Konzerne haben das Internet zum Wilden Westen gemacht. Jetzt schickt die EU den Sheriff
Nach Jahren des Goldrauschs sollen die Nuggets bald fair aufgeteilt werden.

Man muss nur mal »Motorradtour USA« bei Google eingeben, um einen Eindruck von der grenzenlosen amerikanischen Freiheit zu gewinnen: endlose Landstraßen, gesäumt von Kakteen oder den pittoresken Felsen des Monument Valley, und auf jedem Foto schwere Motorräder auf ihrem Weg zum Horizont.
Da kann den Biker schon mal das Fernweh packen – wie gut, dass die Suchergebnisse direkt zu Reiseveranstaltern führen, die einem sofort in den Sattel helfen. 6 der 16 Suchergebnisse auf der ersten
Bei Google Ads werden zwischen
650 Millionen Suchanfragen täglich
Peanuts also, die sich bei









Und ja, richtig, der Präsident eben dieser Vereinigten Staaten beklagt gerade, dass die Europäer 130 Milliarden Euro weniger in den USA ausgeben als umgekehrt. Donald Trump hat deswegen einen regelrechten Handelskrieg ausgerufen, weil er glaubt (oder zumindest verspricht), so die Jobs der heimischen Stahlarbeiter bewahren zu können. Doch ihr Schwert ist stumpf gegen eine Waffe, die Europa schmieden könnte: die Digitalsteuer.
Welcher Handelsüberschuss?
Ob das von Trump beschworene Handelsdefizit überhaupt existiert, ist letztendlich Definitionssache. Eine Studie des ifo-Instituts nimmt der Argumentation viel
Betrachtet man klassische Handelsgüter wie Harley-Davidson-Motorräder oder Autos von BMW, ist das Defizit unbestritten – Amerikaner kaufen mehr deutsche Autos, als hierzulande
Geldverkehr mit den USA
Auf der linken Seite ist zu sehen, wie viel die USA im Jahr 2017 an der EU bzw. Deutschland verdient haben, rechts, wie viel sie überwiesen haben. Du kannst einzelne Segmente durch einen Klick in die Legende ein- oder ausblenden.
Betrachtet man Deutschland allein, bleibt das Defizit aus US-Sicht bestehen – weil aber die EU-Staaten gemeinsam einen einheitlichen

Das primäre Problem
Interessanter ist eher die Frage, warum die US-amerikanischen Primäreinkommen so hoch sind. Ein erstes Indiz ist die Tatsache, dass ein verhältnismäßig großer Teil des Kuchens aus Irland, Luxemburg und den Niederlanden stammt. Diese Länder halten Standortvorteile für Apple, Google, Amazon und Facebook bereit – zum Beispiel lockt Irland mit einer Geschätzte Steuereinbußen: 50–70 Milliarden Euro jährlich.
Deshalb tauchen die Gewinne aus der Google-Werbung nicht unter Dienstleistungen in der Aufstellung auf, sondern als Primäreinkommen. Diese Praxis führt zu einem ernst zu nehmenden fiskalischen Problem: Die EU-Finanzminister schätzen, dass ihnen bei digitalen Dienstleistungen, zu denen neben Online-Werbung auch zum Beispiel die Vermittlung von Wohnungen (Airbnb) und Fahrdiensten (Uber), aber auch Online-Medien wie dieses zählen, jährlich 50–70 Milliarden Euro an Steuern
Dass sie diesem Geld bislang nur müde hinterherwinken konnten, rechtfertigen die Finanzminister mit einem Steuerkonzept, das für Fabriken aus Ziegeln und Mörtel geschaffen worden ist. Unternehmen zahlen Steuern nach dem
Wenn ein Verbraucher innerhalb der EU im
Das Betriebsstätten-Prinzip ergibt im digitalen Bereich keinen Sinn mehr.
Google hat aus Steuergründen Irland als seinen Europa-Sitz gewählt. Nach geltenden Gesetzen findet dort Wertschöpfung statt, auch wenn eine Motorradfahrerin von ihrem Sofa in Deutschland aus auf einer deutschen Nachrichtenwebsite Werbung eines deutschen Motorradtourenanbieters zu Gesicht bekommt. Wie wenig Sinn das Betriebsstätten-Prinzip im digitalen Bereich ergibt, sollte damit hinreichend gezeigt sein.

Stattdessen will die EU-Kommission, dass ein Konzern in jedem Land steuerpflichtig wird, in dem es eine »signifikante digitale Präsenz« unterhält – bei Google, Facebook und Co. dürfte das so gut wie jedes EU-Land sein.
Die Zeit für eine Digitalsteuer ist gekommen
Die EU-Kommission hat vor einigen Monaten ein Konzept vorgestellt, das der digitalen Wertschöpfung gerecht werden soll: eine Digitalsteuer. Jeder Mitgliedstaat soll sie selbst erheben dürfen, wenn
- die Umsätze mit allen digitalen Dienstleistungen dort mehr als 7 Millionen Euro jährlich ausmachen.
- mehr als 100.000 Bürger mindestens einmal im Jahr digitale Dienstleistungen nutzen.
- Digitalunternehmen jährlich mehr als 3.000 Verträge mit Bürgern schließen.
Diese Anforderungen dürften von so gut wie jedem EU-Land zu erfüllen sein – wenn nicht jetzt, dann in einigen Jahren. Das Entscheidende daran ist, dass ein Unternehmen nicht mehr eine Dependance in jedem EU-Land haben muss, in dem es dann steuerpflichtig ist. Dann würde auch für B2B-Geschäfte die Unternehmensteuer anteilig in jedem EU-Staat fällig; außerdem plant die EU eine direkte Digitalsteuer von 1–5% des
Die Zeit drängt.
Manche Mitgliedstaaten wollen den langwierigen Abstimmungsprozess in der EU über die Details nicht abwarten und preschen mit nationalen Gesetzentwürfen vor. Zum Beispiel

Diese Steuerreform ist überfällig, um auf die Wertschöpfung im digitalen Zeitalter einzugehen und sie so zu besteuern, dass die daran Beteiligten etwas davon haben – an die Digitalkonzerne, die die Algorithmen und Plattformen entwickelt haben, geht auch nach Steuern noch genug. Während Industrieunternehmen etwa 23% Steuern zahlen, sind es bei
Ein Sheriff in den digitalen Wilden Westen
Für die EU gibt es noch ein Argument, gerade jetzt die Digitalsteuer einzuführen: Sie kann Donald Trump zeigen, dass er sich verrechnet hat. Zumindest bei Twitter macht der 72-jährige US-Präsident zwar einen internetaffinen Eindruck; die Rechnung, wie er zu seinem Handelsdefizit kommt, blickt hingegen auf verdammt analoge Produkte wie Stahl. Dabei fließen Milliardengewinne aus digitalen Dienstleistungen unter den Augen der Zöllner vorbei. Während Trump in Handelsfragen eher auf brachiale Maßnahmen setzt, könnte die EU den Wilden Westen im Internet nun etwas zähmen. Dabei handelt es sich dann nicht einmal um eine Gegenmaßnahme zu Trumps protektionistischer Handelspolitik, sondern um eine überfällige Reform: Sie bevorteilt nicht die heimische Wirtschaft, sondern beendet nur eine unfaire Steuerpraxis.

Harley Davidson packt die Satteltaschen.
Und man darf getrost davon ausgehen, dass die Digitalsteuer ihrem Zweck angemessener ist als Trumps Schutzzölle, die ja eigentlich amerikanischen Unternehmen helfen sollen: Harley Davidson hat als erste größere US-Firma die Satteltaschen gepackt und angekündigt, wegen der Strafzölle weitere Teile ihrer Produktion ins kostengünstigere Ausland zu
Titelbild: - CC0 1.0