Ohne Feminismus wird das nichts mit dem Weltfrieden!
Klingt naiv? Keineswegs: Staaten sind stabiler und reicher, wenn Frauen gleiche Rechte haben. Schweden hat das verstanden – und macht Feminismus zur Staatsdoktrin.
Wenn es um Frauenrechte geht, scheut sich Schwedens Chef-Diplomatin nicht davor, Porzellan zu zerschlagen. Schon kurz nach ihrem Amtsantritt im Jahr 2014 sorgte Außenministerin Margot Wallström für einen Eklat, als sie mit deutlichen Worten die
Feminismus und Außenpolitik – was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Jede Menge, meint Kristina Lunz, Mitgründerin des
Das Niveau sozialer Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten – Geschlechter-Ungleichheiten sind eine Form davon – determiniert, inwiefern ein Staat nach außen gewaltbereit ist.
Damals fand Kristina Lunz es seltsam, dass Gewalt gegenüber Frauen in ihrem Diplomatie-Studium ein blinder Fleck war. Heute ist ihr klar, warum noch immer so wenig darüber geredet wird: »Weil es eine Problematik ist, die eine politische Minderheit betrifft. Und Themen politischer Minderheiten finden nur sehr selten und schwer Eingang in den Mainstream. Weil es die Personen, die Entscheidungen treffen, eben nicht betrifft.«
Kristina Lunz will mit ihrem Thinktank feministische Außenpolitik nach schwedischem Beispiel in Deutschland voranbringen. Sie hilft mir dabei, 4 Fragen zu beantworten, die klären, warum das wichtig ist – und warum Frieden ohne Feminismus schlechte Chancen hat.
1. Schweden macht seit knapp 4 Jahren feministische Außenpolitik. Was soll das denn bitte heißen?
Geschlechtergleichheit ist ein Ziel an sich, dient aber essenziell auch den anderen Zielen, die diese Regierung verfolgt: Frieden, Sicherheit und eine nachhaltige Entwicklung.
Das schwedische Modell basiert auf »3 Rs«: Rechte, Repräsentation, Ressourcen; das sind die
- Haben Frauen dieselben Rechte? Haben Mädchen und Frauen denselben Zugang zu Bildung oder Arbeit wie Jungs und Männer? Dürfen sie heiraten, wen sie wollen, und sich auch wieder scheiden lassen, wenn es nicht geklappt hat? Können sie Unternehmen gründen, Bankkonten eröffnen? Das sind nur einige Beispiele für Rechte, die der Hälfte der Bevölkerung in vielen Ländern der Erde verwehrt bleibt – und für die sich Schweden überall dort einsetzen will, wo es mit einer Botschaft vertreten ist.
- Sind Frauen überall dort repräsentiert, wo über sie entschieden wird? In Regierungen, Parlamenten, kommunalen Verbänden, Unternehmen und anderen Organisationen sollten Frauen angemessen vertreten sein. Denn nur wenn Frauen mitentscheiden, werden ihre Rechte auch angemessen berücksichtigt.
- Profitieren Frauen von gesellschaftlichen Ressourcen? Wird in die Interessen von Frauen und Mädchen – ihre Ausbildung, ihre Gesundheit, ihren Schutz vor Willkür und Gewalt – genauso viel investiert wie in die von Männern?
Mit den »3 Rs« will Schweden internationale Politik auf allen Ebenen betrachten und darauf hinarbeiten, dass eines Tages all diese Fragen mit »Ja!« beantwortet können.
2. Ist das nicht ein bisschen naiv?
Die schwedische Regierung weiß, dass sie mit normativen Appellen für eine feministische Außenpolitik nicht überall punkten kann. Deshalb geht Wallströms Ministerium mit einem smarten Mehrebenen-Rechtfertigungs-Mix nach vorn, der das Zeug hat, selbst die härtesten Pragmatiker davon zu überzeugen, dass Feminismus kein
- Feminismus ist bereits heute Bestandteil geltenden Rechts: Fast alle Länder haben die
- Wer ernsthaft darüber nachdenkt, wird zu dem Schluss kommen, dass Geschlechtergerechtigkeit richtig ist: Stelle dir vor, du dürftest darüber entscheiden, wie sich die Gesellschaft organisiert, in der du leben wirst – unter der Voraussetzung, dass du nicht weißt, welche Stellung du letztendlich darin einnehmen wirst. Dieses Gedankenexperiment heißt »Schleier des Nichtwissens« und ist der Ausgangspunkt der Gerechtigkeitstheorie des Philosophen
- Eine feministische Politik ist gut für die Wirtschaft: Diejenigen, die keine philosophischen Gedankenexperimente anstellen wollen oder können, lassen sich vielleicht davon überzeugen, dass Geschlechtergleichheit gut für den nationalen Geldbeutel ist. Wallström argumentiert mit einer
Und schließlich: »Friedensvereinbarungen, die von Frauen mitunterzeichnet wurden, werden mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eingehalten.«
Ich glaube nicht, dass eine feministische Außenpolitik idealistisch ist. Es ist die smarteste Politik, die man im Moment verfolgen kann.
3. Okay, aber was macht Schweden denn konkret?
Schweden hat eine klar definierte Agenda, für die es bilateral, in und mit der EU sowie in sämtlichen internationalen Institutionen eintritt.
Um dafür zu sorgen, dass weltweit mehr Frauen mitverhandeln, wenn es um Frieden geht, hat Schweden das
Außerdem unterstützt Schweden den Zugang zu Verhütungsmitteln, Schwangerschaftsvorsorge und sicheren
Darüber hinaus mischt Schweden im Herzen der internationalen Sicherheits- und Außenpolitik mit: Für die Jahre 2017–2018 wurde das Land als nichtständiges Mitglied in den
Zum Beispiel mache sich Schweden im Sicherheitsrat unter anderem für eine Null-Toleranz-Politik gegenüber sexualisierter Gewalt durch UN-Blauhelmtruppen stark,
Für Aktivistin und Thinktank-Gründerin Kristina Lunz ist gerade auch die Signalwirkung wichtig, die von Schwedens feministischer Initiative ausgeht: »Ein Land wie Schweden im Herzen der internationalen Sicherheits- und Außenpolitik zu haben, ist ein unheimlich starkes Zeichen, das andere inspiriert. Das führt dazu, dass Länder wie Kanada nachziehen, dass es Organisationen wie unsere gibt, dass Deutschland jetzt Druck bekommt. Das Thema ist auf einmal anerkannt, es wird nicht mehr nur darüber gekichert.«
4. Vielleicht ist feministische Außenpolitik ja wirklich eine ganz gute Idee – wie können wir das auch in Deutschland umsetzen?
Deutschland ist in einer besonders guten Position, Schweden und Frauen weltweit zu unterstützen, denn wenn Schweden aus dem Sicherheitsrat ausscheidet, folgt Deutschland für die Jahre 2019–2020 nach. Im Centre for Feminist Foreign Policy hat man schon einige Tipps parat, wie genau die Berliner Außenpolitiker von den Schweden lernen und deren Arbeit fortführen können. Die erste Empfehlung lautet: Macht die
Kristina Lunz zeigt sich vorsichtig optimistisch, was den deutschen Einsatz angeht: Im April habe Außenminister Heiko Maas die Eröffnungsrede bei einem wichtigen Netzwerktreffen für feministische Außenpolitik gehalten, das sei ein starkes Zeichen gewesen. Trotzdem ist sie skeptisch, ob Deutschland sich in den kommenden Jahren zu einer feministischen Außenpolitik durchringen kann:
»Wir müssen auch anerkennen, und zwar nicht mit Resignation, sondern mit einer Anpassung unserer Strategie, dass Deutschland konservativ ist. Das sieht man an der Art und Weise, wie über Feminismus geredet wird. Wie hart wir in den letzten Jahren dafür gekämpft haben, nicht immer über denselben Blödsinn reden zu müssen: Zum Beispiel ob man jemandem noch Komplimente machen darf oder nicht.«
»Warum zählen nationale Interessen mehr als die Sicherheit von Menschen?« – Kristina Lunz, Mitgründerin des Centre for Feminist Foreign Policy
Für einen echten Prioritätenwechsel – weg von nationalen Interessen, hin zu einem Fokus auf menschliche Sicherheit – brauche es zweierlei: Druck von unten, aber auch eine Führung, die sich deutlich ausspreche. »Es hätte in Schweden keine feministische Außenpolitik gegeben, wenn Margot Wallström und vor allem auch Premierminister Löfven nicht gesagt hätten: Machen wir!«
Druck von unten gibt es inzwischen. Im Auswärtigen Amt habe sich ein Verein von Diplomatinnen gegründet, der eine feministische Außenpolitik voranbringen wolle. Auch einzelne Stiftungen, Parteien und Parlamentarier würden sich das Thema inzwischen auf die Fahnen schreiben, erzählt Kristina Lunz.
UN-Konventionen, Diplomatinnen, Thinktanks – das klingt alles ziemlich abgehoben. Was kann jede einzelne tun, um sich dafür einzusetzen, dass Frauen- und damit Menschenrechte eine größere Rolle spielen, wenn deutsche Regierungsspitzen mit anderen Ländern in Kontakt treten?
Kristina Lunz überlegt einen Moment. »Ich glaube, Trump hat uns wie nie zuvor gezeigt, wie nah Außenpolitik an jeder einzelnen Person dran ist: Welche Auswirkungen seine Entscheidungen auf uns haben und wie emotional wir reagieren, wenn wir mitbekommen, was er macht.« Es habe sie entsetzt, wie sehr sich europäische Länder über Strafzölle empört hätten – und wie verhalten im Gegensatz dazu die Reaktionen auf Familientrennungen an den US-Grenzen ausgefallen seien. »Darüber kann man reden: Warum zählen nationale Interessen mehr als die Sicherheit von Menschen?« Ihr Ratschlag: Nicht schweigen, diskutieren! Um Brücken zu schlagen zwischen den großen Themen und den eigenen Emotionen. Damit der Druck von unten weiter wächst.
Titelbild: MONUSCO Photos - CC BY-SA 3.0