese »confined aquifers«, wie Steven Versfeld sie nennt, sind für die Farmer besonders interessant, denn hier läuft das versickerte Regenwasser zusammen wie in einem unterirdischen See. Gelegentlich, erzählt er, laden die Farmer von Ceres diese Wannen auf wie einen Akku: Wenn nach einem Regenguss die Bergbäche viel Wasser führen, leiten sie sie um, damit das Wasser an den richtigen Stellen versickert und in die Wanne läuft. Dort ist das Wasser – im Gegensatz zu oberirdischen Speicherbecken – vor dem Verdunsten geschützt.
Droht dem Eukalyptus die Kettensäge?
Am verkümmerten Wasserloch habe ich mittlerweile meinen Rückweg zu meinen Kollegen angetreten. Oben, wo früher das Ufer war, fällt mir ein kleines ummauertes Grundstück mit Gartenstühlen auf, auf dem ein großer Eukalyptusbaum Schatten spendet. Ein anderer Farmer habe sich diesen Ort angelegt, meint Steven Versfeld. Ein Eukalyptus dieser Größe ziehe mit seinen Wurzeln etwa 500 Liter Wasser aus dem Boden – pro Tag. Wenn es nicht bald regnet, droht dem Baum ein Besuch mit der Kettensäge.
Titelbild: David Ehl - copyright