Deutschland unter Strom: Wie wir die Energiewende in 10 Jahren stemmen
Die komplette Energiewende ist möglich. Und zwar schnell, wenn wir es richtig anstellen. Ein Blick in die Kristallkugel zeigt, wie unsere Welt schon in 10 Jahren aussehen kann.
Am 15. Mai 2016 verkündete
Heute 14h wurde Strombedarf in Deutschland erstmals 100% durch Erneuerbare gedeckt.
Das erste Mal in der Geschichte der Menschheit produziert eine große Industrienation mehr Strom aus Sonne, Wind, Wasserkraft und Biomasse, als das ganze Land verbraucht. Ob Laptops, U-Bahnen oder Ampeln: Alles läuft »öko«. Für einen kurzen Moment am sonnigen Nachmittag dieses Pfingstsonntags, so scheint es, herrscht in Deutschland saubere Energie-Zukunft.
Langsam ist es in den Köpfen der Bevölkerung und der Politiker angekommen: Dass der Energie-Unabhängigkeits-Tag eine entscheidende Marke ist im Kampf gegen den Klimawandel und für eine unabhängige und global gerechte Energieversorgung. Und: Er zeigt den Skeptikern, dass unser energiesüchtiges Land ohne Kohle und Öl rund laufen kann, ohne zusammenzubrechen. Erneuerbare sind das natürliche Substitut, auf das wir setzen müssen, wenn wir weiterhin friedlich und in Wohlstand leben wollen.
– ob wir es wollen oder nicht. Die Türe stand offen – und wir sind durchgegangen
24. Mai 2026, 10 Jahre später. Heute wissen wir, dass die Geschichte hinter dem Tweet nur halb so gut war, wie sie auf den ersten Blick aussah. Einerseits, weil sich die Meldung wenig später als falsch entpuppte:
Mit 82% Erneuerbaren, wie es sich im Nachhinein herausstellte, war es dennoch ein Rekordtag für Deutschland. Nicht schlecht für den Anfang. Nie hat Deutschland einen so hohen Anteil seines Stromverbrauchs mit Erneuerbaren gedeckt wie am 15. Mai 2016. Der Vergleich zu einem dunklen Werktag im Winter zeigt, wie stark Sonne und Wind schwanken. Quelle: Agora Energiewende
Vor allem aber verbrauchten wir Deutschen damals nur etwa
Die beiden weiteren Drittel flossen jeweils in den Verkehr und in die Wärmeerzeugung. Doch mit Strom, wie ihn Wind- und Sonnenkraft liefern, konnten Autos mit Verbrennungsmotoren und Öl- oder Gas-Heizungen damals wenig anfangen. Sie haben keine Stecker, sondern Tankstutzen und Öl-Kessel. Die meisten unserer Maschinen interessierten sich damals schlicht nicht für Volt und Ampere, sondern hörten auf Oktanzahl und Brennwert. Der Tweet, den wir heute Mittag, am Pfingstsonntag im Frühjahr 2026 absetzen, hat eine ganz andere Bedeutung:
Das Echo ist groß. 10 Jahre sind seit dem ersten Fehlalarm zu 100% Erneuerbarem Strom vergangen.
Seitdem ist viel geschehen: Politik und Gesellschaft haben sich am Riemen gerissen. Nachdem der
unterschrieben worden war, erteilte das Verfassungsgericht ein Verbot für den Bezug und Vertrieb von Und spätestens, als zum 1. Januar 2022 ein in Kraft getreten Politik und Gesellschaft haben sich am Riemen gerissen.ist, an dem sich sage und schreibebeteiligen, haben saubere Technologien und ein umweltfreundlicher Lebenswandel leichtes Spiel. Wie in 10 Jahren aus 82% sauberem Strom 100% sauberer Strom, sauberes Heizen und sauberer Verkehr wurde:
Die leichteste Übung: Die Strom-Wende
Ich schaue aus dem Fenster und sehe 2 Schichten blau.
sie schimmern in dunklem Farbton, darüber der strahlend helle Himmel. Was sich zuvor schon angedeutet hat, ist spätestens seit dem Carbon-Trading-Gesetz fix: Den eigenen Sonnenstrom zu produzieren, kostet nur noch Vor einem halben Jahr hat deshalb auch der letzte in unserer Straße den Stromanbieter gewechselt. Dieser springt aber ohnehin nur noch im Notfall ein, im Winter und wenn einige Tage die Sonne wegbleibt. Denn normalerweise sind die Nachbarn und ich mit den Solarzellen und den Akkus im Keller gut bedient. Die Stromspeicher sind so erschwinglich und effizient geworden, dass inzwischen jeder einen hat. An den meisten Tagen kann ich darin
An so einem sonnigen Tag im Mai jedenfalls könnte ich noch eine zweite Familie mitversorgen. Für die Menschen in den Städten, die in Mietwohnungen ohne eigenes Dach leben, reicht die Windkraft gut aus. Vor allem durch das sogenannte Repowering ist die Menge an Windstrom stark gestiegen, ohne dass Deutschland vollgepflastert wäre mit Windrädern. Dabei haben die Betreiber einfach
Die Akkus aus der ersten großen Welle von Elektroautos, die 2018 durch Deutschland rollte, sind inzwischen zu schwach für die Autobahn. Sie der Netzbetreiber in den Vorstädten. Weht der Wind, werden sie aufgeladen, herrscht Flaute, versorgen die großen Akku-Farmen die Städte mit Strom. Der Strom, den die ausrangierten Auto-Akkus tanken, reicht meistens für die nächsten 1-2 Tage. Um den Strom aus der energiestrotzenden Jahreszeit, dem Sommer, in den energiearmen Winter zu retten, hat sich eine weitere Technik als zuverlässig erwiesen:
Die Sonne aus dem Juli wärmt meinen Glühwein im Dezember.Das Power-to-Gas-Verfahren. Energiebetreiber und Bürgergenossenschaften habendie mit Wind- und Sonnenstrom Wassermoleküle auftrennen. Die Geräte produzieren so energiehaltigen Wasserstoff, den wir das das energiereiche Öko-Gas wie in einem Konservenglas über Monate hinweg frisch hält. Fast das einzigige Nebenprodukt: Im Winter jagen wir das Gas in Kraftwerke und Brennstoffzellen und voilà: Die Sonne aus dem Juli wärmt meinen Glühwein im Dezember. Und So können wir unseren Energiehunger nicht nur an einem Feiertag im Mai stillen, wenn Fließbänder und Maschinenparks in den Industriegebieten stillstehen und die Menschen frühstücken und spazieren gehen, anstatt zu schweißen oder vor dem PC zu sitzen. Es macht die Energiewende sattelfest für die kalten Werktage im Februar, wenn gearbeitet und geheizt wird. Da liefen vor 10 Jahren die Kohlekraftwerke noch auf Hochtouren.
Tesla, Golf & U-Bahn: Die Mobilitäts-Wende
Dass wir beim Strom die 100%-Marke geknackt haben, war ja schon im Juni 2018 der Fall.
Viel erstaunlicher waren die großen Sprünge im Verkehr, der diesen Mai ebenfalls erstmals
Das liegt vor allem daran, dass viel weniger Leute selbst fahren als früher. Denn die CO2-Steuer hat den öffentlichen Nahverkehr so viel günstiger werden lassen im Vergleich zum Individualverkehr, dass die Zahl der Autobesitzer stetig abgenommen hat. Bei deutschlandweiten Zugtickets ab 13 Euro denken wir schon zweimal nach. Und der massive Ausbau von Radwegen hat einen Großteil der Pendler zum Zweirad bewegt – ob mit oder ohne elektrischen Antrieb.
Aber auch für die Auto-Narren hat sich einiges geändert: Denn als die Menschen vor 10 Jahren anfingen, die neuen Tesla-Modelle »schick« zu finden, waren die zugegebenermaßen für den Großteil der Bevölkerung viel zu teuer. Mit der CO2-Steuer und den
hat es aber keine 4 Jahre mehr gedauert, bis immerhin auf 4 der 10 Hauseinfahrten in unserer Straße Teslas sowie die Nachzügler von VW und Co. standen. Ich selbst wäre auch fast in Versuchung geraten. Allerdings wurden die Elektroautos schnell von einem Trend überholt, den lange Zeit kaum jemand auf dem Schirm hatte:
Technisch ist das ein alter Hut; steigende Benzinpreise und das immer günstigere und klimafreundliche Wind- und Sonnengas aus dem Power-to-Gas-Verfahren haben Tanken kann ich auch zu Hause.Bei mittlerweile 30 Cent pro Liter Grün-Gas im Vergleich zu 1,90 Euro für den Liter Diesel haben sich inzwischen nicht nur 5 Parteien in unserer Straße für die Umrüstung ihres alten Wagens entschieden. Auch ich selbst habe lieber den alten Golf umbauen lassen und fahre jetzt – Tesla hin, Tesla her – mit klimafreundlichem Gas durchs Land. Undder Gasanschluss liegt schließlich seit Jahrzehnten. Die Welt als Kühlschrank: Die Wärme-Wende
Jetzt, wo die Autos umgestellt sind, wollen die Menschen ihr Geld woanders anlegen. Das Ergebnis: Jeden Herbst ist das Wohngebiet eine einzige, große Baustelle. Alle lassen ihre Häuser isolieren und die Heizungen tauschen, die
wurden weit übertroffen. Jeder will die um im Winter ordentlich zu sparen. Denn die Wundergeräte brauchen nur kleine Mengen Strom oder Gas, die ja inzwischen ohnehin klimaneutral und zum Spottpreis zu haben sind. Damit Ähnlich wie ein Kühlschrank, der die letzten paar Grad Celsius aus dem Joghurt zieht und in die Küche abgibt – nur eben andersherum. Die Geräte sind die perfekte Alternative zu Kohle- und Ölheizungen, denn sie verwenden den sauberen Ökostrom und sauberes Windgas direkt – ohne schmutzige und verlustreiche Verbrennung wie in einem Heizkessel. Das Beste daran: Wir müssen uns überhaupt keine Gedanken mehr ums Heizen machen. Anfangs war es etwas ungewohnt, nicht selbst am Regler zu drehen, wenn draußen der erste Frost kommt. Aber wir haben schnell gemerkt: Die Wärmepumpe ist das ganze Jahr über auf 20–22 Grad Celsius eingestellt – und daran hält sie sich strikt. Besser als wir das immer hinbekommen haben. Sobald es draußen kälter ist, springt das Ding im Keller an, ohne dass wir etwas mitbekommen. Und weil das Gerät die Wetterprognose aus dem Internet studiert, heizt es einfach vor, wenn gerade mehr Strom aus Windkraft zur Verfügung steht als am nächsten oder übernächsten Tag. Durch die gute Isolation braucht das Haus 2 Tage, um von 22 auf 20 Grad Celsius abzukühlen. Wir speichern in unserem Haus also nicht nur den Strom für dunkle Zeiten, das Haus selbst ist auch der Wärmespeicher für die kalten Tage.
So hat es diesen Pfingstsonntag also endlich einen ganzen Tag lang geklappt: Wer geheizt hat, verwendete Windstrom aus den letzten Tagen. Wer die Waschmaschine angeschmissen hat, zog den Strom aus dem Akku im Keller. Und wer die Eltern besuchen wollte, tankte klimaneutrales Windgas direkt in der Garage – oder fuhr mit dem Fahrrad.
Im Nachhinein sieht alles immer leichter aus als vorher. Und der Tweet für den nächsten Meilenstein am 31. Dezember 2036 ist schon geplant:
Dieser Artikel ist Teil unserer thematischen Suche nach Alternativen, um das 2-Grad-Limit einzuhalten.
Titelbild: Annie Spratt - CC0 1.0