Laut oder leise? Nutze dein Temperament, um erfolgreicher zu sein
In der Arbeitswelt können Introvertierte ihr Potenzial oft nicht entfalten. So ändern wir das.
Gehörst du auch zu den rund 43% der arbeitenden Bevölkerung, die ihre Situation am Arbeitsplatz
Wenn wir unseren Frust ganz bequem auf äußere Faktoren projizieren, vergessen wir dabei einen wichtigen Faktor, der unsere Zufriedenheit am Arbeitsplatz maßgeblich beeinflusst. Er ist es, der darüber entscheidet, wie wir mit Chef, Kollegen und Herausforderungen umgehen. Er entscheidet auch darüber, ob sie uns den Arbeitsalltag leichter machen oder erschweren. Ob wir eher angespannt reagieren, unmotiviert oder angriffslustig.
Die Rede ist von unserem Temperament.
Gestatten? Ich bin dein Temperament!
Bist du eher der in sich gekehrte Analytiker oder die im Mittelpunkt stehende Draufgängerin? Nimm dir einen Moment Zeit,
Psychologen teilen das menschliche Temperament in
In diesem Artikel stehen die beiden Protagonisten Ingo und Emma sinnbildlich für die beiden gegensätzlichen Richtungen dieser »Intro-Extro-Skala«,
- Ingo, den »Intro«: Er ist schon mal der
Mit Blick auf die Frage, wie groß der Anteil der eher Introvertierten in der Bevölkerung ist, schwankt die Antwort je nach Untersuchung stark. Eine grobe Schätzung basierend auf amerikanischen Studien lautet: - Emma, die »Extro«: Sie ist für andere mal die nervige Quasselstrippe, die leichtsinnige Draufgängerin oder eine Schwätzerin ohne Substanz. Auch Emma ist nicht vor Vorurteilen sicher.
Auch bei den »Extros« ist eine prozentuale Angabe für die Häufigkeit in der Bevölkerung schwierig: Die Schätzungen von 50–70% »Extros« ignorieren die Zentrovertierten.
Stark vereinfacht bedeutet das: Für Emma besitzt die Außenwelt die größere Bedeutung, für Ingo ist die Innenwelt der Gedanken wichtiger. Ihr Temperament können sie sich genauso wenig aussuchen, wie du es kannst. Denn die Unterschiede liegen im Gehirn.
Das weiß die Wissenschaft über das Temperament
Schon in den 1990er-Jahren begannen Wissenschaftler damit, das menschliche Temperament genauer zu untersuchen, und fanden messbare Unterschiede im Gehirn und im Nervensystem generell:
- Unterschiede im Gehirn: Wenn Ingo und Emma die Aufgabe haben, still dazuliegen und ihren Gedanken nachzuhängen, arbeiten ihre Gehirne unterschiedlich. Bei Ingo und anderen »Intros« konnten die Wissenschaftler einen höheren
Außerdem stießen die Wissenschaftler in der Großhirnrinde auf - Unterschiede im Nervensystem: Die unterschiedliche Verteilung der Neurotransmitter beeinflusst auch das vegetative Nervensystem. Emma fühlt sich am wohlsten, wenn es rund geht. Egal ob angeregte Unterhaltung, Achterbahnfahrt oder Abenteuer. Was für andere nach Stress und Überforderung klingt, ist für sie genau das richtige Maß an Stimulation.
Das ruhigere Nervensystem von Ingo blüht dagegen auf, wenn er sich in Ruhe auf etwas für ihn Angenehmes konzentrieren kann. Wenn andere sich langweilen würden, findet er es wohltuend und erfrischend,
Die Ergebnisse legen nahe, dass Ingo und Emma ganz unterschiedliche Bedürfnisse an ihre Umgebung haben. Die betreffen natürlich auch unser Arbeitsumfeld.
Wie lädst du deine Batterien auf?
Pausen brauchen wir alle. Kleinere Unterbrechungen und die längere Mittagspause sollen dabei helfen, die sprichwörtlichen »Batterien« wieder aufzuladen. Das passiert aber nur dann, wenn wir unsere Umgebung als angenehm empfinden. Dabei können die unterschiedlichen Bedürfnisse von Emma und Ingo zum Problem werden.
Um sich wohlzufühlen, braucht Ingo Ruhephasen mit möglichst wenig störender Ablenkung von außen. Also ist er in der Mittagspause lieber für sich allein als unter Kollegen. Emmas Batterien dagegen werden besonders gut durch Reize aus der Außenwelt gespeist. Darum sucht sie während der Pause den Austausch mit Kollegen und möchte gemeinsam mit ihnen zu Mittag essen.
Doch nicht nur in den Pausen, auch während der normalen Arbeitszeit wirkt die Umgebung ganz unterschiedlich auf die 2 Extreme der Temperamente. Das ist eine zusätzliche Herausforderung an die Arbeitsumgebung, die in vielen Jobs und Büros bisher kaum beachtet wird. Die meisten Arbeitsumgebungen sind eher auf »Extros« ausgerichtet. Die US-amerikanische Autorin Susan Cain, die seit Jahren eine Lanze für die Anerkennung der unterschiedlichen Temperamente bricht, formuliert es so:
Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, in denen es Menschen freisteht, sich in einer wechselnden Auswahl von Interaktionen zu bewegen. Sie müssen sich in ihren persönlichen Arbeitsbereich zurückziehen können, wenn sie sich konzentrieren oder einfach allein sein wollen.
Dabei ist es gar nicht so schwierig, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der sich alle Temperamente wohlfühlen – und damit auch mehr Leistung bringen können. Selbst wenn die Chefetage streikt, können Ingo und Emma davon vieles einfach selbst umsetzen.
So klappt es mit der Arbeitswelt und deinem Temperament
Diese 4 Rahmenbedingungen lassen sich ohne großen Aufwand schnell umsetzen:
- Raumaufteilung optimieren: Ist am Arbeitsplatz für ein weitgehend störungsfreies und geräuscharmes Umfeld gesorgt? Viel erreicht wird natürlich durch kleinere Büros statt Großraum. Auch die Bürotür mal für längere Zeit schließen zu können und feste Regeln zu »Störungsphasen« helfen vor allem Ingo bei der Konzentration.
- Rückzug ermöglichen: Nicht jeder Raum muss der Arbeit dienen. Ausgewiesene Zonen, um sich zurückzuziehen, sind für alle Temperamente wichtig, um in Pausen die Batterien aufzuladen. Beispielsweise in Form eines gemütlichen Lesesofas oder einer Teeküche. Emma kann sich mit anderen »Extros« zu privaten Gesprächen treffen. Ingo kann hier durchatmen – zumindest wenn Emma ihn dabei in Ruhe lässt.
- Kompetenzen klären: Geht es um die Einschätzung von Kompetenzen, schneiden »Extros« meist besser ab als »Intros«. Wer redegewandter ist und offensiver auftritt, setzt seine Ideen in Teams häufiger durch. Hier könnten alternative Verfahren helfen: Etwa die Ideen vor einem Meeting per E-Mail einzureichen und auch Ingo in Besprechungen
- Ergänzende Teams bilden: Sowohl Emma als auch Ingo bringen für jedes Unternehmen wichtige – und vor allem ergänzende – Fähigkeiten mit. Clevere Chefs wissen das zu nutzen.
Entdecke, worauf es bei der Zusammenarbeit von »Intros« und »Extros« ankommt.
Wie eine optimale Büroumgebung in der Praxis aussehen kann, hat das britische Finanzministerium schon im Jahr 2002 vorgemacht: Nach einer groß angelegten Modernisierung wurden offene Flächen geschaffen, um den Austausch zwischen Kollegen anzuregen und gleichzeitig in den kleineren Büroräumen für eine ruhigere Arbeitsatmosphäre zu sorgen.
Kater Gladstone führt durch einen ruhigeren Arbeitsbereich des britischen Finanzministeriums.
Dabei muss es gar keine teure Gebäuderenovierung sein. Im eigenen Arbeitsalltag bringen kleine Schritte oft die größte Veränderung. Womit fängst du an?